Johannes Schnizer
Vorschlag zur Neuregelung der
Sicherheitsverwaltung
1. Die Artikel 78a bis 78d B-VG lauten:
„Sicherheitsbehörden
Artikel 78a. (1) Sicherheitsbehörden sind die
Generalpolizeidirektion und, dieser unterstellt, die Polizeidirektionen. An der
Spitze der Generalpolizeidirektion steht der Generalpolizeidirektor, an der
Spitze der Polizeidirektionen stehen Polizeidirektoren.
(2) Der Generalpolizeidirektor
ist an Weisungen des Bundesministers für Inneres gebunden.
(3) Örtlicher
Wirkungsbereich der Generalpolizeidirektion ist das Bundesgebiet. Die
Einrichtung von Polizeidirektionen und die Bestimmung ihres örtlichen
Wirkungsbereichs erfolgen mit Bundesgesetz. Die Grenzen der Sprengel der
Polizeidirektionen dürfen nicht Grenzen der Sprengel der Gerichtshöfe erster
Instanz schneiden. Die Zahl der Polizeidirekionen soll die Zahl 20 nicht
unterschreiten und die Zahl 35 nicht übersteigen.
Sachliche Zuständigkeit
Artikel 78b. (1) Die Sicherheitsbehörden des Bundes
sind zur Wahrnehmung folgender Angelegenheiten zuständig:
(2) In den in Abs. 1
genannten Angelegenheiten kann der Gesetzgeber die Zuständigkeit der Behörden
der allgemeinen staatlichen Verwaltung vorsehen, wenn dies der Sparsamkeit,
Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung dient. Andere als die in
Abs. 1 genannten Angelegenheiten dürfen den Sicherheitsbehörden nicht zur
Wahrnehmung zugewiesen werden.
Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes
Artikel 78c. (1) Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes sind jene Organe der Sicherheitsbehörden, die zur Ausübung
von Zwangsgewalt und insbesondere zum Waffengebrauch befugt sind.
(2) Die die einzelnen
Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze können die
Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorsehen, wenn dies
wegen deren Befugnisse erforderlich ist. In diesen Fällen unterstehen sie der zuständigen
Behörde. Art. 97 Abs. 2 gilt.
(3) Die Ernennung von
Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes obliegt dem
Generalpolizeidirektor.
Wachkörper
Artikel 78c. (1) Wachkörper sind bewaffnete oder
uniformierte oder sonst nach militärischem Muster eingerichtete Formationen,
denen Aufgaben polizeilichen Charakters übertragen sind. Zu den Wachkörpern
sind insbesondere nicht zu zählen: Das zum Schutz einzelner Zweige der
Landeskultur, wie der Land- und Forstwirtschaft (Feld-, Flur- und Forstschutz),
des Bergbaues, der Jagd, der Fischerei oder anderer Wasserberechtigungen
aufgestellte Wachpersonal, die Organe der Marktaufsicht, der Feuerwehr.
(2) Im örtlichen
Wirkungsbereich einer Polizeidirektion darf von einer anderen
Gebietskörperschaft ein Wachkörper nicht aufgestellt werden. Ausgenommen sind
Wachkörper von Gemeinden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses
Bundes-Verfassungsgesetzes bestehen.
Menschenrechtsbeirat
Artikel 78d. (1) Der Generalpolizeidirektor wird in
Fragen der Wahrung der Menschenrechte vom Menschenrechtsbeirat beraten. Diesem
obliegt es, die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden unter dem Gesichtspunkt der
Wahrung der Menschenrechte zu beobachten und begleitend zu überprüfen. Der
Menschenrechtsbeirat wird hiezu aus eigenem oder über Ersuchen des
Bundesministers für Inneres oder des Generalpolizeidirektors tätig.
(2) Dem Menschenrechtsbeirat gehören elf
Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder an, die bei Besorgung ihrer
Aufgaben an keine Weisungen gebunden sind. Sie üben ihre Funktion ehrenamtlich
aus.
(3) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des
Menschenrechtsbeirates werden mit deren Zustimmung vom Bundespräsidenten für
eine Funktionsperiode von fünf Jahren bestellt. Diese endet durch Ablauf der
Funktionsperiode, durch eine schriftlich begründete Abberufung seitens des
Bundespräsidenten oder durch Verzicht oder Tod des Mitglieds.“
Allgemeine Erläuterungen
Der vorliegende Entwurf ist von folgenden
Grundsätzen geleitet:
1. Beseitigung des Nebeneinanders von Bundespolizeidirektionen
und Bezirksverwaltungsbehörden:
Bislang ist Sicherheitsbehörde erster Instanz
entweder die Bundespolizeidirektion, oder aber, nämlich an Orten, an denen
keine Bundespolizeidirektion besteht, die Bezirksverwaltungsbehörde. In der
Praxis haben jedoch die Bezirksverwaltungsbehörden ihre Aufgaben als
Sicherheitsbehörden nie mit einer den Polizeibehörden vergleichbaren Intensität
wahrgenommen. Deshalb soll nunmehr die Divergenz zwischen
Bundespolizeidirektionen einerseits und Bezirksverwaltungsbehörden
andererseits zugunsten eines einheitlichen Systems von Polizeidirektionen
aufgegeben werden. Damit soll ein homogenes Niveau der Sicherheitsvorsorge in
Österreich gewährleistet und zudem ein unnötig komplizierter Behördenaufbau
vermieden werden.
2. Sicherheitsregionen, zwei Ebenen der
Sicherheitsbehörden:
Bislang ist die Sicherheitsverwaltung im
Wesentlichen auf drei Ebenen organisiert. Zwischen die
Bundespolizeidirektionen/Bezirksverwaltungsbehörden einerseits als der
eigentlich operativen Ebene und dem Bundesminister für Inneres als der obersten
Sicherheitsbehörde schieben sich die Sicherheitsdirektionen in den Ländern.
Diese auf drei Ebenen organisierte Hierarchie ist jedoch, wie auch ein
Vergleich mit anderen europäischen Ländern ähnlicher Größe zeigt, zu aufwändig
und erschwert zudem eine dezentralisierte Wahrnehmung der Aufgaben- und
Ressourcenverantwortung, wie sie einer modernen Polizeiarbeit entsprechen
würde. Daher verfolgt der vorliegende Entwurf das Ziel einer entschiedenen Dezentralisierung
und Regionalisierung der Sicherheitsbehörden. Dies soll die Orientierung der
operativen Polizeiarbeit an den sich wandelnden Sicherheitsbedürfnissen der
Bevölkerung fördern und die Berücksichtigung lokal unterschiedlicher
Gegebenheiten erleichtern. Die Bestimmung der Anzahl und des örtlichen
Wirkungsbereichs der Polizeidirektionen wird dem einfachen Bundesgesetzgeber
überlassen, auch um die erforderliche Flexibilität zu wahren. Jedoch wird durch
die Normierung einer Mindestanzahl von 20 und einer maximalen Anzahl von 35
Direktionen sichergestellt, dass ein Sicherheitsregionen-Modell erhalten
bleibt, dass mithin eine Ebene geschaffen wird, die deutlich zwischen den
Ländern einerseits und den Bezirksverwaltungsbehörden andererseits liegt.
Allerdings ist es nicht erforderlich, dass
flächendeckend Polizeidirektionen eingerichtet werden, auch wenn dies
wünschenswert wäre. Im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und
Zweckmäßigkeit können auch die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung
mit Agenden der Sicherheitsverwaltung betraut werden.
3. Trennung von Politik und Polizei
Bislang ist der Bundesminister für Inneres oberste
Sicherheitsbehörde. Diese Verbindung eines politischen Amtes mit der Aufgabe,
die Polizei zu führen, führt zu einer sachlich nicht befriedigenden Vermischung
von politischen und polizeilichen Funktionen. Künftig soll die Polizei
politisch neutral positioniert werden. Zwar bleibt der Bundesminister für
Inneres weisungsbefugt, doch kann er Weisungen nur direkt an den
Generalpolizeidirektor erteilen, womit ein Maximum an Transparenz gewährleistet
wird, auch kann der Bundesminister in Zukunft nicht selbst Aufgaben einer
Sicherheitsbehörde wahrnehmen. Während bislang das Bundesministerium für
Inneres polizeiliche Funktionen vielfach in den Handlungsformen eines
Ministeriums erfüllt, bleiben künftig die Sicherheitsbehörden organisatorisch
vom Bundesministerium für Inneres als dem organisatorischen Hilfsapparat des
Bundesministers klar getrennt.
Zu den einzelnen Bestimmungen:
Zu Artikel 78a B-VG:
Die Absätze 1 und 2 bilden den Kern des
Regionalbehörden-Konzepts. Es werden Sicherheitsbehörden auf zwei Ebenen
geschaffen. Der Bundesminister für Inneres ist nicht selbst Sicherheitsbehörde,
wohl jedoch, schon im Hinblick auf seine politische Verantwortung gegenüber dem
Parlament, weiterhin weisungsbefugt.
Abs. 3 trägt dem Umstand Rechnung, dass die
Kriminalpolizei in Koordination mit der Staatsanwaltschaft und dem Gerichtshof
erster Instanz ausgeübt wird. Deshalb soll auf eine Harmonisierung der Sprengel
der Polizeidirektionen mit jenen der Gerichtshöfe erster Instanz geachtet
werden.
Zu Artikel 78b B-VG:
Eine wesentliche Schwäche des geltenden Rechts
liegt darin, dass die bestehenden Artikel 78a ff B-VG zwar die
Sicherheitsbehörden normieren, dabei jedoch offen lassen, welche
Angelegenheiten diesen Behörden zur Wahrnehmung zukommen. Der vorgeschlagene
Katalog des Art. 78b Abs. 1 ist insoferne klar, zugleich jedoch
restriktiv. Insbesondere bleibt er hinter dem Umfang der Sicherheitsverwaltung
gemäß der geltenden Bestimmung des § 2 Abs. 2 SPG insoferne zurück,
als das Passwesen, das Meldewesen, das Munitions-, Schieß- und
Sprengmittelwesen, das Pressewesen und die Vereinsangelegenheiten nicht in den
Wirkungsbereich der Sicherheitsbehörden einbezogen und somit künftig den
Bezirksverwaltungsbehörden zur Besorgung überlassen bleiben.
Zu Artikel 78c B-VG:
Auf die innerorganisatorische Aufteilung in
Wachkörper einerseits und Sicherheitsbehörden andererseits, die im Bereich der
Bundespolizeidirektionen ohnehin nie befriedigend gelungen ist, wird künftig
verzichtet. Eine Sonderstellung kommt nur jenen Beamten zu, die als Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Anwendung von unmittelbarer Zwangsgewalt
befugt sind, wozu insbesondere der Waffengebrauch zählt. Solche Organe müssen
selbstverständlich besonders geschult sein. Die näheren Voraussetzungen zu
normieren, unter denen ein Beamter zum Organ des öffentlichen
Sicherheitsdienstes ernannt werden kann, wird dem Bundesgesetzgeber
überantwortet.
Zu Artikel 78d B-VG:
Im Sinne einer Zusammenführung jener Bestimmungen
zur Sicherheitsverwaltung, die im Verfassungsrang stehen, wird vorgeschlagen,
auch die Regelung des Menschenrechtsbeirates in den Kontext dieser Bestimmungen
einzubeziehen. Dabei sollte jedoch auf eine Stärkung der Unabhängigkeit dieses
Organs geachtet werden. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die Ernennung vom
Bundesminister für Inneres auf den Bundespräsidenten zu übertragen, und zwar ohne
Bindung an einen Vorschlag.