Textvorschlag für den Ausschuss 8
Art
118 Abs 5 B-VG wird folgender [letzter] Satz angefügt:
„Der Gemeinderat kann den Bürgermeister auf Grund eines
Misstrauensvotums abberufen.“
Erläuterungen:
Durch die Ermächtigung des Landesverfassungsgesetzgebers, die Bürgermeisterdirektwahl einzuführen (Art 117 Abs 6 B-VG), sollten die anderen bundesverfassungsrechtlichen Grundsätze der Gemeindeorganisation bzw das ihnen zugrunde liegenden parlamentarisch-demokratischen Organisationssystem (Art 117 Abs 2 bis 5 iVm Art 118 Abs 5 B-VG; vgl VfSlg 13.500/1993) an sich nicht verändert werden. Im Initiativantrag 617/A (II-11330 BlgNR XVIII. GP) hieß es ausdrücklich, dass „im übrigen am verfassungsrechtlichen Verhältnis zwischen Bürgermeister und den anderen Organen nichts geändert werden [soll]“. Auch der Verfassungsausschuss ging davon aus, dass zB mittelbare Änderungen der verfassungsrechtlichen Ausnahmen für die Amtsverschwiegenheit - sogar entgegen ihrem Wortlaut (nämlich nur: „... für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre ...“; vgl Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG) - ausgeschlossen wurden (1642 BlgNR XVIII. GP).
Dessen ungeachtet wird jedoch der zentrale Grundsatz, wonach alle Organe der Gemeinde dem Gemeinderat verantwortlich sind (Art 118 Abs 5 B-VG), ausgehöhlt, weil im Zuge der Einführung der Bürgermeisterdirektwahl in den Gemeindeorganisationsgesetzen auch die Bestimmungen über das Misstrauensvotum neu geregelt wurden, sodass der Gemeinderat den Bürgermeister regelmäßig nur gemeinsam mit dem Willen des Gemeindevolks (Beschluss des Gemeinderates [Misstrauensausspruch] in Verbindung mit nachfolgender obligatorischer Volksabstimmung) abberufen kann. Teilweise ist in diesem Zusammenhang vorgesehen, dass bei Bestätigung des Bürgermeisters in der Volksabstimmung, der Gemeinderat ex lege als aufgelöst gilt. In Verbindung mit weiteren materiellen Ermächtigungen in den Gemeindeorganisationsgesetzen, wonach der Bürgermeister aus eigener Initiative Beschlüsse des Gemeinderates einer Volksbefragung oder Volksabstimmung unterziehen kann (und dadurch – zB Tir, Bgld, Sbg – ein Regieren gegen den Gemeinderat ermöglicht wird), ist eine erste Tendenz zu erkennen, dass in den Gemeindeorganisationsgesetzen ein schleichender Umbau der historischen „Gemeinderatverfassung“ hin zu einer „Bürgermeisterverfassung“ in der Gemeindeorganisation stattfindet.
Die Frage, ob Art 117 Abs 6 B-VG den Art 118 Abs 5 B-VG inhaltlich verändert habe, wurde im Erk VfSlg 15302/1998 zur sbg GdO (und zum sbg StR) – entgegen den angeführten parlamentarischen Materialien – ausdrücklich bejaht. Der VfGh führt darin aus, dass sich aus dem demokratischen Bauprinzip die Verantwortlichkeit aller durch Volkswahl berufenen Organe gegenüber dem Volk ableiten: „Wenn nun für die Gemeindeorganisation ein duales, auf zwei voneinander unabhängigen Säulen beruhendes System geschaffen wird, indem sowohl der Bürgermeister als auch der Gemeinderat unmittelbar gewählt werden und daher der Bürgermeister mit dem Gemeinderat nicht mehr in dieser engen Weise wie bisher verbunden ist, so sind sowohl der Bürgermeister als auch der Gemeinderat unmittelbar dem Volk verantwortlich. Wird die Geltendmachung der Verantwortlichkeit des Bürgermeisters überhaupt geregelt und soll die Initiative dafür vom Gemeinderat ausgehen, so ist aufgrund der Verantwortlichkeit des Gemeinderates gegenüber dem Volk die Auflösung des Gemeinderates die Folge, wenn offensichtlich der Wille des Volkes und der Wille des Gemeinderates auseinanderklaffen. So gesehen sind die angefochtenen Bestimmungen im Licht eines veränderten Art 118 Abs 5 B-VG nicht nur zulässig, sondern erscheint die ex-lege-Auflösung des Gemeinderates aus Gründen des demokratischen Prinzips zumindest verfassungsrechtlich nahe liegend, wenn nicht sogar geboten!“
Die
vorgeschlagene Ergänzung des Art 118 Abs 5 B-VG soll die Stellung des
Gemeinderates wieder stärken und schließt die nicht beabsichtigte mittelbare
inhaltliche Veränderung des Art 118 Abs 5 B-VG durch Art 117 Abs 6 B-VG
ausdrücklich ausschließen.