Vorschlag von Terezija STOISITS

 

11. November 2004

eingebracht im Ausschuss 4

des Österreich-Konvents

 

Textvorschlag zum Asylrecht

 

Variante 3 zum Asylrecht:

(1) Verfolgte genießen in Österreich Asyl, sofern sie in keinem anderen Staat tatsächlichen Schutz und rechtmäßigen Aufenthalt finden.

(2) Jede Asylwerberin und jeder Asylwerber hat in Österreich ein Aufenthaltsrecht und Anspruch auf Grundversorgung.

(3) Niemand darf in einen Staat zurückgeschoben oder abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, der sie oder ihn nicht vor einer ernstlichen Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte schützt.

 

Erläuterung:

Der Ausschuss 4 des Österreich-Konvents hat in seinem ersten Bericht vom 3. Juni 2004 zwei Vorschläge zu einem Grundrecht auf Asyl erstattet. Beide verweisen auf das Genfer Abkommen vom 28. Juli 1951 und das Protokoll vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung von Flüchtlingen (Genfer Flüchtlingskonvention).

In der Plenarsitzung des Österreich Konvents vom 25. Juni 2004 hat Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin die Vorschläge des Ausschuss 4 zu einem Grundrecht auf Asyl kritisiert. Beide vorgeschlagenen Formulierungen würden darauf abzielen, ein Grundrecht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewährleisten. Die Genfer Flüchtlingskonvention kenne aber ein Recht auf Asyl nicht. Nehme man die Formulierung ernst, dann bedeutete sie, dass Flüchtlinge in Österreich kein Recht auf Asyl haben. Das sollte aber keinesfalls in die Verfassung hineingeschrieben werden. Wenn man sich gegen ein Grundrecht auf Asyl entscheiden will, dann solle man das Asyl unerwähnt lassen, statt Rechte zu versprechen, die es nicht geben soll.

In der nun vorgeschlagenen 3. Variante wird in Absatz 1 so wie in der 1. Variante das Recht auf Asyl verfassungsrechtlich festgeschrieben. Im Gegensatz zu den beiden bisherigen Vorschlägen wird ausdrücklich nicht auf die Genfer Flüchtlingskonvention verwiesen, da diese kein Recht auf Asyl gewährt, sondern bloß eine Begriffsbestimmung des Flüchtlingsbegriff enthält.

Anders als in der bisherigen 1. Variante wird eine ausdrückliche Drittstaatsklausel vorgeschlagen. Diese ist aber in zweifacher Hinsicht sehr eng auszulegen. Sie gilt nur, soweit der oder die Verfolgte in dem Drittstaat tatsächlich Schutz findet und einen legalen Aufenthaltsstatus erlangt hat oder erlangen wird.

Nach dem nun vorgeschlagenen Abs. 2 hat jede Asylwerberin und jeder Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens in Österreich ein Aufenthaltsrecht und Anspruch auf Grundversorgung. Der Anspruch auf Grundversorgung umfasst im notwendigen Umfang zum Beispiel Unterstützung, Betreuung, Nahrung, Mittel des täglichen Bedarfes, Unterkunft und medizinische Versorgung.

In Abs. 3 wird das allgemeine Non-Refoulment-Prinzip verfassungsrechtlich festgeschrieben. Davon umfasst ist auch ein Verbot der sogenannten Kettenabschiebungen. Auch wenn eine ernstliche Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte zwar nicht unmittelbar von dem Drittstaat ausgeht, aber von dort eine weitere Abschiebung in einen Staat droht, in dem der Schutz vor einer solchen Gefahr nicht sichergestellt ist, genießt die oder der Verfolgte in Österreich Asyl.

Eine Regelung für den Aufenthalt von Menschen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus in Österreich haben, aber keine Möglichkeit auf Rückkehr in das Heimatland besteht, wird in einer neuen Verfassung vorzusehen sein. Diese wird vom Ausschuss 4 aber im Zusammenhang mit der Aufenthaltsfreiheit beraten.