Die Sozialpartner Bundesarbeitskammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer Österreich haben vereinbart, das folgende Papier als gemeinsamen Vorschlag in den Ausschuss 4 des Österreich-Konvents einzubringen:
im Bereich der Arbeitswelt
Die Punkte
1. bis 4. beziehen sich auf alle Grundrechte (klassische und soziale).
Grundrechte wirken staatsgerichtet und nicht direkt zwischen Privaten – keine
„unmittelbare Drittwirkung“ (Ausnahme: Grundrecht auf Datenschutz).
Werden aus Grundrechten Leistungsansprüche abgeleitet, bestehen diese in angemessenem,
die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und die Bedürfnisse
der Einzelnen berücksichtigenden, Umfang.
2.
Subsidiarantrag
Nach Abschluss des Verfahrens
vor einem zweitinstanzlichen Gericht soll der Beschwerdeführer das Recht
haben, beim VfGH einen „Subsidiarantrag“ auf Normprüfung zu stellen. In diesem
Fall wird die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels beim OGH bis zur
Entscheidung des VfGH gehemmt. Der VfGH hat ein Ablehnungsrecht innerhalb
einer Frist von ... in Fällen, die keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
haben, insbesondere weil die angefochtene Norm bereits Gegenstand einer früheren
verfassungsgerichtlichen Prüfung war.
3.
Staatshaftung
Gebietskörperschaften haften
unter bestimmten Umständen auch für gesetzgeberisches Unterlassen. Folgendes
Verfahren zur Geltendmachung gesetzgeberischen Unterlassens wird
vorgeschlagen: Auf Antrag eines Betroffenen hat der VfGH ein verfassungswidriges
Unterlassen festzustellen und eine Frist zur Erlassung eines verfassungskonformen
Gesetzes zu setzen. Wenn innerhalb dieser Frist kein verfassungskonformer
Gesetzesbeschluss gefasst wird und das entsprechende Gesetz in Kraft tritt,
soll ein Staatshaftungsanspruch bestehen. Für den Beschwerdeführer soll auch
schon für den Anlassfall eine Art „Ergreiferprämie“ gelten. Andere Betroffene
können einen Staatshaftungsanspruch erst geltend machen, wenn nach Feststellung
eines verfassungswidrigen Unterlassens eines Gesetzesbeschlusses durch den
VfGH die Frist zur Erlassung eines verfassungskonformen Gesetzes verstrichen
ist.
4. Verbandsklage
Die WKÖ lehnt eine „Verbandsklage“ in
Grundrechtsangelegenheiten ab, was von der Arbeitnehmerseite akzeptiert wird.
5.
Koalitionsfreiheit
„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben das Recht, sich freiwillig zur
Vertretung ihrer Interessen zusammenzuschließen und Vereinigungen zu bilden.
Diese Vereinigungen und gesetzliche berufliche Interessenvertretungen können
kollektive Maßnahmen ergreifen. Jede Person hat das Recht, an derartigen
Maßnahmen teilzunehmen. Jeder Unternehmer darf Abwehrmaßnahmen ergreifen“.
“Solche Vereinigungen und gesetzliche berufliche
Interessenvertretungen haben das Recht, im Rahmen der Gesetze Kollektivverträge
abzuschließen. Durch Kollektivverträge können Angelegenheiten der Arbeitswelt
verbindlich geregelt werden.“
6.
Unternehmerische Freiheit
„Jede Person hat das Recht, unter den gesetzlichen Bedingungen ein
Unternehmen zu gründen und zu führen.“
7.
Existenzielle
Mindestversorgung
„Wer nicht für sich sorgen kann und nicht über ausreichende Mittel verfügt,
hat im notwendigen Umfang Anspruch auf Unterstützung und Betreuung, auf
Nahrung, Kleidung, Unterkunft, medizinische Versorgung und auf jene Mittel,
die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind“.
8.
Soziale Sicherheit
„Der Staat gewährleistet das Recht auf soziale Sicherheit durch Einrichtung
einer selbstverwalteten öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, die auf
Einkommens- und Risikosolidarität beruht und die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall,
geminderter Arbeitsfähigkeit, im Alter und bei Arbeitslosigkeit eine angemessene
Versorgung sicherstellt. Der Staat gewährleistet dieses Recht weiters durch
eine angemessene Versorgung im
Fall von Pflegebedürftigkeit.“
9.
Arbeit
„Jeder Mensch hat das Recht auf sichere, gesunde, würdige, gerechte und
angemessene Arbeitsbedingungen. Der Staat gewährleistet dieses Recht
insbesondere durch:
- angemessene
Beschränkung der Arbeitszeit;
- angemessene
Arbeitsruhe, insbesondere angemessene Sonn- und Feiertagsruhe;
- bezahlten
Jahresurlaub;
- Schutz von
Jugendlichen;
- Schutz
von Schwangeren und Müttern besonders durch angemessene Beschäftigungsverbote
und Beendigungsschutz vor und nach der Geburt;
- berufliche Aus-
und Weiterbildung;
- Schutz vor
herabwürdigender Behandlung, Belästigung und Diskriminierung;
- Fortzahlung
des Arbeitsentgelts bei Krankheit und Unfall für angemessene Zeit;
- Schutz
vor ungerechtfertigter fristloser Beendigung des Arbeitsverhältnisses;
-
angemessene Mitwirkung in personellen,
wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten durch gewählte Organe. Die
gewählten Organe dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden.“
10.
Kinderarbeit
„Kinderarbeit ist verboten.“
11. Arbeitsvermittlung
„Jeder Mensch hat ein Recht auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung,
Berufsberatung und sonstige Maßnahmen zur beruflichen und sozialen
Wiedereingliederung.“
Wien,
5.10.2004