Dr.Barbara HELIGE
Präsidentin der Österr. Richtervereinigung
Dr.Klaus SCHRÖDER
Vorsitzender der Gewerkschaft öffentlicher Dienst
Sektion Richter und Staatsanwälte
Dr.Wolfgang
SWOBODA
Präsident der Vereinigung
Österreichischer Staatsanwälte
p.A. Staatsanwaltschaft Eisenstadt, 7001
Eisenstadt, Wiener Str. 9
Tel: 02682/701/222
Fax: 02682/701/453
e-mail: wolfgang.sowboda@justiz.gv.at
Wien, am 24.9.2004
An den
Österreichkonvent
Ausschuss 9
zu Handen des Vorsitzenden
Univ.Prof.Dr.Herbert HALLER
Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor!
Der Ausschuss 9 hat sich in der Sitzung vom 1.9.2004 zur Frage Organisation und Weisungsrecht im Bereich der Staatsanwaltschaften auf eine Ergänzung des Artikel 52 a B-VG durch eine Einfügung der Wortfolge “sowie der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechtes im Bereich der Staatsanwaltschaften” geeinigt. Die im Entwurf der Ausschussbetreuung enthaltene Ergänzung des Artikel 52a Abs 2 B-VG (Befugnis, unmittelbar von den Staatsanwaltschaften alle einschlägigen Auskünfte und Einsichten zu verlangen) ist nach Diskussion hoffentlich endgültig fallengelassen worden.
Unseres Erachtens ist die Einrichtung eines derartigen Ausschusses aus folgenden Überlegungen nicht geeignet, den gewünschten Effekt, dass das politische Weisungsrecht des Ministers als Instrument zur juristischen Qualitätssicherung und nicht zur politischen Einflussnahme geübt und in der Öffentlichkeit verstanden wird, sicherzustellen:
1.) Der Regelungsort des Artikel 52 a B-VG ist mit dem Selbstverständnis der StaatsanwältInnen als Justizorgan nicht vereinbar und steht letztlich auch im Widerspruch zum vorgeschlagenen Artikel 90 Abs 3 B-VG, mit dem Staatsanwälte als Teil der Justiz etabliert werden sollen. Überdies geht es bei nachrichtendienstlichen Aktivitäten um die Kontrolle generalklauselartig determinierter, proaktiver staatlicher Tätigkeiten, an denen besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht.
Dies trifft auf die Tätigkeit der StaatsanwältInnen in keiner Weise zu: Diese sind in Reaktion auf klar erkennbare Straftaten tätig, durch ein Tatbildstrafrecht und detailreiche Verfahrensvorschriften einer fein ausgearbeiteten Legalität verpflichtet, die laufend dokumentiert und in einem System von checks and balances mit dem Gericht einer laufenden Kontrolle unterworfen ist. Überdies ist durch Parteienrechte eine weitere zusätzliche Kontrolle gewährleistet.
2.) Ein justizielles Verständnis von Transparenz und Publizität ist immer in Richtung (Parteien-) Öffentlichkeit orientiert. Die Gewährleistung von Transparenz durch einen geheimen Unterausschuss scheint zumindest teilweise ein Widerspruch in sich.
3.) Übereinstimmung ist in den Protokollen und der Ausschussunterlage herauslesbar, dass es sich um eine ex-post Kontrolle des ministeriellen Weisungsrechtes handeln soll, nicht jedoch des internen Weisungsrechtes innerhalb der Hierarchie der staatsanwaltschaftlichen Behörden. Beide Einschränkungen sind im Gesetzestext nicht erkennbar.
4.) Durch den erweiterten Aufgabenbereich der StaatsanwältInnen (Diversion, § 42 StGB, Vorverfahrensreform) nähert sich die Konsensfindung staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen der Beratungssituation in der Senatsgerichtsbarkeit. Jede ex-post geführte Diskussion über in Beratungssituationen vorgebrachte Argumente entwertet die erledigende Entscheidung selbst. Indirekt geht es somit auch um die Unabhängigkeit der Gerichte. Mittelbar wird durch Gerichtsentscheidungen auch eine Kontrolle über das Weisungsrecht geübt. Nachfolgende politisch motivierte Diskussionen können die Akzeptanz der Gerichtsentscheidung selbst gefährden.
5.) Zusammenfassend ist daher festzuhalten:
Nach Funktionserweiterungen (insbesondere Diversion und Vorverfahrensrecht) und vorgeschlagener verfassungsrechtlicher Bestands- und Funktionsgarantie der Staatsanwaltschaft als Justizbehörde erwartet sich die gesamte Justiz eine Weiterentwicklung des Dienst- und Organisationsrechtes der StaatsanwältInnen in Annäherung an die Rechtsstellung der Richter. Eine Akzeptanz der Staatsanwaltschaft als Justizbehörde bedarf auch ihrer entsprechenden Darstellung in der Öffentlichkeit.
Der vorliegende Vorschlag wäre jedoch geradezu als “Signal in die Gegenrichtung”, nämlich als Stärkung der politischen Kontrolle zu verstehen.
Die Standesvertretungen im Bereich der Justiz sind daher nach wie vor der fixen Überzeugung, dass nur die im Hearing vom 16.12.2003 vorgeschlagene Verlagerung der Weisungsspitze vom Regierungsmitglied Justizminister zum ausgewiesenen Justizorgan Generalprokurator bei gleichzeitiger Einschränkung des Weisungsrechtes iSd der Empfehlungen des Europarates sowohl die notwendige rechtliche Qualitätskontrolle gewährleistet als auch dies nach außen hin klar erkennbar darstellt. (Die Qualität des Generalprokurators als Justizorgan wäre durch Ernennungsvoraussetzungen und Bestellungsmodalitäten zu sichern.)
Sollte der Konsens im Ausschuss 9 aufrecht bleiben, das politische Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz einer institutionalisierten parlamentarischen Kontrolle zu unterstellen, wäre allenfalls eine Verbesserung der leidigen Anscheinsproblematik erzielbar, wenn sichergestellt ist, dass
- es sich ausschließlich um eine ex-post (nach Einstellung bzw. Abschluss des gerichtlichen Verfahrens) Kontrolle ministerieller Weisungen handelt,
- die Verpflichtung des Ministers geschaffen wird, jede Weisung ex post bekanntzugeben und
- der Regelungsort im dritten Hauptstück B Gerichtsbarkeit (in Zukunft “Justiz”) B-VG gesucht wird.
Bei dieser Gelegenheit dürfen wir namens aller Standesvertretungen den Vorschlag der StaatsanwältInnen nach Aufnahme in die Artikel 86 und 88 B-VG erneuern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr.Barbara Helige
Dr.Klaus Schröder Dr.Wolfgang Swoboda
e.h. e.h. e.h.