Gerhard NEUSTIFTER, Land Wien
Stellungnahme zum gemeinsamen
Textvorschlag von Grabenwarter/Jabloner für die verfassungsrechtliche
Verankerung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, insbesondere für
neue (nach dem derzeitigen System) Art. 129 bis 136 B-VG. Erörterungsgegenstand
im Ausschuss 9 des Ö-Konvents am 15.9.2004:
1. Zu Art. 129 Abs. 2 des
Vorschlages: Zur Klarstellung dass auch der einfache Landesgesetzgeber (Anm.:
und nicht nur der Landesverfassungsgesetzgeber) berechtigt ist, besondere
Verwaltungsgerichte einzurichten, sollte statt der Formulierung "...können
die Länder für bestimmte Angelegenheiten besondere
Verwaltungsgerichte einrichten..." besser die Formulierung: "...
können die Landesgesetzgeber ..." verwendet werden. Es handelt sich
immerhin um die Einrichtung weisungsfreier und unabhängiger besonderer
Gerichtsbehörden, die sonst nur dem Verfassungsgesetzgeber vorbehalten ist
2. Art. 130 Abs. 1 Z.1 i.V.m. Abs.
2 des Vorschlages schränkt das bisherige wesentlich unsubstanziiertere
Berufungsrecht gegen Bescheide auf "Beschwerden wegen
Rechtswidrigkeit" ein und legt daher schon auf der ersten Anfechtungsebene
ähnlich strenge Maßstäbe an, wie bisher die VwGH-Beschwerde. Anfechtungen von
Ermessensentscheidungen sind somit - außer beim Ermessensexzess außerhalb
jeglichen gesetzlichen Rahmens gar nicht mehr möglich. Man kann natürlich an
ein Landesverwaltungsgericht so hohe Anforderungen stellen; in Wahrheit ist
aber damit eine ganz wesentliche Einschränkung des Rechtsschutzes gegenüber der
geltenden Rechtslage verbunden, die sehr kritisch hinterfragt werden sollte.
3. Art. 130 Abs. 3 des Vorschlages
macht es dem LVG besonders leicht, statt reformatorisch nur kassatorisch und an
die Verwaltungsinstanz zurückverweisend tätig zu werden. Hier sollte eine
wesentlich stärkere Anlehnung an das jetzige Verhältnis zwischen §66 Abs. 2 und
§66 Abs. 4 AVG erfolgen und eine kassatorische bzw. zurückverweisende
Entscheidung nur zulässig sein, wenn ein äußerst lückenhaftes
Ermittlungsergebnis auf Verwaltungseben vorgelegen ist. Es sollte im Ergebnis
viel eher daran gedacht werden, dem LVG nur dann die Zurückverweisung zu
gestatten, wenn nicht besser die gebotene Vervollständigung des Ermittlungsverfahrens
nach den Grundsätzen der Raschheit, Einfachheit, Zweckmäßigkeit und
Kostenersparnis vom LVG, etwa im Zuge einer Verhandlung, durchgeführt
werden kann.
4. Art. 134 Abs. 4, 2. Satz:
Demnach erfolgt "die Ernennung" von Richtern des LVG, soweit es sich
nicht um den Präs. oder Vzpräs. handelt, auf Grund von Dreiervorschlägen des
Verwaltungsgerichtes des Landes. Dieser Vorschlag weicht ohne ersichtlicher
sachlicher Rechtfertigung erheblich von der Formulierung des Art. 86 B-VG für
die ordentlichen Gerichte ab. Sie entspricht auch in keiner Weise dem im
Ausschuss wiederholt vorgebrachten Standpunkt Wiens, der eine wesentliche
Bedingung darstellt, dass zwar Dreiervorschläge einzuholen sind, die
Landesregierung an diese aber nicht gebunden sein soll, sondern davon, wenn
auch unter Begründungspflicht sozusagen als "ultima ratio" abweichen
kann.
5. Noch einmal zu
deponieren ist, dass keine automatische Übernahme der Mitglieder des UVS
zum LVG erfolgen soll. Dafür wird wohl auch eine verfassungsrechtliche
Übergangsbestimmung zumindest zweckmäßig wenn nicht sogar erforderlich
sein. Allenfalls kann einer
von Jabloner mehrmals in diesem Zusammenhang im Ausschuss grob vorskizzierten
Prüfung im Rahmen eines mit Bescheid [Anm.: der Landesregierung]
abzuschließenden Verfahrens ebenso näher getreten werden, wie dem Gedanken,
dass nicht übernommenen Mitglieder in geeigneter Weise dienstrechtlich
"aufgefangen" werden. (Am besten von jener Gebietskörperschaft, von
der sie zum UVS gekommen sind). Auch einer durchmischten Besetzung,
insbesondere mit neuen Mitgliedern aus dem Berufsstand der Richter aus der
ordentlichen Gerichtsbarkeit (siehe auch Art. 134 Abs. 4, letzter
Satz, des Vorschlages von Grabenwarter/Jabloner), könnte damit
früher nähergekommen werden, auch wenn dies kein primärer Ansatz sein kann
und soll, Mitglieder des UVS nicht zu übernehmen.