Bericht
Bernd-Christian FUNK an das Plenum am 25.6.2004
Sehr geehrter Herr
Präsident!
Sehr geehrte Mitglieder des
Österreich-Konvents!
Sehr geehrte Damen und
Herren!
Der Bericht des Ausschusses 4 ist ein Zwischenbericht. Das Pensum konnte – bei aller Vorsicht, die mit einer quantifizierenden Schätzung geboten ist – zu mehr als einem Drittel erledigt werden. Der heute zu präsentierende Bericht beruht auf insgesamt 20 Sitzungen des Ausschusses. Die letzten beiden Sitzungen waren der Erstellung des Berichtes gewidmet. In 5 Sitzungen hat es Vorträge von 10 Experten und Aussprachen zu den Themen Grundrechte mit Gesundheits- und Umweltbezug, Grundrechtsfragen der Biomedizin, Rechte der Volksgruppen und soziale Grundrechte gegeben.
Dem Ausschuss lagen und liegen
Memoranden und Vorschläge von Ausschussmitgliedern, von staatlichen,
öffentlichen und privaten Institutionen sowie von Privatpersonen vor.
Strukturierte Grundlagen der Ausschussarbeit bildeten und bilden synoptische
Listen und Textvorschläge geltender und neu vorgeschlagener Grundrechtsquellen.
All das ist im Bericht des Ausschusses im Detail belegt.
An dieser Stelle möchte ich für
die vielfältigen Vorschläge, Anregungen und Hinweise danken, die von den
Mitgliedern des Ausschusses, von Expertenseite, von Organisationen und
Einzelpersonen an den Konvent und an den Ausschuss 4 herangetragen wurden.
Danken möchte ich allen, die an den Sitzungen als Ausschussmitglieder,
BeobachterInnen und Begleitpersonen, Experten teilgenommen haben. Vor allem
aber möchte ich der engagierten, sachkundigen und präzisen Ausschussbetreuung
durch Frau Mag. Birgit Caesar und der Unterstützung durch Frau Monika Siller
danken. Sie sind die organisatorische Seele der Ausschussarbeit. Nicht zuletzt
möchte ich den MitarbeiterInnen im Bereich der Universität, der ich angehöre,
danken. Sie haben mitgedacht und mitgearbeitet und dadurch zum Fortgang der
Arbeit beigetragen.
Dem Ausschuss 4 ist die Aufgabe
gestellt, einen neuen Grundrechtskatalog vorzubereiten und vorzuschlagen – dies
vor dem Hintergrund einer zerklüfteten Landschaft der Texte und Quellen,
systematischer und semantischer Probleme und einer starken Dynamik der
Rechtsprechung und der sozio-politischen Systemumwelt. Im Wissen um die
Probleme, mit denen die Grundrechtsreformkommission konfrontiert war, hat der
Ausschuss eine Strategie der Kodifikation vermieden, die der Dynamik der
Grundrechtsentwicklung Verengungen und Fesseln durch Festschreibung auferlegt
hätte. Grundrechtskodifikation kann sinnvoll nur als Notierung und Erhaltung
von Steuerungsdynamik betrieben werden.
Dennoch geht es in der
Hauptsache nicht um semantische Fragen, sondern um rechtspolitische
Weichenstellungen. Die bestehende Grundrechtsordnung umfasst neben Texten und
Quellen des formellen Verfassungsrechts, unter denen die EMRK und ihre
Zusatzprotokolle eine hervorragende Stellung einnehmen, eine bedeutende Menge
an Texten und Quellen, die nicht dem formellen Verfassungsrecht angehören
und/oder völkerrechtlicher Herkunft sind und nur teilweise unmittelbar
anwendbares Recht bilden.
Die bisherige Phase und die
nunmehr vorliegenden konkreten Ergebnisse der Ausschussarbeit betreffen im
Wesentlichen den Bereich klassischer Freiheiten, der sog liberalen Grundrechte.
Hier gibt es eine Reihe von Textvorschlägen, die von mehr oder weniger starkem
Konsens getragen sind. Die Restarbeit in diesem Bereich ist überschaubar und
erfolgversprechend.
Wesentliche Grund- und
Vorarbeiten liegen für den Bereich der sozial- und leistungsstaatlichen Rechte
und Garantien vor. Der Ausschuss
kann sich auf Konzepte stützen, die für Gesamt- und Teilkodifikationen
vorgelegt wurden. Diese konkurrierenden Konzepte bilden eine unverzichtbare
Arbeitshilfe, sie sind allerdings auch Ausgangspunkte für Dissens und
Differenzen. Hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang der Widerspruch zwischen
der Logik von Gesamtlösungen, die als Einheit angenommen werden wollen, und dem
allein schon durch die Arbeitstechnik bedingten Operieren mit Einzelbausteinen
und Modulen.
Zurück zu den sozial- und
leistungsstaatlichen Garantien. Im Ausschuss besteht Übereinstimmung darüber,
dass ein neuer Grundrechtskatalog ohne Gewährleistungen dieser Art nicht
auskommen kann. Der Ausschuss ist sich weiters darin einig, dass dergleichen
Gewährleistungen differenziert zu gestalten sind. Sie sollen neben subjektiven
Rechten in Form von sozialen Grundrechten auch Zielbestimmungen,
Gesetzgebungsaufträge und Einrichtungsgarantien enthalten. Die richtige Kombination
wird in weiterer Arbeit zu suchen sein. Hier besteht Gesprächs- und
Koordinationsbedarf mit dem Ausschuss 1, dem die Staatsaufgaben und Staatsziele
anvertraut sind.
Übereinstimmung im
Grundsätzlichen besteht im Ausschuss 4 des Weiteren darüber, dass der
verfassungsrechtliche Ein- und Fortbau sozial- und leistungsstaatlicher
Garantien weitreichende Fern- und Folgewirkungen in den Bereichen des
Grundrechtsschutzes, der Normenkontrolle und der Staatshaftung haben muss. Hier
besteht Gesprächs- und Koordinationsbedarf vor allem mit Ausschuss 9.
Ein weiteres zu bearbeitendes
Paket bilden die Volksgruppenrechte in Verbindung mit Gleichbehandlungsgeboten
und Diskriminierungsverboten. Dem Ausschuss liegen dazu konkrete
Gestaltungsvorschläge vor. Erste Arbeiten sind in Form von Expertenhearings und
partiellen Generaldebatten geleistet worden. Der Boden für konkrete Einlassung
ist bereitet.
Ein eher technisches und nichts
desto weniger wichtiges Problem bilden die Allgemeinen Bestimmungen in einem
künftigen Grundrechtskatalog. Auch hier gibt es erste Konsensansätze im
Ausschuss. Sie gehen in die Richtung der Kodifikation allgemeiner
Grundrechtsmaximen, etwa in Form einer einheitlichen Formel des
Gesetzesvorbehaltes anstelle des bisherigen Systems von speziellen und
heterogenen Gesetzesvorbehalten zu einzelnen Grundrechten. Erste Überlegungen
hat es auch in der Frage einer allgemeinen Bindungsklausel gegeben, mit der die
– in Lehre und Rechtsprechung dem Grunde nach anerkannte – Grundrechtspflichtigkeit sämtlicher Staatsfunktionen
festgehalten wird.
Bei den noch offenen Fragen der
justiziellen Gewährleistungen und der
Freiheitsrechte, soweit sie noch nicht abgehandelt wurden, sehe ich die
Weichen für einen zügigen Fortgang und raschen Abschluss der Ausschussarbeit gestellt.
Das Thema der politischen
Rechte ist noch nicht behandelt worden.
Bei den Rechtsschutzmechanismen
besteht Übereinstimmung, dass neue Gewährleistungen sozialen und
leistungsstaatlichen Inhalts nicht allein mit Hilfe der klassischen
Grundrechtsbeschwerde bei den UVS und beim VfGH bewältigt werden können. Hier
werden neue und zusätzliche Formen des Rechtsschutzes vorzuschlagen sein.
Die Frage des Verhältnisses
eines neuen Grundrechtskataloges zu bestehenden Grundrechtsgewährleistungen
völkerrechtlicher Herkunft hängt eng mit den Problemen der Herstellung
geschlossener Texte in der Einheit einer Grundrechtscharta als Teil einer
Urkunde des Bundesverfassungsrechts zusammen. Auf Grund der bisherigen
Diskussion im Ausschuss zeichnet sich ab, dass es Netto-Textreduktionen geben
wird – so dürfte das StGG von 1867 als eigener text künftig verzichtbar sein –
weiters dass es neben einem neuen Grundrechtskatalog eine zweite Ebene von
assoziierten Texten und Quellen, vor allem solchen völkerrechtlicher Herkunft, geben
wird, und dass schließlich die normative Integration der verschiedenen Ebenen
durch allgemeine Verweisungs- und Auslegungsklauseln im Grundrechtskatalog
hergestellt wird.
Keine größeren Probleme sehe
ich bei der Frage der Abstimmung eines künftigen österreichischen
Grundrechtskataloges mit gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsgarantien. Offen
ist die Frage der Grundrechte von EU-Ausländern.
Ich sehe meine Aufgabe der
Berichterstattung, die einen Zwischenbericht präsentiert, nicht darin, die
Arbeit des Ausschusses einer Beurteilung zu unterziehen. Das ist Sache des
Präsidiums und des Konvents. Ganz zu vermeiden ist eine Selbsteinschätzung
jedoch nicht und ich meine, dass der Ausschuss in seiner bisherigen Tätigkeit
jene Stufe der Operationsfähigkeit erreicht hat und aufrecht erhalten kann, die
die Bedingung der Möglichkeit für eine Bewältigung der noch anstehenden Fragen
bildet.
Ich danke Ihnen.