Entwurf für ein neues V. Hauptstück des

 

Bundes–Verfassungsgesetzes

Artikel A

(1)   Der Rechnungshof überprüft die Gebarung

       1.    des Bundes, der Länder, der Gemeinden mit mindestens 20.000 Ein­wohnern von amtswegen, ansonsten nur auf begründetes Ersuchen der zuständigen Landes­regierung, der Gemeindeverbände, der Träger der Sozialversicherung und anderer durch Gesetz bestimmter Rechtsträger;

       2.    von Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von Organen von in Z. 1 genannten Rechtsträgern oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hiezu von Organen von in Z. 1 genannten Rechtsträgern bestellt sind;

       3.    von Unternehmungen, an denen ein in Z. 1 genannter Rechtsträger allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 % des Stamm–, Grund– oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die ein in Z. 1 genannter Rechtsträger allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt;

       4.    von Unternehmungen, die ein in Z. 1 genannter Rechtsträger allein oder ge­meinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen beherrscht;

       5.    von Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z. 3 oder 4 vorliegen;

       6.    von Rechtsträgern hinsichtlich jener Mittel, die ihnen von Rechtsträgern gemäß Z. 1 oder von der Europäischen Union zur Erfüllung bestimmter Zwecke zur Verfügung gestellt wurden.

(2)   Die Überprüfung des Rechnungshofes gemäß Abs. 1 hat sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu erstrecken; sie umfasst jedoch nicht die für die Gebarung maßgebenden Beschlüsse der verfassungsmäßig zuständigen Vertretungskörper. In den Fällen des Abs. 1 Z. 6 überprüft der Rech­nungshof auch die auftrags– und widmungsgemäße Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel.

(3)   Der Rechnungshof überprüft die Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretun­gen. Dabei hat sich die Überprüfung auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Über­einstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Gebarung zu erstrecken; sie umfasst jedoch nicht die für die Gebarung in Wahrnehmung der Aufgaben als Interessenvertretung maßgeblichen Beschlüsse der zuständigen Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen.

Artikel B

Der Rechnungshof verfasst den Bundesrechnungsabschluss und legt ihn dem Nationalrat vor.

Artikel C

Alle Urkunden über Finanzschulden des Bundes sind, soweit sich aus ihnen eine Ver­pflichtung des Bundes ergibt, vom Präsidenten des Rechnungshofes gegenzuzeichnen. Die Gegenzeichnung gewährleistet lediglich die Gesetzmäßigkeit der Schuldaufnahme und die ordnungsmäßige Eintragung in das Hauptbuch der Staatsschuld.

Artikel D

Der Rechnungshof hat bei Unternehmungen und Einrichtungen, die seiner Kontrolle unterliegen und für die eine Berichterstattungspflicht an den Nationalrat besteht, jedes zweite Jahr die durchschnittlichen Einkommen einschließlich aller Sozial– und Sach­leistungen sowie zusätzliche Leistungen für Pensionen von Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates sowie aller Beschäftigten durch Einholung von Auskünften bei diesen Unternehmungen und Einrichtungen zu erheben und darüber dem Nationalrat zu berichten.

Artikel E

(1)   Der Rechnungshof untersteht unmittelbar dem Nationalrat. Er ist in Angelegen­heiten der Bundesgebarung und der Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertre­tungen, soweit sie in die Vollziehung des Bundes fallen, als Organ des Nationalrates, in Angelegenheiten der Länder–, Gemeindeverbände– und Gemeindegebarung sowie der Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen, soweit sie in die Voll­ziehung der Länder fallen, als Organ des betreffenden Landtages tätig.

(2)   Der Rechnungshof ist von der Bundesregierung und den Landesregierungen unab­hängig und nur den Bestimmungen des Gesetzes unterworfen.

Artikel F

(1)   Der Rechnungshof besteht aus einem Präsidenten und den erforderlichen Beamten und Hilfskräften.

(2)   Der Präsident des Rechnungshofes wird auf Vorschlag des Hauptausschusses vom Nationalrat für eine Funktionsperiode von zwölf Jahren gewählt; eine Wiederwahl ist unzulässig. Er leistet vor Antritt seines Amtes dem Bundespräsidenten die Ange­lobung.

(3)   Der Präsident des Rechnungshofes darf keinem allgemeinen Vertretungskörper an­gehören und in den letzten vier Jahren nicht Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung gewesen sein.

(4)   Der Präsident des Rechnungshofes ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung oder den Mitgliedern der in Betracht kommenden Landesregierung gleichgestellt, je nachdem der Rechnungshof als Organ des Nationalrates oder eines Landtages tätig ist.

(5)   Der Präsident des Rechnungshofes kann durch Beschluss des Nationalrates ab­berufen werden.

(6)   Der Präsident des Rechnungshofes wird im Falle seiner Verhinderung vom rang­ältesten Beamten des Rechnungshofes vertreten. Dies gilt auch, wenn das Amt des Präsidenten erledigt ist.

(7)   Im Falle der Stellvertretung des Präsidenten gelten für den Stellvertreter die Bestim­mungen des Abs. 4.

Artikel G

(1)   Die Beamten des Rechnungshofes ernennt auf Vorschlag und unter Gegenzeichnung des Präsidenten des Rechnungshofes der Bundespräsident; das Gleiche gilt für die Verleihung der Amtstitel. Doch kann der Bundespräsident den Präsidenten des Rechnungshofes ermächtigen, Beamte bestimmter Kategorien zu ernennen.

(2)   Die Hilfskräfte ernennt der Präsident des Rechnungshofes.

(3)   Die Diensthoheit des Bundes gegenüber den beim Rechnungshof Bediensteten wird vom Präsidenten des Rechnungshofes ausgeübt.

Artikel H

Kein Mitglied des Rechnungshofes darf an der Leitung und Verwaltung von Unterneh­mungen beteiligt sein, die der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen. Ebenso wenig darf ein Mitglied des Rechnungshofes an der Leitung und Verwaltung sonstiger auf Gewinn gerichteter Unternehmungen teilnehmen.

Artikel I

Entstehen zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger Meinungsverschieden­heiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln, so entscheidet auf Antrag der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder des Rechnungshofes der Verfassungsgerichtshof. Alle Rechtsträger sind verpflichtet, entsprechend der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes eine Überprüfung durch den Rechnungshof zu ermöglichen. Die Exekution dieser Verpflich­tung wird von den ordentlichen Gerichten durchgeführt. Das Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt.

Artikel J

(1)   Der Rechnungshof hat auf Beschluss des Nationalrates oder auf Verlangen von Mitgliedern des Nationalrates in seinen Wirkungsbereich fallende besondere Akte der Gebarungsüberprüfung durchzuführen. Die nähere Regelung wird durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates getroffen. Desgleichen hat der Rechnungshof auf begründetes Ersuchen der Bundesregierung oder eines Bundesministers solche Akte durchzuführen.

(2)   Der Rechnungshof hat auf Beschluss des Landtages oder auf Verlangen einer durch Landesverfassungsgesetz zu bestimmenden Anzahl von Mitgliedern eines Landtages, die ein Drittel nicht übersteigen darf, in seinen Wirkungsbereich fallende besondere Akte der Gebarungsprüfung durchzuführen. Solange der Rechnungshof aufgrund eines solchen Antrages dem Landtag noch keinen Bericht erstattet hat, darf ein weiterer derartiger Antrag nicht gestellt werden. Desgleichen hat der Rechnungshof auf begründetes Ersuchen der Landesregierung solche Akte durchzuführen.

Artikel K

(1)   Der Rechnungshof erstattet dem Nationalrat, dem Landtag und dem Gemeinderat über seine Tätigkeit im vorausgegangenen Jahr, soweit sie sich auf die betreffende Gebietskörperschaft bezieht, spätestens bis 31. Dezember jeden Jahres Bericht.

(2)   Überdies kann der Rechnungshof dem Nationalrat und dem Landtag über einzelne Wahrnehmungen jederzeit berichten.

(3)   Die Berichte des Rechnungshofes sind nach Vorlage an den Nationalrat, an den Landtag oder an den Gemeinderat zu veröffentlichen.

Artikel L

(1)   Die Bestimmungen über die Kontrolle der Gebarung im Bereich der Länder gelten auch für die Überprüfung der Gebarung der Stadt Wien, wobei an die Stelle des Landtages der Gemeinderat und an der Stelle der Landesregierung der Stadtsenat tritt.

(2)   Die für die Überprüfung der Gebarung der Gemeinden geltenden Bestimmungen sind bei der Überprüfung der Gebarung der Gemeindeverbände sinngemäß anzu­wenden.

Artikel M

Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Tätigkeit des Rechnungshofes werden durch Bundesgesetz getroffen.

Artikel N

Schaffen die Länder für ihren Bereich dem Rechnungshof gleichartige Einrichtungen, so kann durch Landesverfassungsgesetz eine dem Art. I erster Satz entsprechende Regelung getroffen werden. Art. I zweiter Satz gilt auch in diesem Fall.