Johannes Schnizer
Information zur
Staatsgrenze
Meine Gespräche betreffend die Problematik der
Staatsgrenze haben folgendes ergeben:
I. Allgemeines
und derzeitiger Stand
1. Grundsätzlich sind sowohl von der
Darstellung als auch der normativen Wirkung zwei verschiedene Arten von
Staatsgrenzen zu unterscheiden:
·
Feste
Grenzen: Bei diesen
befindet sich die Grenze unveränderlich an einem bestimmten Punkt in der Natur,
und zwar letztlich bezogen auf ein gedachtes Koordinatensystem; ändert sich die
Natur, bleibt der Punkt trotzdem bezogen auf das Koordinatensystem bezogen auf
den Ort; der Punkt wird mit seinem Koordinaten bzw. in einer planlichen
Darstellung, er kann auf Grund dieser Festlegung in der Natur aufgefunden und
ersichtlich gemacht werden (z.B. Grenzsteine); der Grenzverlauf ergibt sich
letztlich aus der Verbindung der so festgelegten Punkte. Normativ ist letztlich
die festgelegte Punkte bzw. deren Verbindung.
·
Bewegliche
Grenzen: Maßgeblich sind Anhaltspunkte in der
Natur, die in einer normativen Beschreibung festgehalten sind; ändern sich die
Gegebenheiten in der Natur, sind die neuen Gegebenheiten maßgeblich, z.B.
Wasserläufe, Wasserscheiden, Hangkanten und ähnliches. Normativ ist die
Beschreibung der Gegebenheiten in der Natur in Verbindung mit der tatsächlichen
Lage dieser Gegebenheiten; ändert sich die Lage ist die neue Lage maßgeblich.
Die österreichische Staatsgrenze ist
sowohl durch feste Grenzen als auch durch bewegliche Grenzen festgelegt. An
diesem System änderten auch neuere Staatsverträge und werden auch künftige
Staatsverträge nichts ändern, weil bewegliche Grenzen für die Praxis sehr
zweckmäßig sind: Wasserläufe sind beispielsweise für die landwirtschaftliche
Nutzung relevant (kleine Bäche ändern sich weit stärker als große), sonstige
Gegebenheiten für den Verlauf von Wegen usw.. Beweglichen Grenzen sind auch
entsprechend markant, sodass sie auf Grund der Beschreibung in der Natur für
jedermann ersichtlich sind, was z.B. die Kontrolle erleichtert.
2. Grundsätzlich können Grenzen
normativ entweder durch eine Verbalbeschreibung (von Gegebenheiten in der
Natur), durch Pläne (die letztlich auf eine Koordinatensystem basieren) oder
durch die Angabe von Koordinaten und deren Verbindungen festgelegt werden. Alle
drei Methoden kommen zur Festlegung der österreichischen Staatsgrenze vor.
3. Für die Festlegung dieser
Staatsgrenze sind derzeit folgende Akte relevant:
·
Der
größte Teil der Grenze ergibt sich aus Staatsverträgen mit den jeweiligen
Nachbarstaaten, genau genommen aus den Anlagen zu diesen Staatsverträgen; diese
Anlagen sind nicht im BGBl. enthalten, sondern wurden gem. Art. 49 Abs. 2 B-VG
durch Auflage in BKA und bei den Ämtern der Landesregierungen kundgemacht. Die
Bundesverfassungsgesetze und Landesverfassungsgesetze gem. Art. 3 B-VG
verweisen im Wesentlichen auf diese Anlagen.
·
Für
einen geringen Teil der Staatsgrenze ist noch der Staatsvertrag von St. Germain
maßgeblich, wobei zwei Fälle zu unterscheiden sind:
- Slowenien: Ein Teil der Grenze zu Slowenien ist nicht vom neueren
Staatsvertrag erfasst, sodass der StV St. Germain gilt, dieser enthält nicht
den exakten Grenzverlauf, dieser wurde erst von verschiedenen Kommissionen in
verschiedenen Dokumenten festgelegt, die als solche nicht publiziert sind; ein
Abschluss eines neuen Staatsvertrages für diesen Teil ist innerhalb der
nächsten drei Jahre zu erwarten.
- Italien: Hier wurde der exakte Grenzverlauf bereits durch einen neuen
Staatsvertrag festgelegt, der vom österreichischen Parlament, nicht aber vom
italienischen Parlament genehmigt wurde. Rechtlich ergibt sich derzeit daher
der Grenzverlauf noch aus dem StV von St. Germain mit der gleichen Problematik
wie bei Slowenien, der korrekte Grenzverlauf ist aber bereits aus der Anlage
ersichtlich, die innerstaatlich verbindlich erklärt werden könnte (verbunden
mit einer entsprechenden Kundmachung).
·
In
diesem Zusammenhang sei der Sonderfall Bodensee erwähnt, bei dem der
Grenzverlauf völkerrechtlich umstritten ist, ohne dass jemals eine Lösung
absehbar ist (die Lehre des Völkerrechts würde dadurch wesentlich ärmer);
praktisch relevante Probleme verursacht diese „Lücke“ im Bundesgebiet nicht;
jedenfalls könnte nur eine innerstaatliche Variante festgelegt werden.
II. Festlegung
des derzeitigen Zustandes
Um zu einer innerstaatlich verbindlichen,
einfachen und klaren Festlegung der Staatsgrenze zu kommen, bieten sich
folgende Vorgangsweisen an:
1. Im Übergangsgesetz werden folgende
Dokumente für verbindlich erklärt (und zweckmäßigerweise auch in der Anlage
kundgemacht, wobei auch eine ausschließlich elektronische Kundmachung im RIS
zweckmäßig wäre):
·
Die
Anlagen zu den neueren Staatsverträgen
·
Die
Anlage zum noch nicht abgeschlossenen StV mit Italien (Kundmachung der Anlage
zwingend)
·
Eine
neu angefertigte Anlage für den innerstaatlichen Ersatz der alten Dokumente für
den Grenzverlauf gegenüber Slowenien (diese könnte bei einem entsprechenden
Auftrag zeitgerecht angefertigt werden); Kundmachung ebenfalls zwingend.
Die Bundesverfassungsgesetze und (allenfalls
auch Landesverfassungsgesetze) zur Umsetzung dieser Staatsverträge könnten
ersatzlos aufgehoben werden.
2. Grundsätzlich könnte die
Staatsgrenze (für den innerstaatlichen Rechtsbereich) einheitlich auch zur
Gänze durch Angabe von Koordinaten festgelegt werden, wobei diese aus der
Neuvermessung des Bundesgebietes abgeleitet werden könnten, die weitgehend
abgeschlossen ist. Das BMWA prüft derzeit, ob bis Jahresende eine vollständige
Beschreibung der Staatsgrenze mit solchen Koordinaten möglich wäre. Die
Staatsgrenze wäre dann aus einem einheitlichen – zweckmäßigerweise elektronisch
darzustellenden - Dokument ableitbar, an das auch Änderungen anknüpfen würden;
das Übergangs B-VG (oder das B-VG selbst) müsste dann dieses Dokument für
verbindlich erklären.
Zur Beibehaltung der (völkerrechtlich
verbindlichen und zweckmäßigen) Unterscheidung zwischen festen und beweglichen
Grenzen, hätte diese Koordinaten unterschiedliche Funktion und wären
entsprechend zu kennzeichnen: Bei den festen Grenzen sind die Koordinaten
konstitutiv; bei den beweglichen Grenzen machen die Koordinaten lediglich den
derzeitigen Stand sichtbar und sind bei Änderungen in der Natur entsprechend
anzupassen (in einem vereinfachten Verfahren der Kundmachung, ähnlich dem der
Berichtigung). Für den Bereich der beweglichen Grenzen müsste zusätzlich die
Beschreibung kundgemacht werden.
III. Künftige
Grenzänderungen
Echte Grenzänderungen im Sinne einer
quantitativen und qualitativen Änderung des Bundesgebietes sind in der Zweiten
Republik nicht vorgekommen und sind in mittlerer Zukunft auch nicht zu
erwarten. Die bisherigen Grenzänderungen dienten entweder der Klarstellung des
Grenzverlaufes oder der Herbeiführung eines zweckmäßigeren Grenzverlaufes (z.B.
im Zusammenhang mit Wegen, natürlichen Gegebenheiten, Grenzübergängen usw.),
wobei diese Änderungen stets flächentreu erfolgten. Alle diese Änderungen
erfolgen schon aus völkerrechtlichen Gründen stets mit Staatsverträgen. Es
bietet sich daher für die Zukunft folgendes an:
·
Für
echte Änderungen des Bundesgebietes bleibt es beim bisherigen System gem. Art.
3 Abs. 2 B-VG mit allen hier erörterten bundesstaatlichen Implikationen.
·
Für
sonstige Änderungen der Staatsgrenze wird ein vereinfachtes Verfahren
geschaffen, das für solche „Grenzbereinigungen“ gilt: Grenzbereinigungen sind
Änderungen der Staatsgrenze, die einen zweckmäßigen Grenzverlauf bezwecken und
zu keiner flächenmäßigen Änderung des Bundesgebietes führen. Derartige Änderungen
der Staatsgrenze erfolgen durch einen Staatsvertrag, der mit Zustimmung der
Länder abzuschließen und mit einfacher Mehrheit des Nationalrates und des
Bundesrates zu genehmigen ist. Die Kundmachung der Änderung erfolgt
entsprechend dem unter II. gewählten System. In dem Staatsvertrag wäre auch
ersichtlich zu machen zu welchen Landesgebiet die jeweilige Staatsgrenze
gehört.