Anlage 2 zum Protokoll der 17. Sitzung des Ausschusses 4

 

Entwurf

eines Kataloges für

soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte

 

vorgelegt von den Grünen

im Ausschuss 4 (Grundrechte) des Österreich-Konvents

am 27. April 2004

 

 

Artikel 1. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf materielle und infrastrukturelle Grundversorgung.

(2) Der Staat hat die Pflicht, Armut zu bekämpfen.

 

Artikel 2. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Sicherheit.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung öffentlicher sozialer Sicherungssysteme.

 

Artikel 3.  Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der Gesundheit, also auf Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen und auf Gesundheitsversorgung.

 

Artikel 4. Jeder Mensch hat ein Recht auf gesunde Lebensmittel und gesunde Lebensumstände.

 

Artikel 5.  Jeder Mensch hat das Recht auf Wohnen.

 

Artikel 6. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit zu menschenwürdigen, sicheren, gesunden und gerechten Bedingungen.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:

1. ein angemessenes und gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit;

            2. angemessene Beschränkungen der Arbeitszeit, einschließlich Erholungszeiten;

            3. angemessene Arbeitsruhe, insbesondere auch an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen;

4. Jahresurlaub in einer Dauer, die der gesellschaftlichen Entwicklung angemessen ist;

5. berufliche Aus- und Weiterbildung;

6. Schutz vor unangemessener Inanspruchnahme der Arbeitskraft;

7. besonderer Schutz von Jugendlichen und von Schwangeren und Müttern sowie Vätern am Arbeitsplatz, soweit erforderlich auch durch  Beschäftigungsverbote, sowie durch einen wirksamen Schutz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses während eines angemessenen Zeitraums vor und nach der Geburt;

8. Fortzahlung des Arbeitsentgelts für angemessene Zeit bei Verhinderung an der Arbeitsleistung aus wichtigen Gründen;

9. Schutz vor ungerechtfertigter Beendigung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses;

10. Schutz vor herabwürdigender Behandlung, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz.

(3) Jeder Mensch hat Anspruch auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, auf Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung sowie auf sonstige Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik.

(4) ArbeitnehmerInnen haben das Recht auf Vertretung ihrer Interessen gegenüber der ArbeitgeberIn. Eine angemessene Mitbestimmung in personellen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten ist gewährleistet.. Gewählte VertreterInnen sind vor Benachteiligungen wegen Ausübung dieses Rechts wirksam zu schützen.

 

Artikel 7. (1) Unselbständige und Selbständige haben das Recht, sich freiwillig zur Vertretung ihrer Interessen zusammenzuschließen und Vereinigungen zu bilden.

(2) Sie können kollektive Maßnahmen zur Durchsetzung der Interessen ihrer Mitglieder ergreifen.

(3) Solche Vereinigungen und gesetzliche Interessensvertretungen haben das Recht, im Rahmen der Gesetze alle Angelegenheiten der Arbeitswelt durch Kollektivvertrag verbindlich zu regeln.

 

Artikel 8. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:

1. eine den Bedürfnissen von Müttern, Vätern sowie Kindern entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen;

2. einen Anspruch auf angemessene Elternkarenz, Pflegeurlaub und Sterbekarenz einschließlich eines wirksamen Schutzes vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses;

3. ein dem Bedarf entsprechendes Angebot an Kinderbetreuung sowie Alten- und Krankenpflege.

4. einen angemessenen Ausgleich für ein wegen der Betreuung entfallendes Erwerbseinkommen und eine Unterstützung bei der Tragung der Familienlasten.

 

Artikel 9. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung öffentlicher Kindergärten, Schulen, Universitäten und Fachhochschulen und durch finanzielle Unterstützung solcher Institutionen in freier und gemeinnütziger Trägerschaft sowie von Bildungsanstalten.

(3) Der Staat hat den Zugang zur Bildung unabhängig vom Einkommen zu gewährleisten, eine kostenfreie Erstausbildung ist sicherzustellen. Der Besuch öffentlicher Schulen ist unentgeltlich.

(4) Jede Person hat das Recht, unter Achtung der demokratischen Grundsätze und der Menschenrechte nach eigenen pädagogischen Überzeugungen und Zielvorstellungen Privatschulen zu errichten und zu betreiben sowie häuslichen Unterricht zu erteilen.

 

Artikel 10. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Zugang zu Infrastruktur und sonstigen Leistungen von allgemeinem Interesse.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Leistungen selbst erbringt oder die Erbringung durch Private zu gleichen und fairen Bedingungen, in angemessener Qualität und zu erschwinglichen Preisen sicherstellt.

 

Artikel 11. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Schutz als KonsumentIn.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Information, die Sicherheit, die Gesundheit und die legitimen wirtschaftlichen Interessen der Konsumenten durch wirksame Maßnahmen schützt.

 

Artikel 12 . (1) Wer sich in einem Grundrecht verletzt erachtet, hat das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz.

(2) Der Verfassungsgerichtshof stellt auf Antrag eines/einer Betroffenen oder einer Einrichtung nach Abs. 4 fest, ob der Bundes- oder Landesverordnungsgeber oder bei schwerwiegenden Verstößen der Bundes- oder Landesgesetzgeber untätig geblieben ist.

(3) Wer durch rechtswidriges Verhalten (Handeln oder Unterlassen) in Ausübung der Gesetzgebung und Vollziehung der Gesetze Schaden erleidet, hat Anspruch auf Entschädigung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.

(4) Einrichtungen, die nach ihrem rechtlichen Zweck zum Schutz von Grundrechten oder zur Vertretung grundrechtlich geschützter Interessen berufen sind, ist das Recht einzuräumen, gegen behauptete Verletzungen der betreffenden Grundrechte Beschwerde einzulegen. Näheres bestimmt das Gesetz.