IV. Ausgliederung aus der staatlichen Verwaltungsorganisation

1. Die VfGH-Judikatur

In der Verfassung ist derzeit bloß zum Ausdruck gebracht, dass die Verwaltungsgeschäfte im Rahmen des Bundes in den Bundesministerien und den nachgeordneten Dienststellen geführt werden (Art. 77 Abs. 1 B-VG) Die Wahrnehmung von Verwaltungsgeschäften auch außerhalb der allgemeinen staatlichen Verwaltungsorganisation (Ausgliederung) ist zwar im Verfassungstext nicht vorgesehen, hat sich aber in vielen Fällen bewährt. Sie stößt allerdings auf verschiedene Hindernisse, insbesondere wenn hoheitliche Aufgaben ausgegliedert werden. Eine strenge Judikatur des VfGH zieht den Ausgliederungsbestrebungen nämlich eher enge und nicht immer ganz klare Grenzen. Nach dem so genannten Austro-Control-Erkenntnis (VfSlg. 14.473/1996) und dem Erkenntnis zur Bundes-Wertpapieraufsicht (VfSlg. 16.400/2001)

·        dürfen an ausgegliederte Rechtsträger nur „vereinzelte“ Aufgaben übertragen werden,

§

·        dürfen „Kernbereiche“ der hoheitlichen Staatstätigkeit überhaupt nicht ausgegliedert werden (wobei der VfGH keine Definition dieses Bereiches lieferte, sondern sich auf exemlarische Beispiele – innere und äußere Sicherheit, Ausübung der Strafgewalt sowie Außenpolitik – beschränkte),

 

·        unterliegt die Ausgliederung von Hoheitsbefugnissen den verfassungsrechtlichen Sachlichkeits- und Effizienzgeboten,

 

·        muss das verfassungsrechtliche System der Leitungsgewalt und Verantwortlichkeit der obersten Organe gewahrt bleiben.

 

2. Neue Ausgliederungsgrenzen

Ein Versuch, diese Judikaturlinie verfassungsrechtlich zu verankern, erscheint einem Teil der Ausschussmitglieder wenig zweckmäßig, da damit bloß eine unklare Grenzziehung positiviert würde. Ebenso würde die verfassungsrechtliche Definition eines ausgliederungsfesten Bereiches viele Abgrenzungsprobleme hervorrufen und sollte deshalb eher unterbleiben. Vielmehr erscheint überlegenswert, die Verwaltungsorganisation insofern zu flexibilisieren, als neben der grundsätzlichen Wahrnehmung der Verwaltungsführung durch Organe der staatlichen Verwaltung auch die Betrauung von Rechtsträgern außerhalb dieser ermöglicht wird. Der Gefahr einer schrankenlosen Ausgliederung könnte dahingehend begegnet werden, als die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben durch die allgemeine staatliche Verwaltung vom Grundsatz her weiter bestehen bleiben soll. Dies wäre durch die Aufnahme einer Subsidiaritätsklausel („erforderlichenfalls“) sowie durch entsprechende Erläuterungen zu sichern. Ebenso sollte die nach dem VfGH gebotene Aufrechterhaltung einer der Art der ausgegliederten Aufgabe adäquate Leitungs- und Steuerungsbefugnis des obersten Organs auch im Rahmen der ausgegliederten Verwaltung in der Verfassungsbestimmung ausdrücklich enthalten sein.

 

Damit der Vorteil einer erhöhten Flexibilität nicht in eine völlige Strukturlosigkeit umschlägt, wäre – gewissermaßen als Weiterentwicklung des Organisationsrechtes des Bundes bzw. des Gesellschaftsrechts für den öffentlichen Bereich – an die einfachgesetzliche Schaffung von Organisationstypen zu denken, die die spezifischen Anforderungen an ausgegliederte Rechtsträger berücksichtigen (wie z.B. die Gewährung der erforderlichen parlamentarischen Kontrolle sowie die Berücksichtigung dienstrechtlicher, haushaltsrechtlicher, vergaberechtlicher, wettbewerbsrechtlicher und „Public-Private-Partnership“– Aspekte). Das Bestehen solcher Organisationstypen könnte dann nicht nur dem Bund, sondern auch den Ländern und Gemeinden den Einsatz ausgereifter Ausgliederungsmodelle ermöglichen.

 

Ein anderer Teil der Ausschussmitglieder plädiert für eine Übernahme der VfGH-Ausgliederungsjudikatur in den Verfassungstext, wobei aber eingeräumt wird, dass das Festlegen eines ausgliederungsfesten Kernbereiches erst verfassungspolitisch zu entscheiden wäre. Jedenfalls müsse aber klargestellt bleiben, dass im hoheitlichen Bereich vom Weisungsstandard des Art. 20 B-VG nicht abgegangen werden dürfe.

 

Der vom Ausschussvorsitzenden eingebrachte Textvorschlag wurde insofern adaptiert, als die „Wahrung einer adäquaten Steuerungsbefugnis“ ausdrücklich aufgenommen wird und ermöglicht wird, dass sowohl bereits bestehende, als auch eigens gegründete Rechtsträger für eine Aufgabenübertragung infrage kommen.

 

Textvorschlag (kein Konsens ???):

 

„Zur Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und die ihnen unterstellten Ämter betraut und können erforderlichenfalls auch außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende Rechtsträger herangezogen werden. Diesfalls ist eine der Eigenart der übertragenen Aufgaben adäquate Leitungs- und Steuerungsbefugnis des zuständigen obersten Organs zu wahren.“

 

Dieser Vorschlag, der im Umkreis der allgemeinen Bestimmungen um Art. 20 B-VG eingeordnet werden sollte, lässt die Stellung der Bundesministerien und der Ämter der Landesregierung absichtlich noch offen, da deren spezifische verfassungsrechtliche Stellung zweckmäßigerweise im dritten und vierten Hauptstück des B-VG erfolgt. Die in den Ausschussberatungen angesprochenen Aspekte der den Bundesministerien zwingend vorbehaltenen Zuständigkeiten wie auch die Forderung nach einer Beibehaltung der Einheitlichkeit der Ämter der Landesregierung wären demnach nicht in der vorgeschlagenen Stelle zu regeln.

 


Zu „Verfassungstexte und Textgegenüberstellung“:

III. Sonstige vorgeschlagene Verfassungsänderungen

1. Weiterer Verfassungstext

·        Betreffend die gebietskörperschaftsübergreifende Homogenität im Dienstrecht (Pkt.VIII.5)

Textvorschlag:

 

„Die Besoldung der öffentlich Bediensteten erfolgt nach einheitlichen Grundsätzen.“

 

2. Aufzuhebende Verfassungsbestimmungen

Hinsichtlich der folgenden Verfassungsbestimmungen wurde im Ausschuss vorgeschlagen, sie aufzuheben:

 

·        Art. 12 Abs. 2 B-VG: betr. Agrarsenate (Pkt. XIII)

 

·        Art. 15 Abs. 10 B-VG: Zustimmung der Bundesregierung zu einer Änderung der staatlichen Verwaltungsorganisation in den Ländern (Pkt. V)

 

·        Art. 78b Abs. 2 B-VG: Zustimmung des Landeshauptmannes zur Bestellung eines Sicherheitsdirektors (Pkt. V) – kein Konsens

 

·        Art. 116 Abs. 3 B-VG: Zustimmung der Bundesregierung zur Einrichtung von Städten mit eigenem Statut (Pkt. V)

 

·        Art. 120 B-VG: Einrichtung von Gebietsgemeinden (Pkt. XIV.2) – kein Konsens

 

·        BVG betr. Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien (BVG-ÄmterLReg): Allerdings sollen die wesentlichen Grundsätze, wie insbesondere die Einheitlichkeit des Amtes der Landesregierung in das B-VG übernommen werden. (Pkt. V)

 

·        § 8 Abs. 5 lit. d ÜG: Zustimmung von Grenzverlegungen von Verwaltungsbezirken und Gerichtsbezirken (Pkt. V)

 

3. Verfassungsänderungen ohne Textvorschläge

In folgenden Bereichen werden Verfassungsänderungen vorgeschlagen, ohne dass ein konkreter Textvorschlag erarbeitet wurde:

 

·        Schulverwaltung betreffend insbesondere die Art. 81a und 81b B-VG (Pkt. XI)

 

·        Sicherheitsverwaltung betreffend die Art. 78a bis 78 d B-VG (Pkt. XII)

 

·        Unmittelbare Bundesverwaltung: Es wird die Inkorporierung aller Verfassungsbestimmungen, die den Bund zur Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung ermächtigen, in Art. 102 Abs. 2 B-VG vorgeschlagen (Pkt. I.4)

 

·        „Beamten“begriff im Verfassungstext: Da das öffentlich-rechtliche Beamtendienstverhältnis nicht mehr zwingend vorgesehen werden soll, wäre eine entsprechende Adaptierung der bisherigen Begriffe erforderlich (Pkt. VIII.3)