DER PRÄSIDENT

 

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DES VERWALTUNGSGERICHTSHOFES

 

Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner

 

 

 

 

Herrn

Generalsekretär

Mag. Werner WUTSCHER

Bundesministerium für

Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft

Stubenring 1 u. 12

1012 Wien         Wien, am 3. März 2004

 

 

E-Mail: manuela.sigl@lebensministerium.at

 

 

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

 

In der letzten Sitzung des Ausschusses 6 wurde angeregt, die Bestimmung über die "Diensthoheit" in Art. 21 Abs. 3 B-VG aufzuheben: Die Regelung auf verfassungsrechtlicher Ebene sei nicht zwingend erforderlich. Die mit der Diensthoheit verbundene Behördenstellung (im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse) bedürfe keiner verfassungsrechtlichen Absicherung und könnte - wie bereits derzeit durch das DVG - bloß einfachgesetzlich statuiert werden (wie auch die sonstige Behördenorganisation). Die Organisation der Personalverwaltung ließe sich dadurch flexibler gestalten und würde insbesondere im Zusammenhang mit Ausgliederungsmaßnahmen bessere Personalstrukturen ermöglichen, da die zwingende dienstrechtliche Anbindung ausschließlich an ein oberstes Verwaltungsorgan nicht mehr erforderlich wäre.

Nun trifft es zu, dass die Regelung der Diensthoheit im B-VG primär eine Kompetenzbestimmung im Verhältnis Bund/Länder ist. Es ist auch zuzugeben, dass die Bestimmung schwierig zu verstehen ist. (Zu den einzelnen Facetten vgl. Kucsko-Stadlmayer, Art. 21 B-VG, Rz 27-35, in Korinek/Holoubek, B-VG Komm.). Bevor wir eine Verfassungsbestimmung abschaffen, sollten wir aber genauer wissen, was wir damit bewirken (oder bewirken wollen). Auch ich halte es für sinnvoll, wenn man die Personalverwaltung der Bundesbediensteten bei ausgegliederten Rechtsträgern konzentriert (unter Voraussetzung, dass es ansonsten bei den bisherigen Ausgliederungsschranken bleibt). Allerdings müsste eine solche Stelle dann selbst wiederum in einen Ressortverband eingegliedert werden. Ob einer solchen Maßnahme die Regelung über die "Diensthoheit" des Art. 21 Abs. 3 B-VG tatsächlich entgegensteht, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht wäre meiner Ansicht nach im Einzelnen die folgenden Probleme zu prüfen:

Bedeutet die Aufhebung des Art. 20 Abs. 3 nicht, dass der Instanzenzug in Dienstrechtsangelegenheiten dann nicht mehr zwingend bis zum "obersten Organ", also in der Regel bis zum Bundesminister, zu gehen hat? So könnte ein Rechtsschutzdefizit entstehen oder der VwGH zusätzlich belastet werden. Zwar ist die Berufungskommission in Versetzungsangelegenheiten verfassungsrechtlich garantiert, doch könnte der Aufhebung des Art. 21 Abs. 3 B-VG nur unter der Bedingung der Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Stufe näher getreten werden.

3. Art. 21 Abs. 3 B-VG hat noch einen weiteren Gehalt, der in der Literatur nur vereinzelt erörtert wird (z.B. bei Thienel, Öffentlicher Dienst und Kompetenzverteilung/1990/326). Mit der republikanischen Verfassung ist die "Regierungsgewalt" vom Kaiser auf die obersten Organe, also insbesondere die Bundesminister, übergegangen. Da das B-VG nun vom Grundsatz der monokratischen Verwaltung beherrscht wird, bedeutet die Regelung der Diensthoheit eine Art "Annexzuständigkeit": jenem obersten Organ, dem nach Art. 20 Abs. 1 B-VG die Leitungsbefugnis obliegt, kommt auch - unbeschadet gesetzlicher Delegationsmöglichkeit innerhalb seines Ressorts - die personelle Kompetenz zu (auch die Sonderbestimmungen weisen in diese Richtung). Dies würde bedeuten, dass zum einen nicht etwa die gesamte Personalführung bei einem Bundesminister konzentriert werden könnte. Weiters hätten wir es auch mit einer besonderen Ausgliederungsschranke zu tun. Es wäre dann etwa unzulässig, dass eine "Bundespersonalagentur" - analog zur BIG in Gebäudeangelegenheiten - mit der Verwaltung und Bereitstellung des Bundespersonals betraut würde. Bisher hat man es offenbar für selbstverständlich erachtet, dass ein Bundesminister eigenes Personal braucht, auf das er auch dienstrechtlich zugreifen kann. Teilt man meine Vermutung
- "Diensthoheit als besondere Ausgliederungsschranke" - nicht, so würden sich aus der allgemeinen Ausgliederungsjudikatur des VfGH Schranken dort ergeben, wo einer solchen Stelle nicht nur "vereinzelte" Kompetenzen der Diensthoheit übertragen werden. Das dürfte sich freilich allein schon aus Art. 20 Abs. 1 B-VG ableiten lassen.

Ich habe auf diese schwierigen Fragen keine abschließenden Antworten. Wenn es nur um die "Ausgegliederten" geht - vgl. oben - dann würde eine spezielle Verfassungsvorschrift vielleicht genügen. Man sieht aber, dass entgegen dem Eindruck, den das Arbeitspapier vermittelt, die Aufhebung des Art. 21 Abs. 3 B-VG eine Reihe von kniffligen Interpretationsfragen aufwirft. Ich würde daher einraten, vor einem Konsens über eine Aufhebung eine ausgearbeitete Fachmeinung über die Konsequenzen einzuholen, etwa durch den Verfassungsdienst.

Ich bitte, dieses Papier auch den anderen Mitgliedern des Ausschusses zur Kenntnis zu bringen.

 

Mit den besten Grüßen

Ihr

Clemens Jabloner