o.Univ.-Prof.Dr.Bernhard Raschauer
Universität Wien - Juridicum A-1010 Wien
Institut für Staats- Schottenbastei 10-16
und
Verwaltungsrecht Telefon
4277-35452
(Wirtschaftsrecht) Telefax 4277-35459
Generalsekretär Wien, am 21. 12. 2003
Mag Wutscher
als Vorsitzendem
des Konvents-Ausschusses 6
Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Ich bin über den
bisherigen Stand der Beratungen im Ausschuss nicht glücklich. Wir haben zuletzt
über einige Elastizitäten im Bereich der Organisation der staatlichen
Verwaltung beraten. In dieser Hinsicht haben sich einige Mitglieder des
Ausschusses eher reserviert geäußert. Dies ist insoweit verständlich, als
staatliche Verwaltung einem bestimmten Bürokratiemodell unterliegt, das durch
Leitungsgewalt und Verantwortlichkeit charakterisiert ist.
Gleichwohl bin ich der
Ansicht, dass der demokratische Rechtsstaat weniger verlangt, als die geltende
Verfassung vorschreibt:
* Demokratie verlangt,
dass das zuständige Regierungsmitglied die parlamentarische Verantwortung für
einen Vollzugsbereich trägt. Zu diesem Zweck muss es (in der neueren
Terminologie) ausreichende "Ingerenzmöglichkeiten" haben. Dies
wiederum besagt freilich nicht, dass das klassische Modell der Weisung in Bezug
auf jeden individuell-konkreten Verwaltungsvorgang offen stehen muss. Andere
Instrumente - von der Vorgabe genereller Richtlinien über Berichtspflichten bis
zur Abberufung des Leiters einer Einrichtung - können einzeln und insgesamt
ausreichende Leitungsinstrumente sein, welche den Vollzugsbereich
parlamentarisch verantwortbar erscheinen lassen. In der Verfassung wäre - in
Abweichung von Art 20 Abs 1 B-VG - vorzusehen, dass durch Gesetz
sicherzustellen ist, dass die obersten Organe über geeignete
Steuerungsbefugnisse verfügen.
* Rechtsstaatlichkeit
verlangt - neben der Bindung an das Gesetz - die Möglichkeit, jegliches
Verhalten staatlicher Verwaltung im Fall individueller Betroffenheit einer
gerichtlichen Kontrolle zuführen zu können. Da die Modalitäten der
gerichtlichen Kontrolle Gegenstand eines anderen Ausschusses sind, wäre in
Bezug auf die Verwaltungsreform an die verfassungsrechtliche Verankerung einer
Rechtswegegarantie zu denken.
Wenn es Ihr Zeitplan
erlaubt, wäre ich dankbar, wenn diese Frage noch einmal Gegenstand der Beratung
im Ausschuss sein könnte.
Noch überhaupt nicht
Gegenstand der Beratung war indes die über eine allfällige Organisationsreform
hinaus gehende Frage eines Aufgabenabbaus. Ein wesentlicher Aspekt der
Verwaltungsreform ist meines Erachtens in der Reduzierung der Befassung von
staatlichen Stellen zu sehen. Die Begründung von Aufgaben und Zuständigkeiten
staatlicher Verwaltungsstellen - in welcher Organisationsform immer - soll nur
dann vorgesehen werden, wenn anders die rechtspolitisch angestrebten Effekte
nicht erzielt werden können. Sehr häufig finden sich jedoch, wenn man nicht in
traditionellen Schienen von "Gesetz und staatlicher Vollziehung"
verhaftet bleibt, funktionale Äquivalente zu staatlichen Leistungs-,
Genehmigungs- oder Kontrollregimen durch entsprechende Kombinationen von
Verhaltensvorschriften.
Diese Fragen sind
selbstverständlich primär Fragen praktischer Rechtspolitik. Es scheint mir
allerdings angebracht, dass die Verfassung auch ein Signal in diese Richtung
setzen sollte, nicht zuletzt auch an die Adresse des VfGH:
* Aufgaben und
Befugnisse von Behörden und sonstigen Ämtern dürfen nur vorgesehen werden, wenn
dies mit dem Ziel sparsamer Verwaltung vereinbar ist, wenn insbesondere
gesetzliche Zwecke nicht auf andere Weise erreicht werden können.
* Neue Behörden und
sonstige Ämter dürfen nur errichtet werden, wenn gesetzliche Zwecke nicht mit
den bestehenden Behörden und sonstigen Ämtern erreicht werden können.
Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie diese Stellungnahme auch den anderen Ausschussmitgliedern zur
Kenntnis bringen könnten.
Mit freundlichen
Grüßen, B Raschauer, e.h.