Werner Wutscher                                                                                       25. November 2003

 

 

 

Reformaspekte zur

allgemeinen Verwaltungsorganisation

 

Diskussionsgrundlage

für die 3. Ausschusssitzung des Ausschusses 6

am 28. November 2003

 

 

 

 

Einleitung (zum Verwaltungsreformprozess) ........................................................ 2

            1. Ein neues Verwaltungsverständnis

            2. Ausgangskriterien

            3. Angepeilte Ergebnisse

  I. Zur Reform der mittelbaren Bundesverwaltung ............................................... 4

            1. Die mittelbare Bundesverwaltung als reformbedürftiges Erfolgsmodell ?

            2. Zur "Abschaffung" der mittelbaren Bundesverwaltung

            3. Kompetenzverteilung und mittelbare Bundesverwaltung

            4. Derzeitige Kompetenzverteilung

            5."Drei-Säulen-Modell"

 II. Lockerung der strikten Weisungsbindung ....................................................... 6

            1. Allgemeines

            2. Möglichkeiten der Weisungsfreistellung

            3. Lösungsansatz samt Textvorschlag

III. Flexibilisierung der Verwaltungsorganisation .................................................. 7

            1. Beseitigung unklarer Ausgliederungsschranken (samt Textvorschlag)

            2. Die obersten Organe als Reformschranken (samt Textvorschlag)

            3. Beseitigung wechselseitiger Bindungen und Zustimmungsrechte

IV. Zur gesetzlichen Überdeterminierung des Verwaltungshandelns ............... 10

            (samt Textvorschlag)

 V. Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht ................................................ 10

 

Die Gedanken des New Public Management ....................................................... 11

 

Ausblick auf die weiteren Ausschussthemen und -termine ............................... 12


Einleitung (zum Verwaltungsreformprozess)

1. Ein neues Verwaltungsverständnis

Für die Diskussion im Ausschuss 6 ist maßgeblich, von welchem gemeinsamen Ver­ständnis von „Verwaltung“ wir ausgehen. Die Diskussion mit den Praktikern bei der zweiten Ausschusssitzung am 21. Oktober brachte einen wichtigen Input: Neben der Schlüsselfrage der Neuordnung der Kompetenzverteilung, die im Ausschuss 5 be­handelt wird, haben die Europäische Union und die Entwicklung der modernen Medi­en maßgeblichen Einfluss auf das Verwaltungshandeln. Zudem sind internationalen Entwicklungen, die eine stärkere Bürgerbeteiligung und Transparenz fordern („Good Governance“), Rechnung zu tragen.

            Daneben waren die letzten Jahre durch eine massive Sparpolitik im Bereich der Finanz- und Personalressourcen und die Folgen dieser Politik gekennzeichnet. Ein Beispiel sind manche Ausgliederungen, die nicht bloß strategischen Überlegun­gen für eine Optimierung der Aufgabenerfüllung gefolgt sind, sondern auch der Ver­such waren, den Zwängen des Budget- und Dienstrechtes zu entkommen. Innovative Ansätze wie die haushaltsrechtliche Flexibilisierungsklausel konnten dem Tempo der Veränderung nicht genügen. Gerade vor dem Hintergrund der Fortführung dieser Po­litik und der Begrenztheit der linearen Reduktion („Rasenmähermethode“) die in vie­len Dienststellen erreicht ist, sollten innovativen Ansätzen gefolgt werden.

            Zur Realisierung dieses neuen Verwaltungsverständnisses wird eine entspre­chende Anpassung der verfassungsrechtlichen Determinanten erforderlich sein.

 

2. Ausgangskriterien

Aus diesen Gründen sollte von folgenden Kriterien ausgegangen werden:

·        Im Zentrum jeden Verwaltungshandels hat der Bürger zu stehen (Primat der Zivil­gesellschaft).

 

·        Das Verwaltungshandeln erfolgt „im Rahmen der Gesetze“.

 

·        Das Verwaltungshandeln der obersten Organe sollte sich weitgehend auf die Vorgabe strategischer Ziele bzw. auf die allgemeine Steuerung konzentrieren.

 

·        Der Vollzug hat sich am Gebot der Maximierung der Effizienz zu orientieren. Zur Kontrolle werden einheitliche gebietskörperschaftsübergreifende Kriterien einge­führt.

 

·        Der Vollzug soll sich auch privatwirtschaftlicher Instrumente bedienen können.


3. Angepeilte Ergebnisse

Die Anwendung dieser Kriterien könnte zu folgenden Ergebnissen führen, wobei in den letzten Jahren auf Bundesseite bereits einige zielführende Vorarbeiten geleistet wurden:

 

Binnenreform

            a.   Trennung in strategischer und operativer Aufgabenerfüllung

            b.   Prüfung der Subsidiarität der Aufgabenerfüllung/Aufgabenkritik

            c.   Dezentralisierung der Aufgabenerfüllung

            d.   Einführung von neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Dienst-

                  stellen

            e.   Einführung von gebietskörperschaftsübergreifenden Instrumenten der

ergebnisorientierten Steuerung: (KLR, SAP, Controlling)

            f.   „Normalisierung“ des öffentlichen Dienstrechts (inkl. Personalentwicklung)

            g.   Einführung von Global/Output-Budgtierung

Folgende Maßnahmen in diese Richtung wurden im Bund bereits umgesetzt:

-          Reform der Aufbaustruktur der Bundesministerien (Einsparung von 17 Sektionen, 52 Gruppen, 147 Abteilungen, 187 Referaten)

-          Zahlreiche Ausgliederungen

-          Verwaltungsreformgesetz 2002

-          Einführung von SAP und KLR

 

 

Mehrebenen-Management im Bundesstaat

            h.   Neue Formen der gebietskörperschaftsübergreifenden Zusammenarbeit

            i.    Einführung von Benchmarks

Folgende Maßnahmen in diese Richtung wurden im Bund bereits umgesetzt:

-          Berichtspflichtengesetz

-          "Art.15a B-VG – Vereinbarungen" betr. Nationalparks

 

 

E-Government

            k.   Einführung internes/externen E-Government

Folgende Maßnahmen in diese Richtung wurden im Bund bereits umgesetzt:

-          ELAK-Einführung

-          E-Government-Gesetz

 

 

 

 


I. Zur Reform der mittelbaren Bundesverwaltung

1. Die mittelbare Bundesverwaltung als reformbedürftiges Erfolgsmodell ?

Mit dem System der mittelbaren Bundesverwaltung wurde die "Doppelgleisigkeit" in der Vollziehung von zentralstaatlichen und gliedstaatlichem Recht überwunden und mit dem B-VG 1920 ein grundsätzlich einheitlicher Vollzug durch die Verwaltungsor­ganisation der Länder vorgesehen (weiterer Ausbau 1925). Das bedeutet, dass auch in den Angelegenheiten, in denen dem Bund gemäß Art. 10 B-VG eine Vollziehungs­kompetenz zukommt, die Vollziehung der Bundesgesetze "mittelbar" durch die Ver­waltungsbehörden der Länder erfolgt. Ausgenommen sind jene im Art. 102 Abs. 2
B-VG (und in weiteren Verfassungsbestimmungen) genannten Angelegenheiten, die der Bund in "unmittelbarer" Verwaltung wahrnehmen kann und dafür eigener Behör­den bedarf (z.B. die gesamte Justiz, die Finanzverwaltung und die Landesverteidi­gung). Als "Drehscheibe" der mittelbaren Bundesverwaltung fungiert der Landes­hauptmann, der als monokratisches Organ der Träger der Bundesverwaltung in den Ländern ist.

            Der Landeshauptmann ist zwar an die Weisungen der jeweils zuständigen Bundesminister gebunden, kann aber seinerseits auch die Mitglieder der Landesregierung anweisen – ein Weisungs­recht, das dem Landeshauptmann in den Angelegenheiten der Landesverwaltung nicht zusteht. Trä­ger der Landesverwaltung ist nämlich das Kollegialorgan Landesregierung, in der der Landeshaupt­mann zwar den Vorsitz führt, den anderen Mitgliedern aber nicht übergeordnet ist.

            Nicht in den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung fällt die sog. Auftragsverwaltung für das Bundesvermögen durch den Landeshauptmann gem. Art. 104 Abs. 2 B-VG.

 

2. Zur "Abschaffung" der mittelbaren Bundesverwaltung

Trotz des verwaltungsreformatorischen Ansatzes zeigten sich im Laufe der Zeit doch gewisse Schwerfälligkeiten und Fehlsteuerungen. Bereits seit einigen Jahren wird daher die "Abschaffung" der mittelbaren Bundesverwaltung gefordert (zuletzt im Re­gierungsprogramm der derzeitigen Bundesregierung); und zwar dahingehend, dass die Vollziehung von Bundesgesetzen gesamthaft durch die Landesverwaltung wahr­genommen wird: sowohl im funktionellen Sinn (wie eine sog. "Art.11-Materie") als auch im organisatorischen Sinn (wie schon derzeit).

            Eine "Abschaffung" der mittelbaren Bundesverwaltung hätte eine Ausweitung des Einflusses der Länder zur Folge, da eine administrative Steuerungsmöglichkeit des Bundes auf die Vollziehung von Bundesgesetzen entfiele. Die Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzuges würde freilich erschwert.

            Hinzuweisen ist auf die vielfältigen europäischen und internationalen Meldepflichten, die einen einheitlichen Erhebungsstandard im gesamten Bundesgebiet wie auch die Zugänglichkeit der entspre­chenden Daten erfordern. (Vgl. zu dieser Problemlage das BerichtspflichtenG, BGBl I 2002/65.)

3. Kompetenzverteilung und mittelbare Bundesverwaltung

Naturgemäß hat eine Neuordnung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung und eine damit einhergehende Verschiebung der Angelegenheiten der Bundesverwaltung eine direkte Auswirkung auf die mittelbare Bundesverwaltung. Nach dem derzeitigen Stand der Diskussion im Ausschuss 5 des Österreich-Konvents, die sich vorerst auf die Gesetzgebungskompetenzen beschränkte, soll nach einem sog. "Drei-Säulen-Modell" in der ersten und in der dritten Säule ausschließliche Bundes- bzw. Landes­zuständigkeiten definiert werden und in einer zweiten Säule Angelegenheiten mit unterschiedlichen Kompetenzzuweisungsmechanismen zusammengefasst sein. Über die Vollzugskompetenzen, die letztlich auch den Problemkreis mittelbare Bundesver­waltung betreffen, lassen sich derzeit nur grobe Einschätzungen vornehmen bzw. sind sie völlig ungeklärt. Ebenso offen sind die Finanzierungsfragen. Derzeit wird die mittelbare Bundesverwaltung von den Ländern finanziert (ausgenommen der in diesem Zusammenhang eher untergeordnete "Zweckaufwand").

 

4. Derzeitige Kompetenzverteilung

            Gesetzgebung                                       Vollziehung                                                     

 

Art. 10        Bund                                             Bund    - unmittelbare Bundesverwaltung

                                                                                                - mittelbare Bundesverwaltung

 

Art. 11        Bund                                            Länder            Landesverwaltung

 

Art. 12        Bund (Grundsatzgesetzgebung)                    Länder            Landesverwaltung

                 Länder (Ausführungsgesetzgebung)

 

Art. 15       Länder                                          Länder            Landesverwaltung                     

                                                                                                                                               

 

 

 

5."Drei-Säulen-Modell" (in Beratung des Ausschusses 5)

                                    Gesetzgebung                                                   Vollziehung                 

 

1. Säule             exklusive Bundes-Kompetenzen                - unmittelbare Bundesverwaltung

                                                                                                -                ???

 

2. Säule              konkurrierende Kompetenzen                                       

                                               in Diskussion stehen:                                                     ???

                                        Ziel-/Rahmengesetzgebung

                                             Bedarfsgesetzgebung

 

3. Säule             exklusive Länder-Kompetenzen                                  Landesverwaltung

                                                                                                                                               

 

 


II. Lockerung der strikten Weisungsbindung

1. Allgemeines

Die österreichische Verwaltung unterliegt einer strikten Weisungsbindung an die je­weils zuständigen obersten Organe (insb. Art. 20 Abs. 1 B-VG). Diese Weisungsbin­dung kann nach dem geltenden Verfassungsrecht

·        entweder durch eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Weisungsfreistellung
(
in Form von derzeit etwa 300 Verfassungsbestimmungen [!!] im jeweiligen Materiengesetz)

 

·        oder durch die einfachgesetzliche Einrichtung einer weisungsfreien Kollegialbe­hörde mit richterlichem Einschlag gem. Art. 20 Abs. 2 (sog. "133 Z 4 – Behörden")
(Derzeit gibt es über 140 solcher Behörden; davon rund 30 auf Bundesebene.)

 

durchbrochen werden, um eine "unabhängige" Verwaltungsführung zu ermöglichen.

            Beide Modelle stehen unter Kritik. So tragen die fugitiven Verfassungsbestimmungen zur viel beklagten Verstreutheit des Verfassungsrechts bei. Aber auch der verstärkten Heranziehung des Behördentyps der sog. 133 Z 4-Behörden wurde seitens des VfGH Einhalt geboten, der ihnen einen bloßen Ausnahmecharakter zubilligt und eine besondere Rechtfertigung einfordert.

 

In den Konvents-Mandaten finden sich drei verschiedene Anknüpfungspunkte zur weisungsfreien Verwaltungsführung:

 

·        Ausschuss 6: "Möglichkeit weisungsfreier und ausgegliederter Behörden"

·        Ausschuss 7: "Regulierungsbehörden und sonstige unabhängige Behörden"

·        Ausschuss 9: "133 Z 4 – Behörden" und unabhängige Sonderkontrollbehörden

 

2. Möglichkeiten der Weisungsfreistellung

Unter der Annahme, dass an der Weisungsfreiheit der derzeit weisungsfrei gestellten Organe nicht gerüttelt werden soll, stellt sich die Frage nach einer gesamthaften ver­fassungsrechtlichen Lösung. Nahe liegender Weise ist zunächst an eine inhaltlich determinierte Weisungsfreistellung auf Verfassungsebene zu denken. Damit steht man allerdings vor dem – nicht geringen – Problem, die gewünschten "weisungsfrei­en Zonen" abstrakt definieren zu müssen, will man nicht zu der unschönen Methode einer endlosen Aufzählung aller relevanten Tatbestände im Verfassungstext greifen (ohne dadurch aber flexibel zu werden). Eine partielle Lösung für die (rund fünf) Re­gulierungsbehörden ist zwar durchaus denkbar; ebenso könnte ein Teil der (ca. 140) 133 Z 4 – Behörden in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz und damit in die Weisungsfreiheit übergeführt werden. Neben den weisungsfreien Behörden gibt es jedoch noch eine deutlich höhere Anzahl von weisungsfrei gestellten Organen in der Verwaltung, die keine unmittelbar behördliche Funktion ausüben. Diese Einzel- und Kollegialorgane – vom Umweltanwalt bis zur Prüfungskommission – pauschal verfas­sungsrechtlich weisungsfrei zu stellen, erscheint legistisch kaum realisierbar zu sein.

3. Lösungsansatz samt Textvorschlag

Eingedenk der Tatsache, dass der Behördentypus einer 133 Z 4 – Behörde in der Praxis gleichsam als universell einsetzbarer Gesetzesvorbehalt zur strikten verfassungsrechtlichen Weisungsbindung gesehen wurde (zumindest so lange, als dies der VfGH noch geduldet hat), könnte als Lösungsalternative die Einräumung eines allgemeinen Gesetzesvorbehaltes erwogen werden. Dabei sollte aber nicht vom bisherigen Modell der Weisungsbindung in der Verwaltung völlig abgegangen werden, sondern die Weisungsfreistellung ihrem Ausnahmecharakter gemäß in einem besonderen Begründungszusammenhang stehen. Weiters sollte zumindest ein Rest an Leitungs- bzw. Aufsichtsbefugnis des obersten Organs erhalten bleiben. Flankiert mit entsprechenden Erläuterungen im Hinblick auf die derzeit schon sehr breit gestreuten Weisungsfreistellungen würden einerseits neue Weisungsstrukturen ermöglicht (flexibler Unabhängigkeitsgrad !) und könnte anderseits dem VfGH Anlass für eine etwas großzügigere Judikatur gegeben werden.

Textvorschlag:

 

Artikel xx. (1) [Statuierung des Weisungszusammenhanges auf Basis des Art. 20 Abs. 1 B-VG]

 

           (2) Durch Gesetz können erforderlichenfalls (??) weisungsfreie Organe geschaffen werden. Den zuständigen obersten Organen verbleibt eine der Art der jeweiligen Verwaltungsgeschäfte ent­sprechende allgemeine Leitungs- und Aufsichtsbefugnis [wie insb. Ernennungs- und Abberufungsbe­fugnisse sowie eine Richtlinienkompetenz].

 

 

III. Flexibilisierung der Verwaltungsorganisation

1. Beseitigung unklarer Ausgliederungsschranken (samt Textvorschlag)

In der Verfassung ist derzeit bloß zum Ausdruck gebracht, dass die Verwaltungsge­schäfte in den Bundesministerien und den nachgeordneten Dienststellen geführt wer­den. Die Führung von Verwaltungsgeschäften auch außerhalb der allgemeinen staat­lichen Verwaltungsorganisation (Ausgliederung) hat sich freilich in vielen Fällen be­währt. Sie stößt allerdings auf verschiedene Hindernisse, insbesondere wenn auch hoheitliche Aufgaben ausgegliedert werden. Eine strenge Judikatur des VfGH zieht den Ausgliederungsbestrebungen nämlich eher enge und unklare Grenzen. Nach dem sog. Austro-Control-Erk. (VfSlg. 14.473/1996) und dem Erk. zur Bundes-Wert­papieraufsicht (VfSlg. 16.400/2001)

·        dürfen an ausgegliederte Rechtsträger nur "vereinzelte" Aufgaben übertragen werden,

 

·        dürfen "Kernbereiche" der hoheitlichen Staatstätigkeit überhaupt nicht ausgeglie­dert werden (wobei der VfGH keine Definition dieses Bereiches lieferte, sondern sich auf exemlarische Beispiele – innere und äußere Sicherheit, Ausübung der Strafgewalt sowie Außenpolitik – beschränkte),

 

·        unterliegt die Ausgliederung von Hoheitsbefugnissen den verfassungsrechtlichen Sachlichkeits- und Effizienzgeboten,

 

·        muss das verfassungsrechtliche System der Leitungsgewalt und Verantwortlich­keit der obersten Organe gewahrt bleiben.

 

Ein Versuch, diese Judikaturlinie verfassungsrechtlich zu verankern, erscheint wenig zweckmäßig, da damit bloß eine unklare Grenzziehung positiviert würde. Ebenso würde die verfassungsrechtliche Definition eines ausgliederungsfesten Bereiches viele Abgrenzungsprobleme hervorrufen und sollte deshalb unterbleiben. Vielmehr erscheint überlegenswert, die Verwaltungsorganisation insoferne zu flexibilisieren, als neben der grundsätzlichen Wahrnehmung der Verwaltungsführung durch Organe der staatlichen Verwaltung auch die Betrauung von Rechtsträgern außerhalb dieser ermöglicht wird. Der Gefahr einer schrankenlosen Ausgliederung könnte dahinge­hend begegnet werden, als die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben durch die allgemeine staatliche Verwaltung vom Grundsatz her weiter bestehen bleiben sollte. Dies wäre durch die Aufnahme einer Subsidiaritätsklausel sowie durch entsprech­ende Erläuterungen zu sichern.

Textvorschlag:

 

"Zur Besorgung der Geschäfte der obersten Organe sind die ihnen unterstellten Ämter berufen und können erforderlichenfalls Rechtsträger [außerhalb der Verwaltungsorganisation] betraut werden."

 

            Damit der Vorteil einer erhöhten Flexibilität nicht in eine völlige Strukturlosig­keit der Verwaltungslandschaft umschlägt, wäre – gewissermaßen als Weiterentwick­lung des Gesellschaftsrechts für den öffentlichen Bereich – an die einfachgesetzliche Schaffung von Organisationstypen zu denken, die die spezifischen Anforderungen an ausgegliederte Rechtsträger berücksichtigen (wie z.B. die Gewährleistung der erfor­derlichen parlamentarischen Kontrolle). Das Bestehen solcher Organisationstypen könnte dem Bund, den Ländern und Gemeinden den Einsatz ausgereifter Ausglie­derungsmodelle ermöglichen.

            Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann der Bund "Sondergesellschaftsrecht" für den eigenen Bereich schaffen. Diese Möglichkeit ist den Ländern versperrt und sollte auch nicht über eine erweiterte Organisationskompetenz eröffnet werden, da eine allzu große Vielfalt sowie engsichtige Problemlösungen drohen könnten.

 


2. Die obersten Organe als Reformschranken (samt Textvorschlag)

Die formale Gleichheit aller "obersten" als letzt-verantwortliche Verwaltungsorgane führt innerhalb einer Verwaltungsorganisation nachgerade zwangsläufig zu Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten bzw. Parallelstrukturen (insb. in den Bundesministerien).

·        In der Bundesverwaltung gibt es derzeit derzeit 20 oberste Organe:

              1 Bundespräsident als oberstes Organ mit protokollarischer Vorrangstellung

            13 weitere oberste Organe iSd Art. 19 Abs. 1 B-VG (1 BK, 11 BM sowie die BReg)

              3 spezielle oberste Organe (Präs.NR, RH-Präs. und Vors.VolksAnw.)

              2 "quasi"oberste Organe eigener Art (Präsidenten des VfGH und des VwGH)

   sowie   1 "gesellschaftsrechtliches" (!!) oberstes Organ im dienstrechtl. Sinn (Vorstandsvorsitzender

   der Post- und Telekom AG)

(Nur die im Art. 19 Abs. 1 B-VG als oberste Organe bezeichneten Staatssekretäre sind keine solchen. Die Aufnahme der Staatssekretäre in diese Bestimmung haben ihre Bedeutung bloß als Abrundung des Anwendungsbereiches für den nachfolgenden Abs. 2 [berufliche Unvereinbarkeit für Politiker]. In diesem Zusammenhang wäre zu erwägen, den Politikern unter der Bezeichnung "öffentliche Funktio­näre" einen eigenen Artikel im B-VG zu widmen.)

 

·        In den Ländern gibt es als oberste Organ die Landesregierung.

            Behördenstrukturen, die die Bereiche von obersten Organen überschreiten, sind derzeit kaum möglich. Dies gilt auch im föderalen Zusammenhang, wo Bundes­staatlichkeit und Kompetenzverteilung die verfassungsgemäße Zusammenlegung von Behörden verschiedener Länder verunmöglicht.

Es können daher

·        weder Ministeriums-übergreifende Behörden,

·        noch Länder-Länder-Behörden

·        und auch keine Bund-Länder-Behörden

geschaffen werden, obwohl dadurch zweckmäßige Bündelungen möglich wären.

Textvorschlag im bundesstaatlichen Zusammenhang:

 

"Durch Gesetz können Hoheitsrechte des Bundes und der Länder auf gemeinsame Einrichtungen übertragen werden. Die Verantwortlichkeit für die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben bleibt unberührt."

 

3. Beseitigung wechselseitiger Bindungen und Zustimmungsrechte

Derzeit gibt es verschiedene verfassungsrechtliche Vorschriften, die die Ausgestal­tung der Verwaltungsorganisation determinieren bzw. an die Zustimmen einer frem­den Gebietskörperschaft binden.

·        So regelt ein eigenes BVG aus 1925 die "Grundsätze für die Einrichtung und Ge­schäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien" (BVG-ÄmterLReg).

 

·        Die landesgesetzliche Änderung von Organisationsstrukturen der Ämter der Lan­desregierung und der Bezirksverwaltungsbehörden bedarf der Zustimmung der Bundesregierung (Art. 15 Abs. 10 B-VG).

 

·        Die Änderung der Grenzen der Verwaltungsbezirke bedarf der Zustimmung der Bundesregierung (§ 8 Abs. 5 lit. d Übergangsgesetz 1920).

·        Die Änderung der Grenzen der Gerichtsbezirke bedarf der Zustimmung der je­weiligen Landesregierung (§ 8 Abs. 5 lit. d Übergangsgesetz 1920).

 

·        Die Geschäftseinteilung der Landesergierung bedarf der Zustimmung der Bun­desregierung, soweit die mittelbare Bundesverwaltung betroffen ist (§ 2 Abs. 5 BVG-ÄmterLReg).

 

Alle diese verfassungsrechtlichen Bindungen und Genehmigungsvorbehalte schrän­ken die Organisationsgewalt der jeweiligen Organisationsträger ein und sind daher grundsätzlich zu hinterfragen.

 

 

IV. Zur gesetzlichen Überdeterminierung des Verwaltungshandelns

Viel beklagt wird die gesetzliche Überdeterminierung des Verwaltungshandelns, die auf die strenge Ausprägung des Legalitätsprinzips zurückgeführt wird. Um dem VfGH einen Umschwung in seiner diesbezüglichen Judikatur zu ermöglichen, könnte an ei­ne Neuformulierung des Art. 18 B-VG gedacht werden (etwa weniger "auf Grund der Gesetze" und mehr "im Rahmen der Gesetze" [wie schon Art. 18 Abs. 2 in der B-VG-Stammfassung von 1920]). Auch die vermehrte Festlegung von Zielen erscheint zweckmäßiger, als die detaillierte Determinierung des Verwaltungshandelns.

            Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass die österreichische Regulierungsdichte nicht nur im Legalitätsprinzip alleine ihre Ursache hat. Auch die Tendenz zur normativen Sicherung ei­nes (z.B. sozialpartnerschaftlichen) Verhandlungskompromisses trägt zur zunehmenden Verrechtli­chung genauso bei, wie eine allgemeine Gesetzgebungskultur, in der der Nachweis politischer Aktivi­tät in der (über)eifrigen Produktion von Rechtsvorschriften besteht.

 

Textvorschlag zur Zielorientierung:

 

"Die Gesetzgebung kann von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörden absehen und das Verhalten der Verwaltungsbehörden insbesondere durch die Festlegung von Zielen vorherbestimmen."

 

 

V. Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht

Die Verfassungsbestimmungen über die Amtsverschwiegenheit und die Auskunfts­pflicht in Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG sind ein treffendes Beispiel für die derzeitige Unübersichtlichkeit und Unklarheit von Verfassungstexten. Eine Neuformulierung dieses Regelungskomplexes könnte angedacht werden, wobei insbesondere die Kompetenzverteilung im Auskunftspflichtrecht hinterfragt werden sollte.

Das österreichische "System des Auskunftspflichtrechts" umfasst derzeit:

·         ein Bundes-Auskunftspflichtgesetz

·         ein Bundes-Auskunftspflicht-Grundsatzgesetze

·         neun Landes-Auskunftspflicht-Ausführungsgesetze


Die Gedanken des New Public Management (NPM)

NPM ist ein Denkansatz für eine neue Managementphilosophie („Re-Inventing Government“), welche Politik und Verwaltung stärker nach privatwirtschaftlichen Managementtechniken, unternehmerischen Erfolgsprinzipien und marktwirtschaft­lichen Steuerungsmechanismen ausrichten will. Ziel: Lernende Organisationen, die sich rasch an veränderte Anforderungen anpassen und institutionellen Wandel er­möglichen. Ungewöhnlich am NPM ist die Ganzheitlichkeit und strategische Ausrich­tung („Transforming Government“).

Die zehn Merkmale von NPM (nach Buschor):

  1. Kunden- und Bürgerorientierung (Total Quality Management)
  2. Kostensenkungs- und Effizienzdruck (Lean production)
  3. Wirkungs- statt Inputsteuerung (Globalbudgets, Standards)
  4. Trennung der strategischen (Regierung/Parlament) von den operativen Kom­petenzen (Verwaltung)

 

  1. Trennung der Funktionen des Leistungsträgers und des Leistungsfinanzierers
  2. Schaffung konzernähnlicher Verwaltungsstrukturen
  3. Leistungsvereinbarungen für gemeinwirtschaftliche Aufgaben der Leistungser­bringer

 

  1. Wettbewerb über interne Märkte, Ausschreibungen, externe Vergabe und Pri­vatisierung

 

  1. Umfassende Wirkungs- und Rechtmäßigkeitsprüfung (Transparenz, Prozess­evaluierung, Controlling)

 

  1. Förderung nichtmonetärer Leistungsanreize sowie des Leistungslohns (Er­folgsprämien, Wettbewerbe)

 

In den aktuellen, in vielen OECD-Staaten bewährten NPM-Konzepten fließen ver­schiedene Ansätze und nationale Traditionen der Verwaltungsmodernisierung zu­sammen. In Deutschland wurde die sog. „Neue Steuerungslehre“, in der Schweiz die „Wirkungsorientierte Verwaltungsführung“ (WOV), in den USA, Kanada, Neuseeland und Australien lokale Variationen eines „New“ Public Management entwickelt, um durch Lean Administration, Deregulierung, Dezentralisierung und Empowerment, E-Government, Auslagerungen und Privat-Public-Partnerships der Finanzierungskrise der öffentlichen Hände zu begegnen und gleichzeitig die Effizienz und Effektivität zu erhöhen. Auch Österreich kann auf international anerkannte Pionierleistungen ver­weisen.


Ausblick auf die weiteren Ausschussthemen und -termine

4. Ausschusssitzung am Donnerstag, den 4. Dezember 2003, 9.00 – 12.00 Uhr

·        Bereich öffentlicher Dienst

·        Haushaltsbereich

 

5. Ausschusssitzung am Mittwoch, den 17. Dezember 2003, 10.00 – 13.00 Uhr

·        Gemeindebereich

·        Besondere Verwaltungsbereiche

            - Agrarbehörden

 

6. Ausschusssitzung am Mittwoch, den 7. Jänner 2004, 14.00 – 17.00 Uhr

·        Besondere Verwaltungsbereiche

            - Sicherheitsbehörden

            - Schulbehörden

 

Weitere Termine:

Freitag, 30. Jänner 2004, 14.00 – 17.00 Uhr

Dienstag, 17. Februar 2004, 9.00 – 12.00 Uhr

Freitag, 27. Februar 2004, 9.00 – 12.00 Uhr

Dienstag, 9. März 2004, 9.00 – 12.00 Uhr