Verwaltungsreform und Bundesverfassung

 

Einleitend erscheint es zweckmäßig, wesentliche Aktionsfelder der Verwaltungsreform zu definieren:

 

In der aktuellen Diskussion wird immer darauf hingewiesen, dass die Integration Österreichs in die Europäische Union eine Reform der gebietskörperschaftlichen Struktur nahe lege. Realistischer Weise wird aber davon auszugehen sein, dass sowohl die Gemeindeselbstverwaltung als auch die Bundesländer – im thematischen Zusammenhang die Landesverwaltungen – nicht wirklich zur Diskussion stehen. Diese Sicht gilt selbst für die Organisationseinheit Bezirksverwaltungen: Im Programm der aktuellen Bundesregierung (für die XXII. GP) ist deren Ausbau vorgesehen, als zentrale Organisationsebene, auf der das „One Stop Shop“-Konzept realisiert werden soll. Man darf freilich gespannt sein, ob bzw. wie dies mit der Zielsetzung „Auflösung der mittelbaren Bundesverwaltung“ in Einklang gebracht werden kann.

 

Im Mittelpunkt meiner Ausführungen werden daher Reformpotenziale stehen, die in der Behördenstruktur bzw. in der Zuständigkeitsverteilung schlummern. Auch deshalb, weil ich ja eingeladen wurde, um dem Ausschuss Perspektiven aus der Sicht der Statutarstädte zu vermitteln.

 

Der Herr Ausschussvorsitzende hat mich ersucht, auch auf die einschlägigen Reformmaßnahmen der letzten Jahre einzugehen. Ich habe dazu eine magistratsinterne Stellungnahme eingeholt – mehr war in der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

 

Zuständigkeitsverlagerungen hin zu den Bezirksverwaltungsbehörden und damit auch zu den Statutarstädten brachte nicht nur das Verwaltungsreformgesetz 2001 des Bundes (BGBl .../200.). Im zeitlichen Umfeld kam es auch durch die Gewerberechtsnovellen 2000 und 2002 (BGBl .../2000 bzw. .../2002), das Deregulierungsgesetz (BGBl .../....)und das Oö. Verwaltungsreformgesetz 2002 (LGBl .../200.) u.a. zu erheblichen Aufgabenverlagerungen.

 

 

Dabei sind vor allem die Interessen der Statutarstädte untergegangen; in den Bezirkshauptmannschaften sind die Mehrbelastungen dadurch nicht so spürbar geworden, weil vorher zentral bei den Ämtern der Landesregierung tätige Mitarbeiter nun eben den Bezirkshauptmannschaften zur Verfügung stehen. Solche Arbeitskapazitäten mussten bzw. müssen in den Statutarstädten mit eigenen Ressourcen geschaffen werden und ebenso das erforderliche Fachwissen.

 

Aus Zeitgründen überlasse ich Details aus unserer Vollzugspraxis einer allfälligen Diskussionsphase – bis auf folgende zwei Anmerkungen:

Im gewerblichen Betriebsanlagenrecht ist nunmehr eine Verfahrenskonzentration vorgesehen (§ 356b GewO), auf Grund derer das Erfordernis der gesonderten Bewilligung nach bestimmten Tatbeständen des WRG und nach sämtlichen anderen bundesrechtlichen Bewilligungen entfällt, sofern sie dem Schutz vor Auswirkungen oder des Erscheinungsbildes der Anlage dienen. Abgesehen von Vollzugsproblemen, weil der Gesetzgeber nicht auflistet, um welche bundesrechtlichen Bewilligungen es sich dabei konkret handelt, führt § 356b GewO bei vielen Anlagen zum One-Stop-Shop Bezirksverwaltungsbehörde im bundesgesetzlich geregelten Anlagenrecht.

Aber eben nicht für alle Anlagen: Gerade die Großanlagen und jene, die auf Grund ihrer Komplexität die Betreuung durch nur eine Behörde sinnvoll erscheinen lassen, sind von der Konzentration nicht erfasst. Hier erscheint die Regelung des § 38 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002 als der bessere Weg, auch durch die (explizite) Miterfassung der wesentlichen landesrechtlichen Materien der Bau- und Raumordnung und des Naturschutzrechtes.

Ich möchte einmal mehr auf eine Lösung hinweisen, die zuletzt Mag. Gutkas, Leiter der Bezirksverwaltungsbehörde im Magistrat St. Pölten, in der Septemberausgabe 2003 der ÖGZ vorschlägt: In einem einheitlichen Anlagengesetz sollten die Materiengesetze – sowohl bundes- wie auch landesrechtliche – taxaktiv aufgezählt sein, die im Verfahren Berücksichtigung zu finden haben; oder aber die materiell-rechtlichen Grundlagen werden in dieses Anlagengesetz selbst aufgenommen.

 

Meine zweite Anmerkung gilt dem ebenfalls mit dem Verwaltungsreformgesetz neu geschaffenen § 67h AVG – als Voraussetzung dafür, dass „Berufungen gegen erstinstanzliche Bescheide [...] in zahlreichen, der mittelbaren Bundesverwaltung zuzuordnenden Angelegenheiten [durch] die Unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern entschieden werden“. In vielen Materiengesetzen ist der UVS als Berufungsbehörde eingesetzt worden – in der Regel an Stelle des Landeshauptmannes.

Offensichtlich als Kompromisslösung wurde dem UVS jedoch nicht für jede Berufungsentscheidung eine vollumfängliche reformatorische Entscheidungskompetenz zugestanden. Zwar normiert § 67h AVG, dass der UVS primär – wie jede andere Berufungsbehörde auch – in der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG zu entscheiden hat. Als Ausnahme sieht § 67h Abs. 2 AVG aber vor, dass der UVS auf eine bloß kassatorische Entscheidungskompetenz beschränkt ist, wenn die belangte Behörde bei Vorlage der Berufung einer reformatorischen Entscheidung widerspricht. Für diesen Fall kommt dem UVS nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zu, die eine eigenständige Ermessensübung ausschließt.

 

Mit der in der Praxis nicht leicht handhabbaren Widerspruchsregelung des § 67h AVG wird dem primären Ziel des Verwaltungsreformgesetzes 2001: entscheidende Vereinfachung der Verwaltungsabläufe, (noch) nicht voll entsprochen. (So das Resümee von Leitl-Mayrhofer in ihrem Beitrag „§ 67h AVG verfassungskonform?“ in ZfV 2003, S 423 ff)

 

Nach dieser Zwischenbilanz bereits erfolgter gesetzlicher Verwaltungsreformen wende ich mich Reformpotenzialen im Zuständigkeitsspektrum der Statutarstädte zu. Dazu beziehe ich mich auf Überlegungen, die ich Mitte September in Eisenstadt im Rahmen einer der Zukunft der Bezirksverwaltung gewidmeten Tagung bereits vertreten habe.

 

An sich liegt unserem Gemeindeverfassungsrecht das Konzept der abstrakten Einheitsgemeinde zu Grunde. Einheitliche Kompetenzen und einheitliches Organisationsrecht machen aber nur bei annähernd vergleichbaren Funktions- und Wirtschaftsstrukturen sowie Gemeindegrößen Sinn. Die speziellen Funktionserwartungen an „regionale Zentren“, an „Kernstädte“ in Ballungsräumen rechtfertigen eine organisationsrechtliche Ungleichbehandlung, ein Abgehen vom Konzept der Einheitsgemeinde. In der Organisationsform „Statutarstadt“ besteht dazu de constitutione lata ein Weg, dieser Differenziertheit mit unterschiedlicher Aufgaben- und Organisationsstruktur zu entsprechen.

 

Dazu die Festlegung des Bundesverfassungsgesetzgebers: „Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen.“ (Art. 116 Abs. 3 letzter Satz B-VG)

 

Aus dieser Formulierung könnte man wortinterpretierend ableiten, dass Statutarstädte somit für ihr Gebiet jene im wesentlichen behördlichen Zuständigkeiten wahrzunehmen hätten, über die die Bezirkshauptmannschaften des betreffenden Bundeslandes verfügen. Dem ist allerdings nicht so! Mit Ausnahme der Statutarstädte Krems und Waidhofen/Ybbs bestehen nämlich für die Territorien aller Statutarstädte Bundespolizeidirektionen (für Rust über die örtliche Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Eisenstadt, auf die Bundespolizeidirektionen Leoben und Schwechat möchte ich nur hinweisen – sie bestehen in so zu sagen „normalen Kommunen“ ohne eigenes Statut). Und die Zuständigkeiten der Bundespolizeidirektionen umfassen nicht nur Sicherheitsverwaltung im engeren Sinn, also „öffentliche Sicherheitsverwaltung“ im Sinne von Art. 78a B-VG. Sie umfassen auch Vollziehungsaufgaben, die im Nahbereich dieser Kernkompetenz der Sicherheitsbehörden des Bundes stehen. (Siehe dazu vertiefend A. Hauer in: Sicherheit und Recht, Nr. 12/2001)

 

Daraus resultieren bei der Mehrzahl der Statutarstädte unterschiedliche Bezirksverwaltungs-Zuständigkeiten im Vergleich zu den Bezirkshauptmannschaften. Und in dieser Divergenz besteht ein Entwicklungspotenzial, das bei der anstehenden Reform des Behördenaufbaus in unserem Staat genutzt werden könnte, ja genutzt werden sollte!

 

Historischer Hintergrund am Beispiel Linz

 

Aus einer stadthistorischen Analyse ergibt sich, dass es in Linz zuletzt 1866 bis 1927 eine „polizeidirektionslose Phase“ gegeben hat.

 

1927 wurde die städtische Polizei- und Sicherheitsverwaltung letztmals aufgelassen – ihre Agenden wurden im Wesentlichen von der neu errichteten Polizeidirektion Linz übernommen. Diese letzte Zäsur erfolgte in einer politischen Situation, die in jenem Jahr mit den „Schüssen von Schattendorf“ und den zahlreichen Toten und Verletzten der Demonstrationen rund um den Brand des Justizpalastes in Wien kulminierte; und diese Situation muss Ihrerseits im größeren Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im Österreich der 20-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gesehen werden.

 

Daraus wird deutlich: Die überkommene Funktionsteilung zwischen (Statutar-)Städten und Bundespolizeidirektionen im Bereich der Bezirksverwaltung steht in der Tat zur Disposition, und zwar nicht nur hinsichtlich jener Vollziehungsaufgaben, die nicht „öffentliche Sicherheitsverwaltung“ im Sinne von Art. 78a B-VG sind! Bei dieser Disposition sind freilich die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und Schranken zu beachten. Zu nennen sind vor allem das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes und das Verfassungsgebot der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwaltung – hier konkret: der Verwaltungsorganisation. (So bereits A. Hauer, a.a.O.)

 

Die aktuelle Situation

 

Es dauerte bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts, bis mit der Nutzung dieses Veränderungspotenzials begonnen wurde. Letzte Anstöße lieferte wohl die im Jahr 2000 von der damaligen Bundesregierung einberufene „Aufgabenreform-Kommission“. In deren Abschlussbericht wird u.a. die Herausnahme der „Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung“ aus dem Zuständigkeitsbereich der Bezirksverwaltungsbehörden in jenen vierzehn Orten, an denen Bundespolizeidirektionen eingerichtet sind, als „verwaltungsfunktionell unzweckmäßig“ qualifiziert. (Siehe Bericht der Aufgabenreformkommission, Wien 2001, S 100.) Besonders deutlich werde die bestehende Kompetenzparallelität angesichts des Ineinandergreifens von Fremdenrecht (Bundespolizeidirektionen) und Aufenthaltsrecht (BH bzw. Statutarstädte).

Die Aufgabenreform-Kommission empfahl, die Bundespolizeidirektionen als Sonderbehörden aufzulösen und die Materien der Sicherheitsverwaltung in die Zuständigkeit der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zu übertragen. An dieser Stelle ist übrigens darauf hinzuweisen, dass es dafür bereits funktionierende Beispiele gibt: In den Statutarstädten Krems und Waidhofen a.d. Ybbs sind keine Bundespolizeidirektionen eingerichtet, so dass deren Sicherheitsverwaltungs-Agenden einschließlich der Kernkompetenz „öffentliche Sicherheitsverwaltung“ im Rahmen der Stadtverwaltung wahrgenommen werden.

 

Die Empfehlungen der Aufgabenreform-Kommission die bestehenden Sicherheitsbehörden des Bundes betreffend werden wohl beim „Österreich-Konvent“ behandelt werden, weil ihre Umsetzung die Änderung von Bundesverfassungsrecht voraussetzt.

 

In Betracht zu ziehen sind:

Art. 15 Abs. 3 (Angabe einer Mindestkompetenz „wenigstens die Überwachung der Veranstaltungen ... und die Mitwirkung in erster Instanz bei Verleihung von Berechtigungen nach den Landesgesetzen betreffend das Theater- und Kinowesen sowie die öffentliche Schaustellungen, Darbietungen und Belustigungen“);

Art. 15 Abs. 4 (Verweis auf übereinstimmende Bundes- und Landesgesetze betreffend die Vollziehung auf dem Gebiete der Straßenpolizei sowie der Strom- und Schifffahrtspolizei auf Binnengewässern);

Art. 78a für die „öffentliche Sicherheitsverwaltung“ als implizite Konsequenz der Festlegung der Struktur der Sicherheitsbehörden des Bundes – ich schließe mich diesbezüglich jenen Verfassungsinterpreten an, die die Auffassung vertreten, dass dem Verfassungsgesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, dass er mit Art. 78a, b und c nicht nur die Sicherheitsbehörden-Struktur und nicht auch eine Kernkompetenz vorsehen wollte (in diesem Sinne etwa A. Hauer, a.a.O. mit Hinweis auf § 2 Abs. 2 iVm § 3 Sicherheitspolizeigesetz).

 

Die Umsetzung der zit. Vorschläge der Aufgabenreform-Kommission verlangte die weitestgehende Eliminierung dieser bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben.

 

Weniger schwierig gestalteten sich Übertragungen bloß jener Zuständigkeiten der Bundespolizeidirektionen auf die Statutarstädte, die nicht „öffentliche Sicherheitsverwaltung“ im eigentlichen Sinn sind (siehe dazu § 2 Abs. 2 iVm § 3 Sicherheitspolizeigesetz) bzw. die nicht bundesverfassungsgesetzlich bei den Bundespolizeidirektionen verankert sind (siehe Art. 15 Abs. 3 und 4 B-VG). Es obliegt dem jeweils zuständigen Materiengesetzgeber, als verwaltungsfunktionell unzweckmäßig erkannte Zuständigkeiten aus dem sachlichen Wirkungsbereich der Bundespolizeidirektionen wieder heraus zu nehmen.

 

Die Statutarstädte Krems und Waidhofen a.d. Ybbs könnten auch dabei als Zielvorgabe herangezogen werden. Für die übrigen Statutarstädte und – interessanter Weise – auch für Schwechat und Leoben sind erste Schritte in diese Richtung gesetzt worden:

Seit 1. März 2002 sind die Statutarstädte wieder für das Meldewesen zuständig, seit 1. Februar 2003 auch in Angelegenheiten der Pässe und Personalausweise sowie für das Fundwesen.

 

Die Ergebnisse sprechen für sich, belegen, dass die Richtung stimmt. Nach meinem Informationsstand kann ich in Anspruch nehmen, dass die Bürgerinnen und Bürger sowie all jene, die Leistungen in Meldeangelegenheiten, Passangelegenheiten und bezüglich verlorener Gegenstände in Anspruch nehmen, nun erheblich besser serviciert werden als zuvor. Einerseits, weil elektronische Datenverarbeitung in den Bundespolizeidirektionen für die genannten Angelegenheiten im Wesentlichen nicht genutzt wurde. Andererseits, weil nun Öffnungszeiten angeboten werden – etwa in Linz –, die jene der Bundespolizeidirektion Linz um bis zu 100 Prozent übersteigen (ausgenommen die Abgabe von Fundgegenständen, die früher in den Polizeiwachzimmern möglich war).

 

Einige Kennzahlen dazu:

Wir hatten im Jahr 2002 in unserem zentralen Bürgerservice-Center mehr als 100.000 Kundenkontakte – bei rund einem Viertel davon ging es um Melde-Angelegenheiten; im Back-Office fielen zusätzlich mehr als 50.000 Aktivitäten in Meldeangelegenheiten an (dabei ist zu bedenken, dass die Zuständigkeit erst am 1. März 2002 begann). Im Jahr 2003 sind im Service-Center seit 1. Februar bis Stichtag 31. Juli rund 6.700 Reisepässe und Personalausweise ausgestellt worden, woraus derzeit die Jahreskennzahl 11.000 hochgerechnet wird.

 

Doch nicht nur die Bürgerinnen und Bürger sind Gewinner der bereits erfolgten Zuständigkeitstransfers. Gewinner ist auch der Bund, das Innenministerium, das sich aufwändige eDV-Installationen, Hardware-Beschaffungen und Software-Entwicklungen sowie jenes Verwaltungspersonal erspart hat, das bisher für die Abwicklung der Meldeangelegenheiten, der Pass- und Personalsausweis-Angelegenheiten sowie des Fundwesens eingesetzt war.

Und Gewinner ist auch die Verwaltungsökonomie als solche. In den Statutarstädten wird zum Teil erheblich weniger zusätzliches Personal eingesetzt als zuvor bei den Bundespolizeidirektionen für die betreffenden Leistungen tätig war.

 

So gesehen ist die neue Aufgabenverteilung im Sinne einer „Win-Win-Situation“ ausgestaltet worden. Ein ganz erheblicher Kritikpunkt ist allerdings doch zu nennen:

Die finanziellen Begleitregelungen sind bei den bisher erfolgten Zuständigkeitsverlagerungen von den Bundespolizeidirektionen auf die (Statutar-)Städte nicht adäquat gestaltet worden. Neue Verwaltungsleistungen erfordern zusätzliche Finanzmittel – für Facilities, für eDV-Hard- u. Software, für Personal – auch bei wirtschaftlicher Gestion.

 

Aus der Sicht der (Statutar-)Städte ist daher nach wie vor und pro futuro die angemessene Berücksichtigung des Mehraufwandes für neu übertragene Aufgaben bzw. Leistungen zu fordern. Auch dieser Aspekt sollte vom Österreich-Konvent mit behandelt werden.

 

Dabei geht es nicht um Peanuts!

 

(Aus dem Jahrestätigkeitsbericht 2002 der Bundespolizeidirektion Linz ergibt sich, dass für die verwaltungspolizeilichen Zuständigkeiten und die sonstige Sicherheitsverwaltung an die 60 MitarbeiterInnen eingesetzt waren. Dazu die markantesten Leistungskennzahlen:

Mehr als 45.000 ordentliche Strafverfahren wurden bearbeitet (davon mehr als 90 % Verkehrsdelikte), rund 5.300 Führerscheine wurden ausgestellt bzw. rund 1.300 entzogen, nahezu 8.000 Lenkerprüfungen wurden abgenommen, rund 3.000 Aufenthaltstitel wurden erteilt.)

 

Schon aus den markantesten Leistungskennzahlen der Bundespolizeidirektion Linz betreffend ihre verwaltungspolizeilichen Zuständigkeiten und die sonstige Sicherheitsverwaltung ergibt sich somit: Die Stadtverwaltung muss mit rund € 2 Mio. zusätzlichen Personalkosten und mit einem zusätzlichen Flächenbedarf von 700 bis 1.000 m² rechnen.

 

Die Bereitschaft zur Erweiterung und Verbesserung des Leistungsangebotes für die Bürgerinnen und Bürger auch im Bereich der Bezirksverwaltung der Statutarstädte besteht bei den dort Verantwortlichen weitestgehend. Sie ist aber mit dem Vorbehalt angemessener Berücksichtigung des dadurch bedingten Mehraufwandes in den Magistraten verknüpft.

 

Die Erfüllung dieser Forderung vorausgesetzt sollte es wieder Ziel sein, auch eine künftige allumfassende Bezirksverwaltung durch die Statutarstädte zu einer „Win-Win-Situation“ zu gestalten. Damit würde zudem dem eingangs zitierten bundesverfassungsrechtlichen Programm für die Statutarstädte vollends entsprochen – nicht nur formal, sondern auch inhaltlich.

 

Lassen Sie mich abschließend noch einige Bemerkungen zu verfassungsrechtlichen Änderungspotenzialen die Gemeindeverwaltung betreffend machen.

 

Die bereits zitierte Aufgabenreform-Kommission wollte sich explizit nicht mit der Zusammenlegung von Organisationseinheiten auseinandersetzen; es sei denn, es galt Doppel- bzw. Mehrfachzuständigkeiten zu eliminieren. Gleichwohl verweist sie in ihrem Abschlussbericht 2001 darauf, dass im Sinne der Verbesserung der Qualität kommunaler Entscheidungen die Möglichkeit der Zusammenlegung von Kleingemeinden in Erwägung gezogen werden sollte.

 

Nach den Erfahrungen aus den vergangen Jahrzehnten scheinen realisierbarer als Gemeindezusammenlegungen interkommunale Kooperationen. Zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches können sich Gemeinden bereits de constitutione lata zu Gemeindeverbänden zusammenschließen oder ein solcher Zusammenschluss von der zuständigen Gesetzgebung vorgesehen werden (Art. 116a Abs. 1 und 2 B-VG). Zur Förderung der Zusammenarbeit vor allem kleinerer Gemeinden könnte darüber hinaus etwa Art. 117 Abs. 7 B-VG wie folgt adaptiert werden: Die Geschäfte der Gemeinde können nicht nur durch das jeweilige Gemeindeamt (Stadtamt), sondern auch durch eine gemeinsame Verwaltungsorganisation mehrerer Gemeinden (gemeinsames Gemeindeamt) oder durch das Gemeindeamt einer anderen Gemeinde (jedoch im Namen der zuständigen Gemeinde) besorgt werden; eine derartige Zusammenarbeitsvereinbarung von Gemeinden könnte an die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden.

 

Regelungen wie etwa § 13 Oö. GemO 1990, die zur Besorgung der Geschäfte der Gemeinden in gemeinschaftlicher Geschäftsführung die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften vorsehen, wären so verfassungsrechtlich abgesichert bzw. insinuiert.

 

In Anlehnung an bereits seit Jahren vertretene Vorschläge (nicht erst seitens der Verwaltungsreform-Kommission, sondern schon zuvor seitens des Österreichischen Städtebundes vor allem gegenüber einzelnen Landesgesetzgebungen) möchte ich abschließend einmal mehr das in Art. 119a Abs. 5 B-VG vorgesehene außerordentliche Rechtsmittel der Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde zur Diskussion stellen. In Betracht kommt die ersatzlose Streichung des Art. 119 Abs. 5 als Ganzes oder die Novellierung dessen letzten Satzes wie folgt:

Statt der Ermächtigung der zuständigen Gesetzgebung, für Städte mit eigenem Statut die Vorstellung auszuschließen, könnten zumindest Statutarstädte generell bereits bundesverfassungsgesetzlich ausgenommen werden.

 

Für den Entfall des Rechtsmittels Vorstellung sprechen unter anderem

 

Dazu ist aus der Praxis des Magistrates der Stadt Linz zudem anzumerken.  In den Jahren 2001 und 2002 haben jeweils rund 80 % der Entscheidungen der Vorstellungsbehörde (88 von 115) die letztinstanzliche Entscheidung der Stadt vollinhaltlich bestätigt, gegen ein Viertel der übrigen Entscheidungen der Vorstellungsbehörde hat die Stadt Beschwerde beim VwGH erhoben.

 

Aus meiner Sicht stehen der Reform der behördlichen Abläufe bzw. der Leistungsprozesse essentiell keine verfassungsrechtlichen Hindernisse entgegen.

Zur Illustration das Schaubild, das wir im Magistrat Linz für dieses Aktionsfeld verwenden

 

Diese Feststellung gilt auch für die alternativen Organisationsformen, in denen kommunale Leistungen produziert bzw. angeboten werden können.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

 

S:\MDion\PRA-SCHREIBSTELLE\VerwReform und Bundesverf_Zusammenfassung.doc