16. März 2004

E n t w u r f

 

Bericht des Ausschusses 9

Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit

 

 

B. Besonderer Teil

 

 

Zu Punkt IV): Verwaltungsgerichtsbarkeit (in den Ländern)

 

Gemeinsamer Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner

für die verfassungsrechtliche Verankerung

der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz,

insbesondere für neue (nach dem derzeitigen System) Art 129 bis 136 B-VG

(aufgrund eines von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter überarbeiteten Entwurfs des BKA/VD)

 

Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl I Nr XXX/2004, wird wie folgt geändert:

 

1. In Art 10 Abs 1 Z 6 wird nach dem Ausdruck „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ der Ausdruck „, ausgenommen Angelegenheiten der Verwaltungsgerichte der Länder“ eingefügt.

 

2. In Art 11 Abs 1  wird folgende Z 8 angefügt:

„8. Verfahren der Verwaltungsgerichte.“

 

3. In Art 81a Abs 4 wird der letzte Satz aufgehoben.

 

4. Art 82 Abs 1 lautet:

„(1) Alle Gerichtsbarkeit geht, soweit bundesverfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, vom Bund aus.“

 

5. Art 89 lautet:

„Artikel 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Wiederverlautbarungen, Gesetze und Staatsverträge steht, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt ist, den Gerichten nicht zu.

(2) Hat ein Gericht gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Hat ein Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

(3) Ist die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichts an den Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren, dass die Rechtsvorschrift gesetzwidrig oder verfassungswidrig war.

(4) Abs 2 erster Satz und Abs 3 gelten für Wiederverlautbarungen, Abs 2 und Abs 3 nach Maßgabe des Art 140a für Staatsverträge sinngemäß.

(5) Welche Wirkungen der Antrag des Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren hat, wird durch Bundesgesetz geregelt.“

 

6. In Art 118 Abs 4 entfallen die Wendungen „– vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 119a Absatz 5 –“ und „außerhalb der Gemeinde“.

 

7. Art 119a Abs 5 entfällt.

 

8. In Art 119a Abs 9 wird der Ausdruck „vor dem Verwaltungsgerichtshof (Artikel 131 und 132)“ durch den Ausdruck „vor den Verwaltungsgerichten (Artikel 131 und 132), vor dem Verwaltungsgerichtshof (Artikel 133)“ ersetzt.

 

9. An die Stelle der Absatzbezeichnungen „(6)“ bis „(10)“ in Art 119a treten die Absatzbezeichnungen „(5)“ bis „(9)“.

 

10. Vor Art 129 wird die Überschrift „A. Verwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshof“ eingefügt.

 

11. Art 129 lautet:

Artikel 129. (1) Zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung sind die Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsgerichtshof berufen. Der Verwaltungsgerichtshof hat seinen Sitz in Wien.

(2) In jedem Land ist ein Verwaltungsgericht des Landes einzurichten. Darüber hinaus können die Länder für die Angelegenheiten des Bauwesens und die Angelegenheiten des Abgabenwesens sowie für sonstige Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde besondere Verwaltungsgerichte einrichten.

(3) Zur Entscheidung in verfassungsgesetzlich zu bestimmenden Angelegenheiten des Art 10 Abs 1 B-VG sind Verwaltungsgerichte des Bundes erster Instanz einzurichten.“

 

12. Die Überschriften vor Art 129a, vor Art 129c und vor Art 130 sowie die Art 129a bis 129c werden aufgehoben.

 

13. Art 130 lautet:

Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1.   gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit;

2.   gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit;

3.   wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden;

4.   in sonstigen Angelegenheiten, die den Verwaltungsgerichten durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden. Den Verwaltungsgerichten der Länder dürfen Angelegenheiten durch Bundesgesetz nur mit Zustimmung der Länder zugewiesen werden.

(2) Rechtswidrigkeit liegt nicht vor, soweit die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überlässt, die Behörde aber von diesem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

(3) In den Angelegenheiten des Abs 1 Z 1 – ausgenommen in Angelegenheiten  des Art 131 Abs 1 Z 1 – hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Rechtsfrage geklärt ist und der Sachverhalt entweder feststeht oder vom Verwaltungsgericht – insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – festgestellt werden kann, soweit anzunehmen ist, dass dies im Interesse der Beschleunigung der Erledigung oder einer erheblichen Kosteneinsparung gelegen ist. In den Angelegenheiten des Art 131 Abs 1 Z 1 hat das Verwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden.

 

 

14. Art 131 lautet:

„Artikel 131. (1) Die Verwaltungsgerichte der Länder erkennen nach Maßgabe des Art 130:

1.   in allen Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen;

2.   über alle Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden;

3.   in allen übrigen Angelegenheiten, ausgenommen jenen, in denen nach Abs 2 die Verwaltungsgerichte des Bundes erster Instanz zuständig sind.

(2) Die Verwaltungsgerichte des Bundes erster Instanz erkennen nach Maßgabe des Art 130 und des Abs 1 Z 3:

1.      in Angelegenheiten des Art 10 Abs 1 Z 3 und 7 mit Ausnahme der Personenstandsangelegenheiten sowie in Angelegenheiten des Pressewesens und des Patentwesens;

2.      in Angelegenheiten der Abgaben- und Finanzstrafsachen des Bundes;

3.   in Angelegenheiten, die in erster Instanz in die Zuständigkeit der Bundesregierung, eines Bundesministers oder einer anderen Bundesbehörde mit örtlicher Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet fallen und die Akte der Vollziehung betreffen, die für das gesamte Bundesgebiet oder für mehrere Länder wirksam werden;

4.   über Beschwerden gegen einvernehmliche Bescheide der zuständigen Landesbehörden und Bescheide eines Bundesministers nach Art 15 Abs 7.

(3) Durch Landesverfassungsgesetz kann für einzelne Angelegenheiten des Abs 2 Z 1 das Verwaltungsgericht des Landes für den Bereich eines Landes zuständig gemacht werden. Ein solches Landesverfassungsgesetz bedarf der Zustimmung der Bundesregierung (Art 97      Abs 2).“

 

15. Art 132 lautet:

„Artikel 132. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

1.   wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet nach Erschöpfung des Instanzenzugs;

2.   der zuständige Bundesminister in den Angelegenheiten der Art 11, 12, 14 Abs 2 und 3 und 14a Abs 3 und 4 sowie in jenen Angelegenheiten, in denen dem Bescheid eines Landes- oder Bezirksschulrats ein kollegialer Beschluss zugrunde liegt, soweit die Parteien den Beschluss nicht mehr anfechten können;

3.   die Landesregierung gegen Bescheide des zuständigen Bundesministers in den Angelegenheiten des Art 15 Abs 5 erster Satz und des Art 15 Abs 7;

4.   in weiteren Fällen nach Maßgabe der die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze wer unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen dazu berechtigt ist.

(2) Gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit kann Beschwerde erheben, wer behauptet, durch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer als Partei im Verwaltungsverfahren zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Verwaltungsstrafsachen kann gesetzlich ausgeschlossen werden.“

 

16. Art 133 lautet:

Artikel 133. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt kassatorisch über:

1.   Revisionen gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nach Maßgabe des

      Abs 3 wegen Rechtswidrigkeit;

2.   Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision wegen Rechtswidrigkeit;

3.   Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten oder zwischen einem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof.

(2) Von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs sind jene Angelegenheiten ausgeschlossen, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs gehören.

(3) Gegen die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts kann von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen Rechtswidrigkeit Revision eingelegt werden, wenn das Verwaltungsgericht oder nach Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Verwaltungsgerichtshof die Revision zugelassen hat. Mit der Beschwerde ist zugleich die Revision auszuführen. Die zuständige Landesregierung in Angelegenheiten der Landesverwaltung und der zuständige Bundesminister in Angelegenheiten der Bundesverwaltung können unter diesen Bedingungen auch dann Revision einlegen, wenn sie nicht Parteien sind.

(4) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.   die angefochtene Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird, oder wenn

2.   im Fall einer Verwaltungsstrafsache die Begehung der Verwaltungsübertretung nicht nur mit einer geringen Geldstrafe bedroht ist.

(5) Der Verwaltungsgerichtshof kann die Behandlung von Beschwerden und von Revisionen gemäß Abs 1 Z 1 ablehnen, wenn keine der Voraussetzungen des Abs 4 Z 1 oder 2 gegeben ist.“

 

17. Art 134 lautet:

„Artikel 134. (1) Die Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsgerichtshof bestehen aus je einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern (Senatspräsidenten und Richtern).

(2) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung. Die Bundesregierung erstattet ihre Vorschläge, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, auf Grund von Dreiervorschlägen der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofs. Die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs müssen die rechtswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens zehn Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien erforderlich ist. Wenigstens der dritte Teil der Mitglieder muss die Befähigung zum Richteramt haben, wenigstens der vierte Teil soll aus Berufsstellungen in den Ländern, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder entnommen werden.

(3) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder der Verwaltungsgerichte des Bundes erster Instanz ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung. Die Bundesregierung erstattet ihre Vorschläge, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, auf Grund von Dreiervorschlägen des jeweiligen Verwaltungsgerichts des Bundes . Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte des Bundes müssen die rechtswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens fünf Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien erforderlich ist. Wenigstens der vierte (fünfte?) Teil der Mitglieder soll aus Berufsstellungen der Länder, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder entnommen werden.

(4) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichts eines Landes ernennt die Landesregierung. Die Ernennung erfolgt, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, auf Grund von Dreiervorschlägen des Verwaltungsgerichts des Landes. Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte müssen die rechtswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens fünf Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien erforderlich ist. Wenigstens der vierte (fünfte?) Teil der Mitglieder soll aus Berufsstellungen im Bund, womöglich aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit entnommen werden.

(5) Den Verwaltungsgerichten und dem Verwaltungsgerichtshof können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines allgemeinen Vertretungskörpers nicht angehören; für Mitglieder der allgemeinen Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort.

(6) Zum Präsidenten oder Vizepräsidenten eines Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs kann nicht bestellt werden, wer eine der in Abs 5 bezeichneten Funktionen in den letzten vier Jahren bekleidet hat.

(7) Alle Mitglieder der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs sind berufsmäßig angestellte Richter. Die Bestimmungen des Artikels 87 Abs 1 und 2 und des Artikels 88 Abs 2 finden auf sie Anwendung. Am 31. Dezember des Jahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, treten die Mitglieder der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs kraft Gesetzes in den dauernden Ruhestand.“

 

18. Art 135 lautet:

„Artikel 135. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in Senaten. Die Verwaltungsgerichte erkennen durch Einzelmitglieder, soweit nicht das auf Grundlage des Art 136 Abs 1 oder   Abs 2 ergangene Gesetz die Entscheidung in Senaten vorsieht. Die Senate sind von der Vollversammlung aus den Mitgliedern des Gerichts zu bilden.

(2) Die Geschäfte des Verwaltungsgerichtshofs sind durch die Vollversammlung, jene der Verwaltungsgerichte nach Maßgabe gesetzlicher Regelung auch durch ein anderes von ihr gewähltes Organ auf die einzelnen Senate oder auf die einzelnen Mitglieder für die durch Gesetz bestimmte Zeit im voraus zu verteilen.

(3) Eine nach dieser Einteilung einem Mitglied zufallende Sache darf diesem nur durch das nach Abs 2 zuständige Organ und nur im Falle seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn es wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.

 

19. Art 136 lautet:

„Artikel 136. (1) Die näheren Bestimmungen über Einrichtung und Aufgabenkreis der Verwaltungsgerichte des Bundes und des Verwaltungsgerichtshofs werden durch ein besonderes Bundesgesetz geregelt.

(2) Die näheren Bestimmungen über Einrichtung und Aufgabenkreis der Verwaltungsgerichte der Länder sowie das Dienstrecht ihrer Mitglieder werden durch Landesgesetz geregelt.

[hinsichtlich Dienstrecht: eventuell Homogenitätsprinzip oder einheitliches Dienstrecht ?]

(3) Das Verfahren der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs wird durch ein besonderes Bundesgesetz geregelt.

(4) Die Vollversammlungen der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs beschließen auf Grund der nach den vorstehenden Absätzen erlassenen Gesetze Geschäftsordnungen, in denen Näheres über den Geschäftsgang und das Verfahren geregelt wird.“

 

20. Art 138 Abs 1 lit b lautet:

„b) zwischen den Verwaltungsgerichten oder zwischen dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und allen anderen Gerichten andererseits, insbesondere auch zwischen diesen Gerichten und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten;“

 

21. In Art 139 Abs 1 erster Satz entfallen die Worte „oder eines unabhängigen Verwaltungssenates“.

 

22. Art 140 Abs 1 erster Satz lautet:

„Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes auf Antrag eines Gerichts, sofern aber der Verfassungsgerichtshof ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen.“

 

[An dieser Stelle könnte – etwa in einem eigenen Art 140 Abs 1a – die Bestimmung über den Subsidiarantrag „geparkt“ werden, bis man sich über die endgültige legistische Einordnung im Klaren ist.]

 

23. Art 144 lautet:

„Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrig wiederverlautbarten Rechtsvorschrift, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

(2) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist. Die Ablehnung der Beschwerde ist unzulässig, wenn es sich um einen Fall handelt, der nach     Art 133 Abs 2 von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ausgeschlossen ist.

(3) Findet der Verfassungsgerichtshof, dass durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts ein Recht im Sinne des Abs 1 nicht verletzt wurde, so hat der Beschwerdeführer das Recht, innerhalb der hiefür gesetzlich bestimmten Frist beim Verwaltungsgerichtshof Revision oder im Fall der Nichtzulassung der Revision Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Dies gilt sinngemäß bei Beschlüssen nach Abs 2.“

 

24. Art 151 wird folgender Abs 28 angefügt:

[aus Zeitgründen noch nicht eingearbeitet]

 

Erläuterungen:

Zu Z 1 (Art 10 Abs 1 Z 6) und Z 2 (Art 11 Abs 1 Z 8)

Die Angelegenheiten der Verwaltungsgerichte der Länder sind im Hinblick auf Art 134 Abs 5 und Art 135 Abs 3 B-VG vom Kompetenztatbestand „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ auszunehmen. Die Organisation der Verwaltungsgerichte der Länder ist in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Sie umfasst neben der Regelung der Einrichtung auch die Festlegung des Aufgabenkreises der Verwaltungsgerichte der Länder im Rahmen der Bundesverfassung (vgl Art 136 Abs 3 B-VG). Dass das Dienstrecht der Richter der Verwaltungsgerichte der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist, ergibt sich aus Art 21 B-VG. Das Verfahrensrecht wird vom Bundesgesetzgeber geregelt, die Vollziehung (durch Verwaltungsgerichte der Länder als Landesorgane) fällt in den Vollzugsbereich der Länder. Die Organisation der Verwaltungsgerichte des Bundes sowie das Dienstrecht seiner Richter ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Für den Verwaltungsgerichtshof tritt keine Änderung ein.

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs sind grundsätzlich im Sechsten Hauptstück abschließend geregelt. Die allgemeine Kompetenzverteilung im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in zwei Fällen durchbrochen. Nach Art 130 Abs 1 Z 4 B-VG kann den Verwaltungsgerichten eine Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden in „sonstigen Angelegenheiten“ durch den Materiengesetzgeber zugewiesen werden. Gemäß Art 131 Abs 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht des Landes durch Landesverfassungsgesetz mit Zustimmung der Bundesregierung in bestimmten Angelegenheiten aus der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes erster Instanz zuständig gemacht werden.

 

Zu Z 3 (Art 81a Abs 4)

Wie bereits im Allgemeinen Teil (unter Punkt IV) 1) k)) näher ausgeführt, ist von dem in Art 81a Abs 4 letzter Satz B-VG verankerten Recht der Schulbehörde, gegen eine an sie gerichtete Weisung Beschwerde beim VwGH zu erheben, in den letzten Jahrzehnten fast nie Gebrauch gemacht worden; es handelt sich insoweit um mehr oder weniger „totes Recht“. Der dem entsprechend erstattete Vorschlag, diese Bestimmung ersatzlos aufzuheben, fand in der Arbeitsgruppe einhellige Zustimmung.

 

Zu Z 4 (Art 82 Abs 1)

Die Neufassung dieser Bestimmung trägt der Einführung von Verwaltungsgerichten der Länder Rechnung.

 

Zu Z 5 (Art 89)

Auch den [ordentlichen Gerichten erster Instanz (siehe Allgemeiner Teil, Punkt III) 1) letzter Absatz) und] Verwaltungsgerichten soll die Befugnis eingeräumt werden, rechtswidrige generelle Rechtsvorschriften beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Der Begriff des „Gerichts“ umfasst alle ordentlichen Gerichte sowie die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof. Diese Befugnis soll auch die Anfechtung von Wiederverlautbarungen erfassen. Aus dem geltenden Art 135 Abs 4 B-VG musste bisher der Schluss gezogen werden, dass Art 89 B-VG seit dem Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975 auf den Verwaltungsgerichtshof nur im Wege der Verweisung Anwendung findet. Dies entspricht nicht dem historischen Verständnis der Bundesverfassung, welches davon ausging, dass Art 89 des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 für alle Gerichte mit Ausnahme des Verfassungsgerichtshofs gilt (vgl Kelsen/Froehlich/Merkl, Bundesverfassung 1920 [1922], 181 ff). Anstatt eine weitere Verweisungsbestimmung für die Verwaltungsgerichte zu schaffen, soll Art 89 B-VG zur Gänze neu gefasst werden; dieser gilt künftig auch für die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof.

 

Zu Z 6 (Art 118 Abs 4), Z 7 (Art 119a Abs 5), Z 8 (Art 119a Abs 9) und Z 9 (Art 119a)

Der Entfall des Ausdrucks „außerhalb der Gemeinde“ in Art 118 Abs 4 B-VG (Z 6) bringt zum Ausdruck, dass hinkünftig auch im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde kein verwaltungsbehördlicher Instanzenzug mehr gegeben ist, sondern jeder Bescheid einer Gemeindebehörde direkt beim Verwaltungsgericht bzw in Ausnahmefällen beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann. Die Stellung des Gemeinderats als oberstes Organ im eigenen Wirkungsbereich wird dadurch nicht berührt.

Der Entfall der Vorstellung (Z 7) ist im Zusammenhang mit der Neuregelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu sehen. An die Stelle der Vorstellung tritt die Anfechtung des Bescheids eines Gemeindeorgans beim zuständigen Verwaltungsgericht.

In der Z 8 wird eine Anpassung an geänderte Zuständigkeiten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgenommen.

Z 9 enthält die durch den Entfall der Vorstellung bedingten Änderungen der Absatzbezeichnungen.

 

Zu Z 10 und Z 11 (Überschrift vor Art 129, Art 129)

Art 129 B-VG zählt in Anlehnung an die bisherige Regelung jene Gerichte auf, die zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gehören. Neben den Verwaltungsgerichten der Länder kann ein Verwaltungsgericht oder können mehrere Verwaltungsgerichte des Bundes  eingerichtet werden. Der Sitz des Gerichts wird nur für den Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit Art 5 B-VG verfassungsrechtlich festgelegt. Das bedeutet für die Verwaltungsgerichte des Bundes, dass sowohl eine dezentrale Sitzfestlegung als auch ein Verwaltungsgericht in Wien mit Außenstellen in den Ländern möglich ist. Durch den Begriff „Verwaltungsgerichte“ hat der Bund den erforderlichen Spielraum, besondere Verwaltungsgerichte etwa in Abgabensachen oder für Fälle, in denen bisher weisungsfreie Bundesbehörden tätig waren, einzurichten.

Abs 2 trägt dem Anliegen der Länder Rechnung, auf Sondersituationen, wie sie etwa historisch verfestigt in Wien bestehen, durch die Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte zu reagieren. Der Landesgesetzgeber wird ermächtigt, für bestimmte Angelegenheiten ein oder mehrere besondere Verwaltungsgerichte neben dem Verwaltungsgericht des Landes mit allgemeiner Zuständigkeit einzurichten. Es steht dem Landesgesetzgeber aber frei, diese Angelegenheiten in die Zuständigkeit des allgemein zuständigen Verwaltungsgerichts des Landes zu verweisen.

In terminologischer Hinsicht ist zur Überschrift zum Abschnitt A. und zu Art 129 B-VG zu bemerken, dass der Begriff des „Verwaltungsgerichts“ nur die Verwaltungsgerichte erster Instanz umfasst, wiewohl auch der Verwaltungsgerichtshof ein Verwaltungsgericht im funktionellen Sinn ist.

 

Zu Z 12 (Art 129a bis Art 129c)

Mit der Einrichtung der Verwaltungsgerichte werden die Unabhängigen Verwaltungssenate abgeschafft. Eigene Übergangsbestimmungen sollen ein klagloses Übergehen der Zuständigkeit auf die Verwaltungsgerichte sicherstellen (siehe Z 25 zum neuen Abs 28 des Art 151 B-VG).

 

Zu Z 13 (Art 130)

Abs 1 enthält eine taxative Aufzählung jener Beschwerden, über die zu entscheiden nunmehr die Verwaltungsgerichte zuständig sind; insoweit treten die Verwaltungsgerichte an die Stelle der bisherigen Berufungsbehörden, insbesondere der Unabhängigen Verwaltungssenate. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage beschränkt sich die Aufzählung auf die Beschwerdetatbestände, während die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Beschwerdeerhebung gesondert für jede Beschwerdeart in Art 132 B-VG geregelt sind. Gegenüber der bisherigen Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate enthält vor allem die Z 1 eine wesentliche Erweiterung, weil nunmehr gegen alle Bescheide der Verwaltungsbehörden nach Maßgabe des Art 130 Abs 4 und 132 Abs 1 B-VG Beschwerde erhoben werden kann. Der Tatbestand des Abs 1 Z 4 ist dennoch erforderlich, um in verfassungskonformer Weise Rechtsmittel an die Unabhängigen Verwaltungssenate, die sich weder gegen Bescheide noch gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt richten, als Beschwerden an die Verwaltungsgerichte beibehalten zu können (vgl zB § 88 Abs 2 SPG; Zuständigkeiten im Vergaberecht der Länder ‑ vgl VfGH 26.6.1997, G 270/96 ua).

Abs 2 entspricht der Regelung des geltenden Art 130 Abs 2 B-VG. Sie bezieht sich zwar nach dem systematischen Zusammenhang nur auf die Verwaltungsgerichte im engeren Sinn. In Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen gilt die Beschränkung des Art 130 Abs 2 B-VG im Hinblick auf die unbeschränkte reformatorische Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte (Abs 3) nicht. Diese sind daher selbst zur Ermessensausübung insbesondere bei der Festsetzung der Strafhöhe befugt.

Abs 3 regelt Grundzüge der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte in Verfahren über Bescheidbeschwerden. Die Neuregelung sieht – schon aus praktischen Erwägungen und um überflüssige Verfahrensverzögerungen zu vermeiden – grundsätzlich eine reformatorische Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte vor, wobei diese jedoch – nach Vorbild des geltenden § 66 Abs 2 AVG – auch die Möglichkeit zur kassatorischen Entscheidung haben sollten. Einzelheiten der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte, wie die Kontrollbefugnis in Rechts- und Tatsachenfragen, Fragen der Beweiswürdigung oder die Bindungswirkung der Entscheidungen, sind im Verfahrensgesetz für die Verwaltungsgerichte zu regeln (Z 19). Angesichts der Anforderungen des Art 6 EMRK wird eine volle Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte in Rechts- und in Sachverhaltsfragen vorzusehen sein. Für die Verfahren über Maßnahmebeschwerden und Säumnisbeschwerden erscheint eine verfassungsrechtliche Regelung der Entscheidungsbefugnis entbehrlich, da sie durch den Verfahrensgegenstand weitgehend vorgegeben ist. Für Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen gilt analog zur bisherigen Rechtslage für die Unabhängigen Verwaltungssenate abweichend, dass jedenfalls eine reformatorische Entscheidungsbefugnis besteht. Die Regelung der Entscheidungsbefugnis in Verfahren nach Abs 1 Z 4 obliegt dem einfachen Gesetzgeber, da sie auch in diesen Fällen vom Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abhängt.

 

Zu Z 14 (Art 131)

In Art 131 B-VG werden die Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte nach Materien umschrieben. Die Zuständigkeitsverteilung erfolgt unter folgenden Gesichtspunkten:

Gemäß Abs 1 ist das Verwaltungsgericht des Landes grundsätzlich allgemein zuständiges Verwaltungsgericht erster Instanz. Es ist jedenfalls im Umfang der bisherigen Kompetenzen der Unabhängigen Verwaltungssenate in allen Verfahren betreffend Verwaltungsübertretungen sowie zur Entscheidung über alle Beschwerden gegen Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zuständig. Im Übrigen sind die Verwaltungsgerichte der Länder zuständig, soweit Angelegenheiten nicht bundesverfassungsgesetzlich den Verwaltungsgerichten des Bundes erster Instanz zugewiesen sind.

Mit der Einführung eigener Verwaltungsgerichte des Bundes erster Instanz in Abs 2 wird ein Vorschlag auf der Basis des so genannten „9 + 1-Modells“ vorgeschlagen, wie es bereits dem Grunde nach im Initiativantrag Nr. 306/A, XIX. GP NR, vorgesehen war und durch die B-VG-Novelle BGBl I 1997/87 auf der Ebene der Unabhängigen Verwaltungssenate verwirklicht wurde. Abs 2 weist diesem Verwaltungsgericht – vorerst – im Wesentlichen die Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung sowie die Angelegenheiten des Presse- und des Patentwesens zu. Mit dieser Kompetenzzuweisung wird der mit der Einführung des Unabhängigen Bundesasylsenats im Jahr 1997 eingeschlagene Weg fortgesetzt. [Die genaue Kompetenzumschreibung hängt vom Ergebnis der Beratungen des Ausschusses 9 ab.]

Gleich den Unabhängigen Verwaltungssenaten sollen auch der Unabhängige Finanzsenat und dessen Verfahren demselben rechtsstaatlichen Standard angepasst werden. Sie sollen jedoch nicht in die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit eingegliedert werden (müssen), sondern durch ein besonderes Verwaltungsgericht (mit Außenstellen, entsprechend der Organisation des UFS) oder mehrere solcher Verwaltungsgerichte selbständig organisiert werden (können). Die Formulierung „Verwaltungsgerichte“ belässt dem einfachen Bundesgesetzgeber den erforderlichen Spielraum. Allenfalls wird man in den Übergangsbestimmungen darauf Bedacht zu nehmen haben, dass die Reform der Abgabenbehörden des Bundes erst kürzere Zeit zurückliegt und daher ein längerer Übergangszeitraum angemessen ist.

Die Z 3 und Z 4 des Abs 2 begründen eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes erster Instanz in Angelegenheiten, in denen die Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts eines Landes auf Schwierigkeiten stößt. Um zu verhindern, dass im Fall der Z 2 ein bestimmtes Verwaltungsgericht eines Landes (zB das Gericht jenes Landes, in dem die belangte Behörde ihren Sitz hat) zur Entscheidung über alle Akte berufen sein könnte, „die für das gesamte Bundesgebiet oder für mehrere Länder wirksam werden“, soll insoweit das Verwaltungsgericht des Bundes erster Instanz zuständig sein. Die zur Abgrenzung gewählte Formulierung ist einer entsprechenden Wendung im     Art 15 Abs 7 B-VG nachgebildet. Von ähnlichen Überlegungen mit Bezug auf einzelne Länder ist die Z 3 getragen.

Die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte im Bereich des Finanzstrafrechts folgt anderen Linien als die Abgrenzung der entsprechenden Zuständigkeiten der Unabhängigen Verwaltungssenate. Die „Finanzstrafsachen des Bundes“ umfassen – anders als der entsprechende Begriff im bisherigen Art 129a Abs 1 Z 1 und Z 2 B-VG – nur die Vollziehung finanzstrafrechtlicher Vorschriften des Bundes, nicht aber die Vollziehung landesgesetzlichen Finanzstrafrechts durch Finanzstrafbehörden des Bundes als Mitwirkung nach Art 97 Abs 2 B-VG.

 

Zu Z 15 (Art 132)

Art 132 B-VG enthält bestimmte grundlegende Voraussetzungen der Beschwerdelegitimation.

Abs 1 regelt die Beschwerdelegitimation für Bescheidbeschwerden. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem Inhalt des geltenden Art 131 Abs 1 und 2 B-VG. [Hinsichtlich der Z 2 wird auf die Ergebnisse der Ausschüsse 5 und 6 Bedacht zu nehmen sein.] Abweichend von der bisher herrschenden Rechtslage wird ein Beschwerderecht einer betroffenen Landesregierung auch für den Fall des Art 15 Abs 7 B-VG verfassungsrechtlich verankert.

Die Regelung des Abs 2 über die Beschwerdelegitimation bei Maßnahmebeschwerden entspricht dem geltenden Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG.

Abs 3 normiert die Legitimation zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde. Gegenüber dem geltenden Art 132 B-VG wurde die Regelung vereinfacht. Sein erster Satz entspricht dem bisher geltenden Recht. Der Wortlaut des zweiten Satzes des geltenden Art 132 B-VG hat in der Rechtsprechung zu erheblichen Unklarheiten und Divergenzen geführt (zum Begriff „Finanzstrafsachen“ vgl VwGH 22.3.1996, Zl 95/17/0450, einerseits und VwGH 27.3.1996, Zl 96/13/0005 andererseits; zum Umfang des Säumnisschutzes in „Verwaltungsstrafsachen“ vgl VwSlgNF 11682 A/1985 und VfSlg 13987/1994). Mit der vorgeschlagenen Bestimmung wird davon abgesehen, die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde im B-VG abschließend zu regeln.

 

Zu Z 16 (Art 133)

Nach Abs 1 soll der Verwaltungsgerichtshof – der vorgeschlagenen Neukonzeption der Verwaltungsgerichtsbarkeit entsprechend – zwar grundsätzlich als zweite gerichtliche Instanz in allen Angelegenheiten zuständig sein, die von den Verwaltungsgerichten entschieden werden. Er soll allerdings nur mehr als Revisionsgericht nach Zulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht tätig werden.

 

Kennzeichen eines Revisionsgerichts ist im allgemeinen die beschränkte Kognitionsbefugnis und eine Beschränkung der Zulässigkeit der Revision. Dabei sollte letztlich immer der VwGH selbst über die Zulässigkeit der Revision entscheiden können: Wenn also die Revision vom Verwaltungsgericht erster Instanz nicht zugelassen wurde und dagegen Beschwerde geführt wird, hat der VwGH nach dem neu eingefügten Abs 5 über diese Beschwerde zu entscheiden (er kann ihr stattgeben oder nicht). Wenn das Verwaltungsgericht erster Instanz hingegen die Revision zugelassen hat, so wird der VwGH – ebenfalls im neu eingefügten Abs 5 – ermächtigt, die Behandlung der Revision gemäß Abs 1 abzulehnen, wenn keine der Voraussetzungen des Abs 4 Z 1 oder 2 gegeben ist. Diese Konstruktion entspricht der bewährten Regelung der ZPO, die in § 508a Abs 1 ausdrücklich vorsieht, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision das Revisionsgericht (OGH) an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO (ob die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist oder nicht) nicht gebunden ist.

Die näheren Regelungen über die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs sind in dem nach Art 136 B-VG zu erlassenden Verfahrensgesetz zu regeln. Die Zulässigkeit der Revision wird durch die Abs 3 und 4 an die Zulassung durch das Verwaltungsgericht sowie an die im Abs 4 genannten Zulassungsgründe geknüpft. Für den Fall der Nichtzulassung ist ein Rechtsmittel (Nichtzulassungsbeschwerde) an den Verwaltungsgerichtshof vorgesehen. Im Hinblick auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der „reformatio in peius“ erscheint die Einräumung einer Revisionsberechtigung an die belangte Behörde nicht sinnvoll. Zur Wahrung des objektiven Rechts unabhängig von der Strafhöhe besteht ohnedies auch im Verwaltungsstrafrecht eine Revisionsbefugnis der Landesregierung bzw des Bundesministers.

Die Zulassungsgründe entsprechen im Wesentlichen den Gründen für die Ablehnung einer Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof nach dem geltenden Art 131 Abs 3 B-VG. Zu dieser Bestimmung wurde in der Literatur überwiegend die Meinung vertreten, dass sie mit den Anforderungen des Art 2 des 7. ZP zur EMRK in Konflikt stehe, weil dieser mit der Wendung „strafbare Handlungen geringfügiger Art“ auf die abstrakte Schwere des Delikts und daher auf die gesetzliche Strafdrohung abstelle (vgl zB Mayer, Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, in: Walter [Hrsg], Verfassungsänderungen 1988 [1989], 98 [102]). Um dieses Spannungsverhältnis zu entschärfen, stellt Abs 4 Z 2 nunmehr nicht auf die tatsächlich verhängte Geldstrafe, sondern auf die Strafdrohung ab.

Zu Abs 4 Z 1 wird bemerkt, dass bei der Frage, ob die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird, zu berücksichtigen ist, ob die Uneinheitlichkeit tatsächlich auf denselben Rechtsvorschriften oder bloß auf ähnlichen Vorschriften verschiedener Länder beruht.

 

 

Zu Z 17 (Art 134)

Die Regelung orientiert sich weitgehend am geltenden Art 134 B-VG.

In Abs 1 wird statt der Bezeichnung „Räte“ die zeitgemäßere Bezeichnung „Richter“ für die sonstigen Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs und der Verwaltungsgerichte gewählt.

Gemäß den Abs 2 bis 4 erfolgt die Ernennung der Richter der Verwaltungsgerichte der Länder durch die Landesregierung, jene der Richter des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts des Bundes erster Instanz durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung. Das Bestellungsverfahren für die Mitglieder der Verwaltungsgerichte entspricht im Übrigen im Wesentlichen jenem für die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs. Hinsichtlich der erforderlichen Berufserfahrung wird für die Mitglieder sämtlicher Verwaltungsgerichte zur Vermeidung von Schwierigkeiten der Rekrutierung von Richtern eine fünfjährige Berufserfahrung für ausreichend erachtet. Die Beteiligung von Berufsrichtern aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist – aufgrund der langjährigen positiven Erfahrungen beim VwGH –erwünscht und wird als Soll-Bestimmung – ohne nähere zahlenmäßige oder prozentuelle Konkretisierung (arg.: „womöglich“) – in die neue Verfassung aufgenommen, wobei als Vorbild Art 129b Abs 1 letzter Satz B-VG dient.

Die in den Abs 5 bis 7 enthaltenen Unvereinbarkeitsbestimmungen und die Regelungen über die Rechtsstellung der Mitglieder der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs entsprechen der geltenden Rechtslage für den Verwaltungsgerichtshof. Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte der Länder sind jedoch als „Bedienstete der Länder“ (Art 21 Abs 1 B-VG) Landesrichter.

 

Zu Z 18 (Art 135)

Die Abs 1 und 2 entsprechen von zwei Ausnahmen abgesehen dem geltenden Art 135 B-VG: Einerseits ist vorgesehen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich durch Einzelrichter entscheiden. Der Gesetzgeber, der zur Regelung der Einrichtung und des Aufgabenkreises des betreffenden Verwaltungsgerichts zuständig ist, soll jedoch abweichend davon für bestimmte Angelegenheiten die Entscheidung in Senaten vorsehen können. Andererseits soll anknüpfend an die bisherige Rechtslage für einzelne Unabhängige Verwaltungssenate statt der Vollversammlung des Verwaltungsgerichts ein von ihr gewähltes Organ zur Geschäftsverteilung berufen werden können.

Schon bisher war in Art 135 Abs 3 B-VG normiert, dass der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich in Senaten zu erkennen hat. Abweichend davon war jedoch in § 7 Abs 2 VwGG als Disziplinargericht die Vollversammlung des Gerichtshofs vorgesehen. Da einerseits an der Verfassungskonformität dieser Regelung Zweifel angemeldet wurden (vgl etwa Pichler, Personalsenat statt Vollversammlung?, Festschrift für Robert Walter [1991], 549 ff [555]) und andererseits die Vollversammlung als zu großer Spruchkörper erscheint, wird ein eigener Disziplinarsenat beim Verwaltungsgerichtshof vorgesehen .

Abs 3 wurde dem Art 87 Abs 3 B-VG angepasst und ermöglicht nunmehr die Abnahme von Sachen im Fall der unvorhergesehenen Überlastung eines Mitglieds.

Eine dem derzeit geltenden Art 135 Abs 4 B-VG korrespondierende Bestimmung konnte – aufgrund der nunmehr ausdrücklichen Regelung in Art 89 Abs 2 B-VG – entfallen.

 

Zu Z 19 (Art 136)

Art 136 B-VG weist dem Bund und den Ländern die Zuständigkeiten zur Regelung der näheren Bestimmungen über die Verwaltungsgerichte zu. Grundgedanke der Regelung ist, dass für alle Verwaltungsgerichte und für den Verwaltungsgerichtshof ein einheitliches Verfahrensgesetz des Bundes erlassen wird. In diesem Bundesgesetz sollen wesentliche Fragen, wie das Stattfinden und die Fälle des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung, die Frage des Neuerungsverbots, die Frage der Beschränkung der Verwaltungsgerichte auf Beschwerdepunkte etc., geregelt werden.

Neben diesem Verfahrensgesetz werden Bund und Länder eigene Gesetze über die Einrichtung und den Aufgabenkreis ihrer Verwaltungsgerichte zu erlassen haben. Wie bisher sollen diese gesetzlichen Regelungen durch Geschäftsordnungen der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs ergänzt werden. Für die Mitglieder der Verwaltungsgerichte der Länder werden die Länder schließlich eigene dienstrechtliche Regelungen zu erlassen haben.

 

Zu Z 20 (Art 138 Abs 1 lit b) und Z 21 (Art 139 Abs 1 erster Satz)

Diese Neuerungen betreffen Anpassungen, die durch den Übergang von den Unabhängigen Verwaltungssenaten zu den Verwaltungsgerichten erforderlich werden. Nach dem neu konzipierten Art 138 Abs 1 lit b) B-VG soll für Zuständigkeitskonflikte innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit im weitesten Sinne (also einerseits zwischen Verwaltungsgerichten untereinander und andererseits zwischen den Verwaltungsgerichten und dem Verwaltungsgerichtshof) in Zukunft der Verwaltungsgerichtshof entscheidungsbefugt sein.

 

Zu Z 22 (Art 140 Abs 1 erster Satz)

Diese Neuerung betrifft Anpassungen, die durch den Übergang von den Unabhängigen Verwaltungssenaten zu den Verwaltungsgerichten erforderlich werden.

[Einfügung des Entwurfs von Präsident Jabloner zum „Subsidiarantrag“]

 

Zu Z 23 (Art 144)

Die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und insbesondere die Einführung einer zweiten Instanz berührt notwendigerweise auch das Verhältnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfassungsgerichtsbarkeit. Nach dem vorliegenden Entwurf soll – mangels Konsenses über die Konzentration der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit beim VwGH – das bestehende System und mit ihm die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit weitgehend unangetastet bleiben.

 

Das bestehende System der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofs wirft das Problem auf, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vielfach noch kein Gericht entschieden hat, welches zur Vorlage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 177 EGV berechtigt und verpflichtet wäre, und auch der Verfassungsgerichtshof selbst gegebenenfalls keine Entscheidungssituation vorfindet, die ihn zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften berechtigen und verpflichten würde (vgl VfGH 26.6.1997, B 877/96). Nach dem vorliegenden Entwurf entscheidet vor einer allfälligen Anrufung des Verfassungsgerichtshofs immer ein Verwaltungsgericht.

 

Zu Z 24 (Art 151 Abs 28)

[aus Zeitgründen noch nicht eingearbeitet]

 

 

Zu Punkt VI) 1): Zur Erweiterung des Rechtsschutzes durch Beiräte und Rechtsschutzbeauftragte

 

Variante A.

Ursprünglicher Textvorschlag für die verfassungsrechtliche Verankerung

von Rechtsschutzbeauftragten im 7. Hauptstück des B-VG

 

Art XY lautet:

Artikel XY. Rechtsschutzbeauftragte, wie etwa jene nach der Strafprozessordnung, nach dem Sicherheitspolizeigesetz und nach dem Militärbefugnisgesetz, sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Sie unterliegen jedoch der Amtsverschwiegenheit.“

            Erläuterungen:

Wie bereits im Allgemeinen Teil des Berichts dargelegt, war man sich im Ausschuss der verfassungsrechtlichen Problematik bewusst, die darin besteht, dass die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsschutzbeauftragten nur einfachgesetzlich (in den §§ 149n Abs 4 Strafprozessordnung [StPO], 62a Abs 4 Sicherheitspolizeigesetz [SPG] und 57 Abs 3 Militärbefugnisgesetz [MBG]) garantiert sind, sodass das „Damoklesschwert“ der verfassungsgerichtlichen Kontrolle (und uU Aufhebung) ständig über ihnen schwebt.

            Schon aus dem jüngst ergangenen Erkenntnis des VfGH vom 23.1.2004, G 363/02-13, ergibt sich die Notwendigkeit, dass allein aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit die jetzt lediglich im einfachen Gesetzesrang stehenden, mehr oder weniger gleich lautenden Bestimmungen über die verschiedenen Rechtsschutzbeauftragten („Der Rechtsschutzbeauftragte ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Er unterliegt der Amtsverschwiegenheit.“) auf verfassungsrechtliche Ebene zu heben sind. In dem zitierten Erkenntnis hat der VfGH nämlich die Tätigkeit des Rechtsschutzbeauftragten nach dem MBG als „hoheitlich“ sowohl im materiellrechtlichen als auch im organisatorischen Sinn qualifiziert und einzelne Bestimmungen des MBG, darunter auch § 57 Abs 3 erster Satz MBG über den Rechtsschutzbeauftragten – mangels verfassungsrechtlicher Verankerung der Weisungsfreistellung bzw der Durchbrechung des in Art 20 Abs 1 B-VG angeordneten Weisungszusammenhangs – als verfassungswidrig aufgehoben.

Die anstehende Reform der Verfassung erscheint als ideale Gelegenheit und auch als richtiger Zeitpunkt für eine verfassungsrechtliche Absicherung der Rechtsschutzbeauftragten in Form einer unmittelbaren Anordnung im 7. Hauptstück des B-VG.

 

 

Variante B.

Textvorschlag Grabenwarter

 

Art XY lautet:

Artikel XY. Durch Gesetz können Rechtsschutzbeauftragte eingerichtet und mit besonderen Aufgaben des Grundrechtsschutzes betraut werden. Sie unterliegen der Amtsverschwiegenheit, sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden.“

            Erläuterungen:

            Die unmittelbare Anordnung im ursprünglichen Entwurf sollte durch eine generelle Ermächtigung des Gesetzgebers ersetzt werden. Der Verweis auf einzelne einfachgesetzliche Grundlagen sollte nicht im Gesetz, sondern allenfalls in den Erläuterungen stehen.

 

 

Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter/Präsident Univ.-Prof. Dr. Jabloner              16. März 2004