Von:
Brigitta.Kubik@bmj.gv.at im Auftrag von Roland.Miklau@bmj.gv.at
Gesendet:
Montag, 15. März 2004 09:58
An:
Schernthanner Gert, Dr.; Gsöllpointner Ulrike; Marinkovic Sladjana
Cc:
michael.schoen@bmj.gv.at; Christian.Pilnacek@bmj.gv.at
Betreff:
Österreich-Konvent; Entwurf des Berichtes des Ausschusses 9
Sehr
geehrte Damen und Herren,
lieber
Kollege Schernthanner!
Ich
darf mir erlauben, zum überarbeiteten Teil des Entwurfs des Berichts des
Ausschusses 9 nochmals wie folgt Stellung zu nehmen: Zunächst danke ich für das
Aufgreifen der Formulierung "justizielle Strafverfolgung" (statt:
"gerichtliche Strafverfolgung") bei der Funktionsgarantie der
Staatsanwaltschaft. Allerdings handelt es sich auch dabei noch um ein
kommentierungsbedürftiges Konstrukt. Der erwogene Zusatz "im gesetzlichen
Umfang" wäre mE sehr überlegenswert. Erstaunt bin ich aber doch über den
Schlusssatz des Abschnittes II)3)a). Diese offenbar tagespolitisch motivierte
"Keuschheit" des Konvents ist mir ehrlich gesagt nicht recht
verständlich. Der Sache nach geht es doch im Konvent nicht um eine
"Legitimierung" oder "Entlegitimierung" des nunmehr
beschlossenen, jedoch erst am 1.1.2008 in Kraft tretenden Strafprozessreformgesetzes
in seiner konkreten Form (dessen Begleitgesetze noch auszuarbeiten sein
werden), über dessen (gegenwärtige!) Verfassungsmäßigkeit allenfalls der VfGH
zu entscheiden haben wird. Aus meiner Sicht geht es vielmehr um
verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidungen für die Zukunft, nämlich um
die Stellung der
Staatsanwaltschaft (im Lichte der gesamteuropäischen
Rechtsentwicklung),
die "justizstaatliche
Einbindung" der Staatsanwaltschaft und mit ihr des
gesamten strafprozessualen
Ermittlungsverfahrens, die wohl richterlichen
Rechtsschutz bedingt (auch für
eigenständiges kriminalpolizeiliches
Handeln!),
die künftige Stellung der
Rechtsschutzbeauftragten im Verfassungsgefüge,
die Zukunft des
Verwaltungsstrafrechts (das sich nicht mehr in
gesamteuropäische Rechts- und
Kooperationsstrukturen einfügt).
Wer
sonst sollte hier klare konstitutionelle Leitlinien und Weichenstellungen
vornehmen bzw. anstoßen, wenn nicht der Österreich-Konvent?? Die Neigung der
Tagespolitik, Grundsatzentscheidungen dem VfGH zu überlassen, sollte doch
gerade im Österreich-Konvent nicht dupliziert werden. Den Protokollen ist zu
entnehmen, dass es etwa über die strafprozessualen Rollen von Gericht und
Staatsanwaltschaft nach wie vor Unklarheiten und Missverständnisse gibt. Auch
wird das zutreffende Argument des Rollenwandels der Staatsanwaltschaft aus
meiner Sicht offenbar überzogen dargestellt. Angesichts dieser erkennbaren
Unsicherheiten schiene es mir empfehlenswert, im Rahmen der weiteren Beratungen
des Ausschusses 9 zu diesen Fragen ein gesondertes Expertenhearing (mit
Strafrechtsprofessoren und anderen
Strafprozessexperten)
abzuhalten.
Mit
freundlichen Grüßen und besten Empfehlungen
Roland
Miklau