Terezija
STOISITS
15. März 2004
Anmerkung zum Protokoll der letzten Sitzung:
Seite 7 1. Absatz: „Es sollte stärker betont werden, dass im Ausschuss insoweit Konsens über
die Einführung des – eingeschränkten – Subsidiarantrages, soweit mit diesem
Rechtswidrigkeit genereller Normen geltend gemacht werden kann, erzielt worden
sei, als damit das gegenwärtige Rechtsschutzsystem verbessert werden
würde. Einige Mitglieder verwiesen aber auf die Vorteile einer weitergehenden
echten „Urteilsbeschwerde“.
Ad
Bericht Seite 8 oben, Zur Frage der Bindungswirkung der Dreiervorschläge der
richterlichen Personalsenate: „Vorgeschlagen wurde auch, dass der BMJ bei
seiner Auswahl jedenfalls
einer Begründungspflicht unterliegen sollte, um übergangenen BewerberInnen einen
effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.“
Grundsätzlich
treten wir die Einrichtung eines Justizrates ein. Dieser Vorschlag ist
im Ausschuss auf überwiegende Skepsis gestoßen. Zur Stärkung der unabhängigen
Justiz sollten die Dreier-Vorschläge der Personalsenate für den BMJ
(relativ) bindend sein, der RichterInnenschaft ein Mitspracherecht bei
der Auswahl und Übernahme von RiAAs eingeräumt und ein bundesweit
einheitliches Concours-Verfahren nach europäischem Muster eingeführt
werden.
Fragen
der Gerichtsorganisation sollten – so wie bisher – Gegenstand der
Justizpolitik sein und grundsätzlich einfachgesetzlich geregelt werden. Bei den
Ausführungen zum Grundsatz einer dreistufigen Gerichtsorganisation
sollte auch die Strafgerichtsbarkeit ausdrücklich angeführt werden. Ein
grundsätzlich dreistufiger Instanzenzug in der Strafgerichtsbarkeit würde zu
einer bundesweit einheitlicheren Rechtssprechung und zur Verringerung des
Ost-West-Gefälles in der Strafrechtspraxis wesentlich beitragen.
Die diskutierten Änderungen in der
Weisungshierarchie gegenüber der Staatsanwaltschaft würden den justiziellen
Charakter der Staatsanwaltschaft stärken. Ergänzend wäre aber auch eine
Stärkung der Unabhängigkeit in dienstrechtlichen Fragen zu diskutieren.
Genaralprokurator Dr. Walter Presslauer hat im
Hearing ausdrücklich auf die Möglichkeit einer verstärkten Transparenz von – im
wesentlichen nicht in Frage gestellten – staatsanwaltsinternen Weisungen
verwiesen. Mit Ausnahme der Anklageweisung sollten Weisungen innerhalb der
Staatsanwaltschaft grundsätzlich im Gerichtsakt aufscheinen, das heißt auch für
den Angeklagten einsehbar sein.
Zum Vorschlag einer „Urteilsbeschwerde“ bzw. eines
„Subsidiarantrages“ an den VfGH (Seite 17 BerEntw):
Ausdrücklich sei angemerkt, dass wir den
angeführten Leitgedanken der „Wahrung der Gleichrangigkeit der drei
Höchstgerichte nicht teilen. Wir treten für die Einführung einer
„Urteilsbeschwerde“, im Sinne der „Grundrechtsbeschwerde“ nach dem
Muster des deutschen Verfassungsschutzsystems ein. Eine echte
„Urteilsbeschwerde“ ist aber mit dem Konzept einer grundsätzlichen Gleichrangigkeit
der Höchstgerichte nicht vereinbar.
Die Anrufbarkeit des VfGH ist derzeit im Bereich des
Zivil- und Strafrechts nicht gegeben, wohl aber im Bereich des öffentlichen
Rechts. Es besteht daher eine Rechtsschutzlücke im Verhältnis zwischen VfGH und
den ordentlichen Gerichten.
Im Interesse eines vollen und einheitlichen
Grundrechtsschutzes und aufgrund des sehr hohen Grades der Ausdifferenzierung
der Grundrechtsdogmatik besteht die Notwendigkeit der Konzentration
des Grundrechtsschutzes beim VfGH.
Der „Subsidiarantrag“ war nur
insoweit konsertiert, als er gegenüber der geltenden Verfassungsrechtslage eine
Verbesserung bedeutet. Einige Mitglieder haben aber auf die weitergehende
„Urteilsbeschwerde“ hingewiesen.
Gegenüber den in der letzten Sitzung
von einer Seite vorgebrachten und im Endbericht festgehaltenen Vorbehalte gegen
eine „Urteilsbeschwerde“ hinsichtlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit im
allgemeinen und der Grundrechtsbeschwerde im Besonderen (Seite 18 und 19)
sollten aber auch ihre Vorteile nicht unerwähnt bleiben: Grundrechte sind als
subjektive öffentliche Rechte nur so weit durchsetzbar, als dafür ein
entsprechendes Verfahren bereitsteht. Ohne echte „Urteilsbeschwerde“ wird der
Grundrechtsschutz durch die Anfechtungsmöglichkeit von Bescheiden (und
allenfalls Verordnungen und
Gesetzen) beschränkt. Diese Beschränkung impliziert zweierlei: zum einen sind
alle anderen Handlungsformen der Verwaltung, zum anderen darüber hinaus alle
Akte der Gerichtsbarkeit aus der verfassungsgerichtlichen Ingerenz entlassen.
Dies bedeutet etwa, dass die
willkürliche Prüfungsentscheidung genauso der verfassungsgerichtlichen
Grundrechtskontrolle entzogen ist wie die privatwirtschaftlich handelnde
Verwaltung. Zwar hat der OGH – in durchaus verdienstvoller Weise – in jüngerer
Zeit die Fiskalgeltung der Grundrechte anerkannt, doch war es nie genuine
Aufgabe dieses Gerichtshofes, den Grundrechtsschutz in dogmatischer Hinsicht
voranzutreiben. Der Grundrechtsschutz muss auch voll gewährleistet sein, wenn
es um staatliche Aufgabenerledigung in Form der Privatwirtschaftsverwaltung
geht. Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes ist aber in Zweifel zu ziehen, wenn
sich Private nicht an den VfGH wenden können.
Die Grundrechtsdogmatik hat im Übrigen, nicht
zuletzt auch durch ihre internationale Verflechtung, einen Spezialisierungsgrad
erreicht, der es nicht mehr ermöglichen dürfte, außerhalb einer darauf
spezialisierten Fachgerichtsbarkeit einen effektiven Grundrechtsschutz zu
gewährleisten. (vgl. Manfred Stelzer, Stand und Perspektiven des
Grundrechtsschutzes, in: Festschrift 75 Jahre Bundesversammlung, Wien 1995, S
606f). In diesem Sinne erscheint auch die Grundrechtsbeschwerde nach dem
Grundrechtsbeschwerdegesetz nicht ausreichend. Dies bestätigen auch die
geringen Zahlen von Grundrechtsbeschwerden und deren minimale Erfolgsrate (im
Jahr 2001 war von insgesamt 50 Grundrechtsbeschwerden eine einzige
erfolgreich!).
Im Gegenzug zur Einführung einer
„Urteilsbeschwerde“ könnte nicht zuletzt zur Entlastung des VfGH eine Einschränkung
seiner Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit sowie eine Bindung an die
Rechtsauslegung des VwGH bzw. OGH überlegt werden.
Anlassfallwirkung: Nach erfolgter
Aufhebung von Normen durch den VfGH fallen aus unterschiedlichen Gründen
Einzelfälle aus der Anlasswirkung heraus. Die Gerichte sollten die Möglichkeit
haben, die Anlasswirkung auf bei ihnen anhängige Rechtssache zu erstrecken und
die aufgehobene Norm nicht anzuwenden.
Beschwerde- und Anfechtungsrechte für Amtsorgane,
Verbände und Bürgerinitiativen: Es wäre sicherzustellen, dass dies einfachgesetzlich eingeräumt werden
kann – Ergänzungen von Art 139, 140 und 144 angelehnt an Art 131 Abs 2 B-VG.
Vergleich derzeit geltende Regelungen wie:
·
§ 24 Abs 11
UVP-G (Verfassungsbestimmung): „Der Verfassungsgerichtshof erkennt über
Gesetzwidrigkeit von Verordnungen gemäß Abs 1 auf Antrag der in § 19 Abs 3 und
4 genannten Parteien“. (ds Umweltanwaltschaften, Bürgerinitiativen,
wasserwirtschaftliches Planungsorgan und Standortgemeinde)
·
sowie den
Prüfungsbeschluss des VfGH zu UVP-G (B 456, 457/03 B 462/03 vom 27. November
2003).
Weiterer Diskussionsbedarf besteht hinsichtlich des vorläufigen
Rechtsschutzes durch Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von VfGH- bzw.
VwGH-Beschwerden.
Beschlüsse auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden
nach herrschender Auffassung erst mit ihrer Erlassung (ex nunc) wirksam. Es
besteht im Hinblick darauf, dass Beschwerden an die Gerichtshöfe des
öffentlichen Rechts vor der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine
aufschiebende Wirkung haben, eine Rechtsschutzlücke (vgl. etwa
verschiedentliche Abschiebungen von AusländerInnen, bevor einer Beschwerde noch
die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde). Eine am Rechtsschutz orientierte
Betrachtungsweise könnte daher bestrebt sein, die Rechtslage in Richtung zu
ändern, dass Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof oder beim
Verfassungsgerichtshof, mit denen ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde, bis
zur Erledigung des Antrages aufschiebende Wirkung haben, es sei denn die
Behörde (das Verwaltungsgericht) spricht im Rahmen ihrer (seiner) Entscheidung
aus, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides (Urteils) im Interesse
einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten
ist. Dieser Ausspruch ist im Rahmen der Entscheidung des VwGH oder VfGH über
die aufschiebende Wirkung zu überprüfen."
Auch der Umfang des vorläufigen Rechtsschutzes könnte
ausgeweitet werden. § 30 Abs. 2 VwGG und § 85 Abs. 2 VfGG ermächtigen zwar
dazu, einer Beschwerde mit Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und
damit zur Aussetzung des Vollzuges des angefochtenen Bescheides, wobei der
Begriff "Vollzug" in einem weiten Sinn zu verstehen ist und sämtliche
Rechtswirkungen des angefochtenen Bescheides erfasst. Diese Bestimmungen
ermächtigen jedenfalls nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich zur Erlassung von
einstweiligen Verfügungen oder zur Zuerkennung von vorläufigen Rechten, mit
denen mehr als die Suspendierung der Umsetzung des angefochtenen Bescheides in
die Wirklichkeit verfügt werden soll.
Auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach ein mit
einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht
durch eine Vorschrift des nationalen Rechts nicht daran gehindert werden darf,
einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren
Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht
hergeleiteten Rechte ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen.
Die Frage einer Verankerung von Verbandsklagen
wurde im Ausschuss nicht erörtert. Die Einführung von Verbandsklagen auf
verfassungsrechtlicher Ebene für den Schutz bestimmter (insbesondere
benachteiligter, gefährdeter und sozial schwacher) Personengruppen spezialisierte
NGOs zur Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen, die typisch und gehäuft
Angehörige bestimmter Personengruppen treffen und zur Vertretung solcher
Gruppen würde eine wesentliche Verbesserung des österreichischen
Rechtsschutzsystems bedeuten.
Auch die Möglichkeit einer verfassungsgesetzlichen
Regelung zur Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte wurde im Ausschuss noch nicht diskutiert.
In den Ausschussberatungen konnte
hinsichtlich des sogenannten „9+1-Modells“ im Wesentlichen Konsens
erzielt werden. Das sollte im Endbericht auch ausdrücklich festgehalten werden.
Im
Fall der Verwirklichung des Zulässigkeitsmodell besteht das Risiko einer
Duplizierung der Verfahren: zunächst über die Zulässigkeitsfrage und erst in
einem zweiten Durchgang in der Sache selbst. Dieses Modell würde aus der
ordentlichen Gerichtsbarkeit übernommen werden. Daher sollte im
Ausschussbericht auf die Bedachtname der Besonderheiten im
verwaltungsrechtlichen Verfahren und Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes
Bezug genommen werden.
Ebenso sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der
vorläufigen Rechtsschutz (aufschiebende Wirkung) während dem gesonderten
Zulassungsverfahren gewährleistet sein müsse.
Die Gefahr der Duplizierung könnte dadurch minimiert werden, dass
Revisionen zugleich mit der Zulässigkeitsbeschwerde einzubringen sind. Der VwGH
könnte so im Falle der Zulässigkeit sogleich auf die Revision eingehen.
Festgehalten werden sollte, die Auffassung, dass
das Organisations- sowie das Dienst- und Besoldungsrecht der
Verwaltungsgerichte schon aus Sicht eines einheitlichen Standards und der
Unabhängigkeit bundeseinheitlich zu regeln ist.
Bei den Kriterien für die Weiterbestellung
von UVS-RichterInnen zu
VerwaltungsrichterInnen sollte darauf verwiesen werden, dass ein
Großteil der heute tätigen UVS-RichterInnen ursprünglich für eine befristete
Funktionsperiode ernannt war und erst nach einem neuerlichem Bestellverfahren,
welches den Ländern freie Hand bei der Auswahl gab, wiederernannt wurden. Daher
hat es bereits zwei Auswahlverfahren gegeben. Eine Nichtübernahme kann daher
nur aus ganz besonders schwerwiegenden Gründen in Frage kommen. Der allgemeine
Verweis auf die juristische Qualifikation bzw. fachliche Eignung, auf den
Arbeitseifer und insbesondere auf das außerdienstliche Betragen geht viel zu
weit. Gerade im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen im Zusammenhang mit der
dienst- und organisationsrechtlichen Stellung der UVS-RichterInnen wäre mit
einer derartig weichen Formulierung nicht sichergestellt, dass unangenehme oder
missliebige Senatsmitglieder aus unsachlichen Gründen nicht übernommen werden.
Im Ausschuss wurde die Thematik der Sachverständigenausstattung
bzw. der Kostentragung für Gutachten in Verfahren vor den neuen
Verwaltungsgerichten noch nicht diskutiert. Bisher haben die
BerufungswerberInnen keine Kosten zu tragen. Die Bundesländer verrechnen
derzeit nichts für die Tätigkeit der Sachverständigen, die für den UVS
arbeiten. Es sollte gewährleistet werden, dass die neuen Verwaltungsgerichte
nicht mit externen GutachterInnen arbeiten müssen. Denkbar wäre, dass sie nicht
keinen eigenen SV-Apparat haben, sondern auf Sachverständige der
Gebietskörperschaften zurückgreifen können. Die Kosten würden ansonsten auf die
BerufungswerberInnen überwälzt. Das wäre oft derartig hohe Kostenbelastung,
dass dadurch der faktische Rechtsschutz erheblich verringert werden würde.
Ad VI 1) Zur Erweiterung des
Rechtsschutzes durch Beiräte und Rechtsschutzbeauftragte
Menschenrechtsbeirat
sollte als allgemeine präventive Haftprüfungskommission mit der Kompetenz
ausgestattet werden, alle Haftanstalten (Strafvollzugsanstalten der Justiz,
einschließlich der Unterbringung in Untersuchungshaft, Polizei-Anhaltezentren,
Schubhafteinrichtungen, psychische Anstalten etc.) ohne vorherige Anmeldung zu
besuchen, eingerichtet werden und an das Parlament angebunden werden, damit die
Unabhängigkeit seiner Mitglieder von der kontrollierten Vollziehung garantiert
ist.
ad VI) 2) Staatshaftung:
Im
Ausschussbericht sollte die Notwendigkeit einer Novellierung von § 2 Abs. 3 AHG
ausdrücklich festgehalten werden. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung sind
Ersatzansprüche aus Erkenntnissen des VfGH, VwGH und OGH ausgeschlossen. Das
entspricht nicht mehr der geltenden Rechtlage.
Hingewiesen wird
darauf, dass zwischen dem Text des Berichtsentwurfes und dem dazu
vorgeschlagenen Textvorschlag betreffend Änderungen des B-VG Divergenzen
bestehen (etwa hinsichtlich einer Säumnisbeschwerde an den VwGH).