15.3.
Clemens Jabloner
Entwurf für einen "Subsidiarantrag"
I. Vorbemerkungen:
1. Der Entwurf setzt die
Umwandlung der UVS in Landesverwaltungsgerichte voraus. Im Hinblick darauf kann
allgemein von den in Art. 140 Abs. 1 erster Satz B-VG genannten
"Gerichten" gesprochen werden (bei der VO-Prüfung ist die Aufzählung
der betreffenden Stellen breiter). Ansonsten wird vom status quo ausgegangen.
2. Für die legistische
Einordnung in die Art. 139 und 140 B-VG wurde vorerst der Weg gewählt,
neue Absätze "1a" einzurichten. Dies deshalb, weil die
Absätze 1 der Art. 139f schon lang sind und man die Textierung dieser
Bestimmungen überhaupt überlegen sollte.
3. Zu den Gerichten
gehört auch der VfGH. Wenn man davon geleitet ist, dass der VfGH Normbedenken
grundsätzlich aus Eigenem aufgreifen soll, muss eine entsprechende Einschränkung
gemacht werden. Der unten vorgeschlagene Text folgt dieser Auffassung.
4. Soll der
Subsidiarantrag auf der Ebene der Verordnungsprüfung überhaupt eingeführt
werden? Ein verfassungspolitisches Bedürfnis danach wurde wohl noch nicht
artikuliert.
5. Es stellt sich die
Frage, ob der Subsidiarantrag nur dann zulässig sein soll, wenn der
Beschwerdeführer zuvor im Verfahren vor den antragsberechtigten Gerichten die
Normbedenken geltend gemacht und eine Antragstellung an den VfGH angeregt hat,
dieser Anregung aber nicht gefolgt wurde. Hier können zwei Denkschulen
vertreten werden: Man kann den Fall anvisieren, dass der Beschwerdeführer eben
erst nach der Entscheidung des Gerichts wahrnimmt, dass die
Verfassungswidrigkeit in der Norm liegen könnte. Dies hätte vor allem Bedeutung
für die Relation zwischen der Justiz und dem VfGH - hinsichtlich von
Verwaltungsakten (verwaltungsgerichtlichen Urteilen) steht ja Art. 144
Abs. 1 zweiter Fall zur Verfügung. Dies würde dafür sprechen, keine
Einschränkung zu setzen. Man kann aber auch die Ansicht vertreten, dass eine
solche Konstruktion ein gewisses Missbrauchspotential eröffnen könnte, was
wiederum für die Einschränkung spräche, an im gerichtlichen Verfahren bereits
geltend gemachte Bedenken anzuknüpfen. Der folgende Textvorschlag folgt
vorläufig der ersten Denkschule.
6. Der Entwurf ist von
der Erwägung geleitet, dass ein Subsidiarantrag dann zulässig sein soll, wenn
ein in Art. 140 Abs. 1 erster Satz B-VG etc. genanntes Gericht
befasst war. Es ist also nicht vorgesehen, dass vor Stellung des
Subsidiarantrags ein Instanzenzug an den VwGH oder OGH ausgenützt oder
gesetzlich eingerichtet werden muss. Dies entspricht dem gegebenen System, in
dem ja eine Antragsberechtigung auch nachgeordneter Gerichte vorgesehen ist.
7. Zur Straffung des -
ja bereits bedenklich langen - Verfahrens erscheint es mir zweckmäßig, schon im
Verfassungstext festzulegen, dass mit der Aufhebung des Gesetzes (dem Ausspruch
seiner Verfassungswidrigkeit) das gerichtliche Verfahren wieder aufgenommen ist.
Das bedeutet aber auch, dass sich der Beschwerdeführer darüber im Klaren sein
muss, dass der Normaufhebung das fortgesetzte Verfahren folgt. Man könnte darin
auch eine Vorkehrung gegen einen Missbrauch des "Subsidiarantrags"
sehen.
8. Für die
Art. 139a und 140a B-VG sind anscheinend keine besonderen Regelungen
notwendig.
9. Im Entwurf des
Art. 139 Abs. 1a ist die Antragsberechtigung nach § 24
Abs. 11 UVP-G 2000 vorerst nicht berücksichtigt. (Es ist nicht klar, ob
das eine "abstrakte" oder "konkrete" Normprüfung ist).
10. Es ist davon Abstand
genommen, Bindungsfragen zu regeln - vgl. mein früheres Kurzpapier dazu.
12. Die Formulierung
sollte es ausschließen, dass auch Amtsparteien im Sinne des Art. 131
Abs. 1 Z. 2 und 3 und Abs. 2 vom Subsidiarantrag Gebrauch machen
können (arg: "Person"). Dies ist deshalb wichtig, weil die Grenze
zwischen konkreter und abstrakter Normprüfung nicht verwischt werden soll.
Sonst könnte etwa ein Bundesminister über die Anfechtung eines Bescheids der
Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit des Bundesgesetzes bekämpfen, eine
Möglichkeit die nach Art. 140 Abs. 1 ansonsten nicht gegeben wäre.
13. Durch die Anordnung,
dass der Subsidiarantrag erst nach einer gerichtlichen Entscheidung zulässig
ist, wird es ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer (die Verfahrenspartei
des gerichtlichen Verfahrens) parallel zur gerichtlichen Anfechtung einer
generellen Norm einen Subsidiarantrag stellt. Es bleibt der nicht ausdrücklich
geregelte Fall, dass das Gericht einen entsprechenden Antrag gestellt hat, der
VfGH sein Verfahren durchgeführt hat und das Gericht dann zu seiner
Entscheidung findet. Für diesen Fall ist es immerhin vorstellbar, dass der
Beschwerdeführer (die Verfahrenspartei) nunmehr verfassungsrechtliche Bedenken
äußert, die noch nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens war.
Man könnte diese Problematik entweder im Verfassungstext berücksichtigen - was
nicht recht zweckmäßig erscheint -, oder auf der Ebene des VfGG lösen oder
überhaupt der Judikatur überlassen.
14. Im Verfassungstext
sollte auch zum Ausdruck kommen, dass die "Person", die als
Beschwerdeführer vor dem VfGH auftritt, Verfahrenspartei des zugrundeliegenden
gerichtlichen Verfahrens gewesen ist (für den VwGH vgl. aber oben Pkt. 12).
Dies erscheint auch zweckmäßig im Hinblick auf eine Abgrenzung zum
"benachbarten" Individualantrag.
15. Im Gegensatz zu
meinem seinerzeitigen Formulierungsvorschlag in ÖJZ 1998 habe ich die Wendung
"in ihren Rechten", die beim Individualantrag verwendet wird, nicht
übernommen. Maßgebend dafür ist, dass der Subsidiarantrag der gerichtlichen
Antragstellung an den VfGH nachgebildet ist und dort ja auch nicht darauf
abgestellt wird, ob eine Verfahrenspartei "in ihren Rechten" verletzt
ist. Auf der anderen Seite findet sich diese Formel im strukturell ähnlichen
Fall des Art. 144 Abs. 1 zweiter Fall. Daraus ließe sich wiederum ein
Gegenargument ableiten.
II. Textvorschläge:
Art. 140 Abs. 1a: Der
Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen
nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein in Abs. 1
genanntes Gericht, ausgenommen den Verfassungsgerichtshof; dies auf Antrag
einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung eines
verfassungswidrigen Gesetzes behauptet. Für solche Anträge gilt Art. 89
Abs. 3 sinngemäß. Mit der Aufhebung des Gesetzes oder dem Ausspruch seiner
Verfassungswidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen.
Sofern dem überhaupt näher getreten wird: Art. 139 Abs. 1a: Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein in Art. 89 Abs. 2 genanntes Gericht, den Verwaltungsgerichtshof oder ein Verwaltungsgericht erster Instanz; dies auf Antrag einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet. Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit der Aufhebung der Verordnung oder der Ausspruch ihrer Gesetzwidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen.