Stellungnahme des BMJ zur
Amtsverschwiegenheit:
Was die Frage der
allfälligen Einschränkung der Amtsverschwiegenheit anlangt, möchte ich
vorausschicken, dass ich mir eine Entkriminalisierung jedenfalls nicht
vorstellen kann. Es mag zwar sein, dass der Tatbestand des § 310 StGB in der
Praxis keine überragende Rolle spielt (vier Verurteilte im Jahr 2002
österreichweit) und dass es daneben noch eine Reihe von weiteren
Geheimnisschutzbestimmungen innerhalb und außerhalb des Strafgesetzbuches gibt,
die zum Teil derzeit schon zur Anwendung gelangen, zum Teil für den Fall des
Wegfalls oder einer starken Einschränkung des § 310 StGB zum Tragen kommen
könnten. Zu denken ist dabei auf der einen Seite etwa an die Strafbestimmung
des § 252 StGB (Verrat von Staatsgeheimnissen), dem gegenüber § 310 StGB
subsidiär ist, oder auf der anderen Seite § 121 StGB (Verletzung von
Berufsgeheimnissen), der derzeit hinter § 310 StGB zurücktritt. Ein besonderes Verhältnis
besteht zu § 302 StGB (Amtsmissbrauch), der nach Ansicht des Schrifttums (vor
allem Bertel, aber bis zu einem gewissen Grad auch Leukauf/Steininger) zu
häufig anstelle des § 310 StGB herangezogen wird.
Abgesehen davon, dass im Falle einer Zurückdrängung
des § 310 StGB ein noch stärkeres Heranziehen des strenger bestraften § 302
StGB zu gewärtigen wäre, darf man m.E. nicht vergessen, dass § 310 StGB ja
nicht jedes Amtsgeheimnis schützt, sondern nur solche, deren Offenbarung oder
Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates
Interesse zu verletzen. Vor allem im Hinblick auf die berechtigten privaten
Interessen kann ich mir eine Einschränkung des Tatbestandes nur schwer
vorstellen. Dem gegenüber könnte m.E. beim Schutz des öffentlichen Interesses
durchaus einschränkender formuliert werden. Immerhin erscheint selbst das
Verfassungsgebot des Art. 20 Abs. 3 B-VG bestimmter zu sein als die einfach
gesetzliche Strafbestimmung. Es erschiene mir daher denkbar, dass die
Strafbestimmung enger gefasst werden kann, als die Amtsverschwiegenheit
insgesamt.
Was die Frage der Bedeutung des § 310 StGB anlangt,
möchte ich schließlich darauf hinweisen, dass diese Bestimmung in den letzten
10 Jahren immerhin dreimal ausgeweitet wurde. So wurden mit einer Novelle 1993
die ständigen Unterausschüsse nach Art. 52a B-VG, mit einer Novelle 1997 die
Untersuchungsausschüsse nach Art. 53 B-VG und mit einer Novelle 1998 auf Grund
einer Verpflichtung aus der Europol-Konvention bestimmte Europol-Bedienstete in
den Schutzbereich der Strafbestimmung neu aufgenommen. Dazu kommt, dass
außerhalb des StGB immer wieder Strafbestimmungen zum Schutz vor bestimmten
Geheimnisverletzungen verlangt und auch umgesetzt wurden. Zuletzt wurde etwa
vom BMLV in die Regierungsvorlage des Buchhaltungsagenturgesetzes eine
gerichtliche Strafbestimmung hineinreklamiert, zumal nicht geklärt werden
konnte, ob bzw. inwieweit § 310 StGB auf die Bediensteten der
Buchhaltungsagentur anwendbar wäre. (Zuzugeben ist allerdings, dass der Anwendungsbereich
dort insofern eingeschränkt ist, als sich der Schutzbereich auf einen
eingeschränkteren Bereich von öffentlichen Interessen bezieht.)
Zur Frage der Sanktionierung von Verletzungen der
Auskunftspflicht meine ich, dass diese nicht über das derzeitige Ausmaß
hinausgehen sollte, zumal eine Vergleichbarkeit aus kriminologischer Sicht m.E.
nicht gegeben erscheint. In diesem Sinn erscheinen mir das Regime des
Auskunftspflichtgesetzes, die Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 des
Datenschutzgesetzes 2000 (bis zu 18.890 Euro Geldstrafe für den Fall, dass
Daten vorsätzlich in Verletzung des Datengeheimnisses u.a. entgegen einem
rechtskräftigen Urteil oder Bescheid verwendet, nicht beauskunftet, nicht
richtig gestellt oder nicht gelöscht werden) zusammen mit der Möglichkeit ein
Disziplinarverfahren anzuregen, ausreichend.
LStA. Dr. Christian
Manquet
Leiter der Abteilung
II/1 im BMJ