Dr. Peter Kostelka
Fragenkatalog zur Neuordnung der
Amtsverschwiegenheit
Zielsetzung/Generaldebatte
Art 20 Abs 3
B-VG ist als Verschwiegenheitspflicht der Verwaltung bei Vorliegen bestimmter
Kriterien konzipiert. Sie steht unter anderem im Spannungsverhältnis zu
Grundrechten (Art 10 Abs 2 MRK), den "Rechten" der Bürger und
der Amtshilfe (Art 21 B-VG). Die ältere Lehre ist von einem Vorrang der
Amtsverschwiegenheit ausgegangen, die jüngere vertritt eine Konvergenz-Theorie,
derzufolge jeweils der Einzelfall abzuwägen ist.
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Soll Österreich dem internationalen
Beispiel folgend eine Priorität für das Recht des Bürgers auf Information vor
der Amtsverschwiegenheit schaffen?
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Soll dieses Verhältnis von Regel und
Ausnahme hinsichtlich der Informationsrechte der Bürger und der
Amtsverschwiegenheit geschaffen werden?
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Soll die Verwaltung generell eine gewisse
Veröffentlichungspflicht (außer bei Vorliegen von Geheimhaltungskriterien)
treffen?
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Soll der Schritt zu einer
"Volksöffentlichkeit" von Verwaltungsverfahren getan werden?
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Ist dem Bürger ein subjektives und
einklagbares Recht auf Auskunft der Verwaltung bei ihn persönlich betreffenden
Informationen zuzuerkennen?
Legistische Gestaltung
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Soll – wie in manchen europäischen
Staaten – die Amtsverschwiegenheit lediglich einfach gesetzlich geregelt
werden?
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Derzeit ist die Kompetenzgrundlage für
die Amtsverschwiegenheit außerordentlich zersplittert. Sie beruht auf den
zwischen Bund und Ländern geteilten Dienstrechtskompetenzen, dem
Verwaltungsorganisationsrecht und bei Sonderverschwiegenheitsverpflichtungen
bei den materiellen Gesetzgebern. Soll eine einheitliche, für alle Gebietskörperschaften
geltende Amtsverschwiegenheit geschaffen werden?
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Art 20 Abs 3 B-VG enthält derzeit einen
allgemeinen Gesetzesvorbehalt (... soweit gesetzlich nicht anders bestimmt ist
...). Soll diese weitgehende Gestaltungsfreiheit für den einfachen Gesetzgeber
erhalten bleiben?
Amtsverschwiegenheit und Grundrechte
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Ist die Amtsverschwiegenheit in die
bestehenden Grundrechte, insbesondere Art 10 Abs 2 MRK (Meinungsfreiheit)
und das Recht auf Datenschutz (Geheimhaltung der personenbezogenen Daten des
Betreffenden) dergestalt einzufügen, dass die genannten Grundrechte jedenfalls
Vorrang haben?
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Soll die "Auskunftspflicht"
selbst ein einklagbares Grundrecht des Bürgers/Menschen werden?
Organisatorischer Geltungsbereich
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Soll dieses Grundrecht gelten für:
-
Verwaltung aller Gebietskörperschaften
oder nur des Bundes
-
Gerichte (dzt. in Art 20 Abs 3 B-VG nicht
enthalten)
-
Stiftungen, Fonds und Anstalten
öffentlichen Rechts
-
Ausgegliederte Rechtsträger
-
Gesetzliche Interessensvertretungen
-
Beiräte der Verwaltung
Persönlicher Geltungsbereich
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Ist die Verschwiegenheit funktional oder
dienstrechtlich zu verstehen, d.h. trifft sie Beamte oder jeden im öffentlichen
Dienst, bei Stiftungen, Fonds u.ä. Tätigen.
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Soll der "Redaktionsfehler" des
Jahres 1929 bei der Auskunftspflicht von Mitgliedern der Bundesregierung und
direkt gewählten Bürgermeistern korrigiert werden (vom Ausschuss beim parlamentarischen
Fragerecht bereits bejaht)?
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Soll die Amtsverschwiegenheit für oberste
Organe, die selbst dem Dienstrecht nicht unterliegen, überhaupt bestehen?
Sachlicher Geltungsbereich
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Sollen zu veröffentlichen/öffentlich
zugänglich sein:
-
Akten (schriftliches Material)
-
EDV-Informationen
-
Dokumentation über Behördeninformationen
und Suchprogramme
-
Soll die Verwaltung eine
Manuduktionspflicht gegenüber dem Bürger bei dem Aufsuchen von öffentlichen
Informationen treffen?
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Soll die Amtsverschwiegenheit jeweils im
Einzelfall interpretativ auf Grund allgemeiner Regeln entschieden werden oder
sich die Öffentlichkeit von Informationen der Verwaltung auf Grund jener
Entscheidungen ergeben, die beim Anlegen dieser Informationen getroffen wurden?
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Soll daher jede Information in der
öffentlichen Verwaltung öffentlich sein, sofern sie zuvor nicht
"klassifiziert" wurde?
Kriterien für die Amtsverschwiegenheit
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Die Kriterien für die
Amtsverschwiegenheit gemäß Art 20 Abs 3 B-VG umfassen:
‑ Aufrechterhaltung öffentlicher Ruhe, Ordnung und Sicherheit (geht über
Art 10 MRK hinaus)
‑ Umfassende Landesverteidigung
‑ Auswärtige Beziehungen (weiter als Art 10 MRK)
‑ Wirtschaftliche Interessen einer Körperschaft öffentlichen Rechts (in
Art 10 MRK nicht enthalten)
‑ Vorbereitung einer Entscheidung (in Art 10 MRK nicht enthalten)
‑ Überwiegendes Interesse von Parteien
Andererseits sind die in Art 10 MRK enthaltenen Kriterien der
Gesundheit und Moral aber auch das Vertrauen in eine unabhängige Gerichtsbarkeit
in Art 20 Abs 3 B-VG nicht berücksichtigt.
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Reichen diese Kriterien oder sind sie zu
weitgehend?
Amtsverschwiegenheit und Amtshilfe
·
In welchem Verhältnis stehen
Amtsverschwiegenheit und Amtshilfe?
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Ist in jedem Fall – auch über
Gebietskörperschaften hinweg – in Informationsangelegenheiten Amtshilfe zu
leisten?
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Sind die Gründe für die Verweigerung von
Informations-Amtshilfe ident mit jenen der Informationsverweigerung gegenüber
den Bürgern oder soll die Verwaltung gegenüber der Verwaltung weiterreichendere
oder engere Auskunftspflichten haben?
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Erhält die Verwaltung – wie der
Bürger – ein einklagbares Recht auf Informationen
Amtsverschwiegenheit und Sanktionen
·
Derzeit betreffen die Sanktionen im
Zusammenhang mit der Amtsverschwiegenheit lediglich den Fall ihrer Verletzung
(dienstrechtliche Sanktionen und Amtsverschwiegenheitsverletzung gemäß § 310
StGB). Sollen diese Verschwiegenheitsverletzungen strafrechtlich geringer
sanktioniert werden (derzeit maximal 3 Jahre)?
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Welche Sanktionen soll es im Falle der
Verweigerung einer Auskunftserteilung gegenüber dem Bürger geben?
· Soll die Verletzung der Amtsverschwiegenheit sowie die Verletzung der Auskunftspflicht durch gleich hohe Strafen sanktioniert werden?