Vortragsmanuskript: Expertenhearing vor dem
Ausschuss-Grundrechtskatalog am Freitag, den 30.1. 2004, Parlament, Lokal IV.
Der
verfassungsrechtliche Minderheitenschutz ist sehr zersplittert: Die
Rechtsquellen gehören verschiedenen historischen Schichten an und sind
zu einem beträchtlichen Teil völkerrechtlichen Ursprungs; sie haben verschiedene
Geltungsbereiche in persönlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht. In
persönlicher Hinsicht beziehen sie sich etwa auf alle Angehörigen von
Minderheiten oder beschränken sich auf Angehörige bestimmter Minderheiten; sie
beziehen sich entweder auf ganz Österreich oder nur auf bestimmte Gebiete, in
denen Minderheitsangehörige leben; sie gewähren gewisse Mindeststandards für
alle Gruppen oder weitergehende Rechte für bestimmte Gruppen.
Bei näherer
Betrachtung der einzelnen Regelungen sieht man, dass sie
Rechtsvorschriften enthalten, die einander ergänzen und konkretisieren,
teilweise aber auch solche, die inhaltlich ähnliche oder gleichlautende
Anordnungen treffen. Ein
augenfälliges Beispiel für das beschriebene Regelungskonglomerat ist allein
schon die Verwendung verschiedener Begriffe für die geschützten Gruppen:
Nämlich „Volksstämme“ (den in der Monarchie üblichen Begriff), oder
„Minderheiten“ (der Begriff der im Völkerrecht üblich ist) oder „Volksgruppen“
(ein Begriff der 1976 einfachgesetzlich durch das Volksgruppengesetz eingeführt
wurde) : Art 8 B-VG spricht in seinem Abs 1 von „sprachlichen
Minderheiten“ und in dem im Jahre 2000 eingefügten Abs 2 von „autochthonen
Volksgruppen“.
Es
handelt sich im Wesentlichen um folgende Vorschriften, die ich kurz in
historischer Reihenfolge nennen möchte: Sie haben den Text dieser Bestimmungen
auf der ausgeteilten Synopse abgedruckt:
Art 19
StGG: reicht in die Monarchie zurück, diese Bestimmung wurde grundsätzlich über
Art 149 B-VG – als Teil des Staatsgrundgesetzes – in die republikanische
Verfassungsordnung übernommen und nie formell aufgehoben; seine Geltung ist
aber strittig: Vom VfGH und Teilen der Lehre wird angenommen, dass dieser
Bestimmung inhaltlich derogiert worden sei und dass diese Bestimmung in der
Republik nicht anwendbar sei.
Art 66,
67, 68 StV St. Germain: diese Vorschriften stammen aus der Zeit nach dem 1.
Weltkrieg und sind völkerrechtlichen Ursprungs; die Frage der völkerrechtlichen
Geltung ist strittig, sie schlägt aber innerstaatlich nicht durch, da Abschnitt
V des StV v St. Germain, in dem sich diese Bestimmungen finden, über
Art 149 B-VG rezipiert wurde und diese innerstaatlich als Verfassungsgesetze
gelten.
Art 8
B-VG (Stammfassung) (jetzt: Art 8 Abs 1 B-VG): erklärt die
deutsche Sprache zur Staatssprache und enthält einen Vorbehalt betreffend
bundesgesetzlich eingeräumter Rechte der sprachlichen Minderheiten
Art 7
StV v Wien: stammt aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg; Z 2, Z 3 und Z 4 sind
Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages, die innerstaatlich auf Grund
der B-VG-Novelle, BGBl 1964/59 in Verfassungsrang stehen.
§ 7
Minderheitenschulgesetz für Kärnten (Verfassungsbestimmung): ist 1959 in
Ausführung des Art 7 Z 2 StV v Wien ergangen.
§ 1
Minderheitenschulgesetz für Burgenland (Verfassungsbestimmung): ist 1994 in
Ausführung des Art 7 Z 2 StV v Wien ergangen.
Art 8
Abs 2 B-VG: enthält eine Staatszielbestimmung zum Schutz der „autochthonen
Volksgruppen“.
Dazu kommen
zahlreiche Verfassungsbestimmungen, die aus dem jeweiligen Zusammenhang
erklärbar sind. Etwa besondere Kompetenzbestimmungen in Art I lit a
§§ 1-6 MindSchG für Kärnten (vgl auch § 8, § 9 Abs 2,
§ 34 Abs 1, § 35, § 36 Abs 1 MindSchG f Ktn und
Art IX der Schulverfassungsnovelle 1962, BGBl 1962/215); vgl auch
§§ 19 Abs 1, 20 Abs 1 MindSchG f Bgld; oder auch § 22
Abs 2 Volksgruppengesetz (betreffend die Berechnung von Gebühren bei
Verfahren in der Volksgruppensprache).
Die Minderheiten-Schutzbestimmungen können inhaltlich
danach eingeteilt werden, ob sie ein Gebot der Gleichbehandlung von
Minderheitsangehörigen mit anderen Staatsbürgern normieren bzw. ein Verbot
jeglicher Diskriminierung anordnen, oder ob sie den Minderheitsangehörigen
besondere Rechte einräumen, sogenannte fördernde Minderheitenrechte.
Der spezifische Diskriminierungsschutz, der
sich gegen eine Ungleichbehandlung von Minderheiten wendet (vgl insb
Art 67 StV v St. Germain, und auch Art 63 Abs 1, 66
Abs 1 StV v St. Germain; Art 7 Z 4 StV v Wien und
Art I BVGRassDiskr, Art 14 MRK und auf einfachgesetzlicher Ebene insb
Art 6 und 7 Z 1 und Z 5 StV v Wien) stellen sich als spezifische
Ausprägungen des Gleichheitssatzes dar.
Bei diesen Regelungen können insbesondere
hervorgehoben werden, Rechte im Bereich des Unterrichts- und Erziehungswesens,
also vor allem das Minderheitenschulrecht, Rechte auf Gebrauch der eigenen
Sprache im Verkehr mit staatlichen Behörden und Rechte im Bereich der Kultur.
Art 8 B‑VG bestimmt, dass die deutsche
Sprache „unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich
eingeräumten Rechten“ die Staatssprache der Republik ist. Art 19 Abs 2 StGG räumt
Sprachenrechte „im Amt und öffentlichen Leben“ ein, und erfasst damit - im
einzelnen konkretisiert in einer sehr verästelten Rspr des Reichsgerichtes (RG)
der cisleithanischen Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie -
den Gebrauch der „landesüblichen“ Sprachen, im Verkehr mit Behörden und die
Verwendung der Sprachen „im öffentlichen Leben“. Die Frage der Geltung und
Anwendbarkeit dieser Bestimmung in der Rechtsordnung der Republik ist aber
strittig. Art 66 Abs 4 StV v St. Germain, der innerstaatlich als
Verfassungsgesetz gilt (Art 149 Abs 1 B‑VG), bestimmt – unbeschadet
der Einführung einer Staatssprache durch die österreichische Regierung –
dass „nicht deutschsprechenden österreichischen Staatsangehörigen angemessene
Erleichterungen beim Gebrauch ihrer Sprache vor Gericht in Wort oder Schrift
geboten werden“. Die staatsvertragliche Bestimmung des Art 7 Z 3
erster Satz StV v Wien, die innerstaatlich in Verfassungsrang steht, lässt die
kroatische und slowenische Sprache in Verwaltungs- und Gerichtsbezirken
Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark als zusätzliche Amtssprache zu. Art 7 Z 3
StV v Wien bezieht sich nur auf Angehörige der slowenischen und kroatischen
Minderheiten, nicht aber auf die Angehörigen der anderen - nach dem VGG
anerkannten - Volksgruppen; in örtlicher Hinsicht zielt diese Bestimmung auf
„Verwaltungs- und Gerichtsbezirke“ mit „kroatischer, slowenischer oder
gemischter Bevölkerung“:
Die Regelung des Gebrauchs der
Volksgruppensprachen als Amtssprachen vor Verwaltungsbehörden (und Gerichten)
erfolgt im einzelnen in den Ausführungsbestimmungen der §§ 13 ff VGG
iVm den aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 2 Abs 1 Z 3
VGG ergangenen sog Amtssprachenverordnungen (slowenische Amtssprachenverordnung
und kroatische Amtssprachenverordnung).§ 13 Abs 2 VGG räumt für
Verkehr mit bestimmten Behörden und Dienststellen ein einfachgesetzliches
subjektives, öffentliches Recht auf Gebrauch der Volksgruppensprache ein, das
sich auf den hoheitlichen Verkehr als auch auf den Verkehr in der sog
Privatwirtschaftsverwaltung bezieht; berechtigt sind österreichische
Staatsbürger und - nach den näheren Voraussetzungen des Erkenntnisses des EuGH,
Rs C-274/96, Bickel und Franz, Slg 1998, I-7637 - auch EU-Bürger, die
dieselbe Sprache sprechen, die in Österreich im Verkehr mit Behörden als
zusätzliche Amtssprache zugelassen ist (vgl zu den Auswirkungen dieses
Erkenntnisses näher Kolonovits, Sprachenrecht in Österreich [1999]
445 ff).
Da Amtssprachenverordnungen bisher nur für die
slowenische, die kroatische und ungarische Sprache ergangen sind, sind die
Amtssprachenregelungen der §§ 13 ff VGG für die Sprachen der anderen nach
dem VGG anerkannten Volksgruppen nicht anwendbar.
Auf verfassungsrechtlicher Ebene sind im
Bereich des Minderheitenschulrechts sowohl für Kroaten als auch für Slowenen im
wesentlichen die gleichen Bestimmungen zu nennen: Art. 19 Abs 2 und
Abs 3 des StGG (dessen Geltung und Anwendbarkeit strittig sind), Art. 68
Abs. 1 StV v St. Germain, Art. 7 Ziffer 2 des StV v Wien und die Verfassungsbestimmungen
des Art. I b § 7 des MindschG f Krnt sowie § 1 des MindSchG für Bgld. Den
Minderheitsangehörigen wird durch diese Bestimmungen ein verfassungsgesetzlich
gewährleistetes Recht auf Unterricht in ihrer eigenen Sprache eingeräumt.
Für die Angehörigen der anderen nach dem VGG
anerkannten Volksgruppen (also für die ungarische, die tschechische, die
slowakische Volksgruppe und die Volksgruppe der Roma) finden sich auf
verfassungsrechtlicher Ebene Regelungen außer in Art. 19 StGG - dessen Geltung und
Anwendbarkeit strittig sind - im wesentlichen im Staatsvertrag von St. Germain:
Art. 68 Abs. 1 StV v St. Germain bestimmt betreffend das „öffentliche
Unterrichtswesen“, dass „die österreichische Regierung in den Städten und
Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl anderssprachiger als
deutscher österreichischer Staatsangehöriger wohnt, angemessene Erleichterungen
gewähren (wird), um sicherzustellen, dass in den Volksschulen den Kindern
dieser österreichischen Staatsangehörigen der Unterricht in ihrer eigenen
Sprache erteilt werde. Weiters lässt Art 68 Abs 1 StV v
St. Germain zu, „den Unterricht der deutschen Sprache in den besagten
Schulen zu einem Pflichtgegenstande zu machen“. Art 67 StV v St. Germain
sichert den Minderheitsangehörigen das Recht „auf ihre eigenen Kosten ...
Schulen und Erziehungsanstalten zu errichten, zu verwalten und zu
beaufsichtigen“ und „in denselben ihre eigene Sprache nach Belieben zu
gebrauchen“. Die österreichischen Staatsbürger der ungarischen Volksgruppe im
Burgenland sind seit 1994 verfassungsrechtlich auch durch § 1 MindSchG f Bgld
geschützt und insofern im Bereich des Schulrechts mit der kroatischen
Volksgruppe gleichgestellt.
Einfachgesetzliche Regelungen stellen sich als
Ausführungsgesetze dar, die den Unterricht in der Minderheitensprache näher
regeln und die organisatorischen Bestimmungen hinsichtlich der erleichterten
Zurverfügungstellung von Schulen treffen: Für die Slowenen in Kärnten ergingen
im Jahr 1959 das MindSchG f Krnt, BGBl 1959/101 und landesgesetzliche
Ausführungsbestimmungen (Krnt Landesgesetz, mit dem die Grundsatzbestimmungen
des MindSchG f Ktn ausgeführt werden, LGBl 1959/44). Für die Kroaten galt
lange Zeit auf einfachgesetzlicher Ebene nur eine rudimentäre Regelung (§ 7
burgenländisches Landesschulgesetz 1937, LGBl. Nr. 40); ein eigenes MindSchG f
Bgld, BGBl 1994/641 erging im Jahr 1994; landesgesetzliche
Ausführungsbestimmungen finden sich im bgld Pflichtschulgesetz, bgld LGBl
1995/36. Die Bestimmungen des MindSchG f Bgld und der genannten Ausführungsbestimmungen
beziehen sich in gleicher Weise auf die Ungarn im Burgenland; die Volksgruppe
der Roma wird nur ansatzweise berücksichtigt.
Für die anderen Volksgruppen bestehen keine
besonderen gesetzlichen Regelungen; der Unterricht ihrer Sprachen kann aber
nach den allgemeinen schulrechtlichen Bestimmungen berücksichtigt werden. Zu
erwähnen ist insbesondere auch die private Komensky-Schule in Wien für den
Unterricht der tschechischen und slowakischen Sprache.
Art 19 StGG, dessen Geltung und
Anwendbarkeit strittig ist, bezieht sich auf die „Wahrung und Pflege der ...
Sprache“ und auf die „Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen“ - unter
anderem - „im öffentlichen Leben“.
Art. 68 Abs. 2 StV v St. Germain sieht vor,
dass in Städten und Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Anzahl
österreichischer Staatsangehöriger wohnt, die einer Minderheit nach Rasse,
Religion oder Sprache angehören, diesen Minderheiten von allen Beträgen, die
etwa für Erziehung, Religions- oder Wohltätigkeitszwecke aus öffentlichen
Mitteln in Staats-, Gemeinde- oder anderen Budgets ausgeworfen werden, ein angemessener
Teil zu Nutzen und Verwendung gesichert ist. Nach den §§ 8 ff VGG hat der
Bund Maßnahmen und Vorhaben, die der Erhaltung und Sicherung des Bestandes der
Volksgruppen, ihres Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen, zu
fördern; den Volksgruppenorganisationen sind Geldleistungen (oder auch sog.
„lebende Subventionen“) zu gewähren.
Ein verfassungsrechtlicher Anspruch im Bereich
der Medien, etwa auf Versorgung mit Hörfunk- oder Fernsehprogrammen in den
Volksgruppensprachen oder mit Printmedien
in den Volksgruppensprachen besteht nicht.
Auf einfachgesetzlicher Ebene findet sich im
§ 5 ORF-G ein gewisser Versorgungsauftrag mit Programmen in den
Volksgruppensprachen; für die Presse findet sich eine Förderungsbestimmung im
§ 2 PresseförderungsG 2004.
Im Jahre 1976 erging das - bereits erwähnte - Volksgruppengesetz
(VGG, BGBl. 1976/398). Dieses Gesetz spricht von „Volksgruppen“ und nicht
von „Minderheiten“ ; im Sinn der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 VGG sind unter
Volksgruppen „die in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und beheimateten
Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und
eigenem Volkstum“ zu verstehen. Auf diesen Begriff stellt auch die erwähnt
Staatszielbestimmung des Art 8 Abs 2 B-VG ab. Als Volksgruppen im Sinn des VGG sind
anerkannt: die kroatische, die slowenische, die ungarische, die tschechische,
die slowakische Volksgruppe und die Volksgruppe der Roma (§ 2 Abs. 1 Ziffer 1
VGG in Verbindung mit § 1 der Verordnung der Bundesregierung vom
18. Jänner 1977 über die Volksgruppenbeiräte, BGBl 1977/38 idF zuletzt
BGBl 1993/895).
Das VGG verfolgt nach den Erläuterung der
Regierungsvorlage im Wesentlichen eine dreifache Zielsetzung: Erstens sollen
die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, die eine besondere, insb
finanzielle Förderung der Volksgruppen möglich machen (Vorschriften über die
Volksgruppenförderung).
Zweitens soll für die Volksgruppenangehörigen
ein Forum zur Vertretung ihrer Interessen geschaffen werden. Dieses Forum
sollen die Volksgruppenbeiräte bilden. Die Volksgruppenbeiräte sollen eine
Repräsentation der jeweiligen Volksgruppe ermöglichen. Sie können auch
Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Volksgruppen und ihrer Angehörigen
erstatten (§ 3 Abs. 1 VGG ).
Drittens sollen die sich aus den
Staatsverträgen von St. Germain und Wien ergebenden Verpflichtungen möglichst
in einem Gesetz zusammengefasst werden. Das VGG bezieht sich aber nur auf den
Bereich der zusätzlichen Amtssprache und Topographie (also insb auf die
Durchführung von Art 7 Z 3 StV v Wien); der Bereich der Schule
ist ausgenommen (und im Wesentlichen im MindSchG f Kärnten und MindSchG f Bgld
geregelt); die Bestimmung über die Volksgruppenförderung sollen insb Art 68
Abs 2 StV v St. Germain ausführen.
Zentrale Grundsätze des VGG werden in § 1
formuliert: Das sind die Gewährleistung der Erhaltung und die Sicherung des
Bestandes der Volksgruppen sowie die Achtung ihrer Sprachen und ihres Volkstums
(vgl § 1 Abs 1 VGG); das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei, es
ist niemand verpflichtet, seine Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe
nachzuweisen; keinem Volksgruppenangehörigen darf durch die Ausübung oder
Nichtausübung der ihm in dieser Eigenschaft zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen
(vgl § 1 Abs 3 VGG).
Das VGG ist im Wesentlichen ein Rahmengesetz:
Wichtige Regelungen werden auf Verordnungsstufe delegiert: so ist insbesondere
die Anerkennung als Volksgruppe nicht Gegenstand eines besonderen Rechtsaktes.
Hingegen ist durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem
Hauptausschuss des Nationalrates festzulegen, für welche Volksgruppen
Volksgruppenbeiräte eingerichtet werden (vgl die Verordnung der Bundesregierung
vom 18. Jänner 1977, BGBl 1977/38 idF zuletzt BGBl 1993/895). Darin ist eine
staatliche „Anerkennung“ als Volksgruppe zu sehen, die insofern von großer
Bedeutung ist, als die finanziellen Förderungsbestimmungen an das Bestehen
eines Volksgruppenrates anknüpfen (vgl § 10 VGG).
Ebenso ist die Anwendbarkeit der Amtsprachenregelung
– wie erwähnt - von der Erlassung von sogenannten Amtsprachenverordnungen,
Auch die Anbringung topographischer
Bezeichnungen ist von der Erlassung einer Verordnung der Bundesregierung im
Einvernehmen mit dem Hauptausschuss abhängig
Die Regelungen im Bereich des Schulwesens, das
im VGG ausgenommen ist, sollen noch einmal zusammenfassend erwähnt werden: An
einfachgesetzlichen Durchführungsbestimmungen ist das Minderheitenschulgesetz
für Kärnten (MindSchG f Krnt), BGBl. 1959/101 zu nennen, das für die
Slowenen in Kärnten ein Minderheitenschulwesen - in Durchführung insbesondere
zu Art. 7 Ziffer 2 StV v Wien - einrichtet.
Im Jahre 1994 wurde - insbesondere in
Ausführung zu Art. 7 Ziffer 2 StV v Wien - das Minderheitenschulwesen der
Kroaten im Burgenland durch das Minderheitenschulgesetz für Burgenland
(MindSchG f Bgld) einfachgesetzlich umfassend geregelt. Dieses bezieht sich
aber auch auf die Ungarn im Burgenland und in einem gewissen Ausmaß auch auf
die Roma im Burgenland. Es enthält grundsätzlich ähnliche Regelungen wie das
MindSchG f Krnt; weist aber zahlreiche, wesentliche Unterschiede im Detail auf.
1. Völkerrecht
Von den besonders relevanten völkerrechtlichen
Regelungen ist, abgesehen von den bereits genannten Bestimmungen des StV v Wien
und der Bestimmungen des StV v St. Germain, die völkerrechtlichen Ursprungs
sind, insbesondere Art. 27 Internationaler Pakt über bürgerliche und
politische Rechte, BGBl 1978/591, zu erwähnen. Dieser sieht vor, dass in
Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten den
Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden darf,
gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu
pflegen ... oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen. Der Nationalrat hat
anlässlich der Genehmigung des Abschlusses des Paktes beschlossen, dass dieser
durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist. Das bedeutet, dass Art. 27
leg.cit. zwar dem Einzelnen ein Recht einräumt, dass jedoch eine unmittelbare
Berufung auf diese Bestimmung nur vor einem internationalen Organ (etwa dem
Ausschuss für Menschenrechte nach Art. 28 des Paktes), nicht aber vor einem
nationalen Organ möglich ist.
Hervorzuheben ist das Rahmenübereinkommen
des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten, BGBl. III 1998/130 (RÜ), das
für Österreich am 1.7.1998 in Kraft getreten ist. Das RÜ ist die erste
rechtsverbindliche multilaterale Übereinkunft, die ausschließlich dem Schutz
nationaler Minderheiten im allgemeinen gewidmet ist. Das RÜ wurde von
Österreich als StV mit gesetzesänderndem bzw gesetzesergänzendem Charakter vom
NR nach Art 50 Abs 1 und Abs 2 B‑VG mit Erfüllungsvorbehalt
genehmigt („spezielle Transformation“); es ist daher nicht unmittelbar
anwendbar vor österreichischen Gerichten und Verwaltungsbehörden.
Die zweite Europaratskonvention, nämlich
die am 1. 10. 2001 für Österreich in Kraft getretene Charta der
Regional- und Minderheitensprachen soll die Regional- oder Minderheitensprachen
als einen bedrohten Aspekt des europäischen Kulturlebens schützen und fördern.
Mit der Charta sollen die Regional- oder Minderheitensprachen als solche, nicht
jedoch unmittelbar die sprachliche Minderheiten, geschützt und gefördert
werden. Daher wird die Betonung auf die kulturelle Dimension sowie die
Benutzung einer Regional- oder Minderheitensprache in allen Lebensaspekten
ihrer Benutzer gelegt. Die Charta sieht für diejenigen, die Regional- oder
Minderheitensprachen sprechen, keine Individual- oder Kollektivrechte vor.
Die Charta ist in Österreich nicht unmittelbar
anwendbar, richtet sich also an den Gesetzgeber. Überprüft wird die Einhaltung
der Verpflichtungen durch Staatenberichte - ähnlich wie beim RÜ. Diese
Staatenbereichte werden - wie ich aus eigner Erfahrung sagen kann - von einem
Expertenkomitee sehr eingehend geprüft, verbunden mit einem „Lokalaugenschein“
im jeweiligen Land. Das Ministerkomitee kann auf Grundlage des Berichts des
Expertenkomitees an einzelnen Staaten Empfehlungen richten, wenn sie
übernommene Verpflichtungen nicht erfüllen.
2. Gemeinschaftsrecht:
Das Gemeinschaftsrecht enthält keine
ausdrückliche Kompetenz zur Regelung des fördernden Minderheitenschutzes; es
ist aber zu beachten, dass es das nationale Minderheitenrecht verschiedentlich
berühren kann.
Minderheitenschutzvorschriften können insbesondere mit den Grundfreiheiten und mit dem
Diskriminierungsverbot des Art 12 (ex-Art 6) EGV in Konflikt
geraten, sodass sich insofern eine Gemeinschaftsrechtszuständigkeit ergeben
kann. Diese Linie wird anscheinend auch in den – freilich vereinzelt
gebliebenen – Urteilen des EuGH, die den Minderheitenschutz betreffen,
vertreten.
Hervorzuheben ist eine Entscheidung des EUGH
au dem Jahre 1998, aus der sich ergibt, dass EU-Bürger, die dieselbe Sprache
sprechen, die in Österreich im Verkehr mit Behörden als zusätzliche Amtssprache
zugelassen ist, nicht diskriminiert werden dürfen, also diese zusätzliche
Amtssprache in Anspruch nehmen können. Dies wird sich etwa auswirken mit dem
Beitritt Sloweniens, das slowenische Staatsbürger als EU-Bürger etwa die
Amtssprachenvorschriften in Kärnten in Anspruch nehmen dürften.
Die Grundrechte-Charta enthält keine Minderheitenschutzklausel. Art 22 der
Grundrechte-Charta sieht lediglich vor, dass die Union die Vielfalt der
Kulturen, Religionen und Sprachen achtet. (= Art II-22 Verfassungsentwurf).
Subjektive Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten können dieser
Bestimmung nicht entnommen werden; sie ist im Übrigen anscheinend nur als eine
objektive Verpflichtung der EU-Organe zu qualifizieren (was freilich in einem
Grundrechtskatalog systematisch unpassend erscheint).
Hinzuweisen ist auch auf die Rechtsprechungspraxis
des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), die für die rechtliche Stellung der
Volksgruppen in Österreich von erheblicher Bedeutung ist. Diese
Rechtsprechung kann im gegebenen Rahmen nur andeutungsweise dargestellt werden;
zu erwähnen ist insbesondere das Erkenntnis VfSlg 3314/1958, wonach das
Nationalitätenrecht unter den Begriff „Bundesverfassung“ Art. 10 Abs. 1 Ziffer
1 B-VG fällt und damit in die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit des
Bundes.
Nach dem grundlegenden Erkenntnis des
österreichischen Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 9.224/1981 enthalten die
verfassungsrechtlichen Minderheitenschutznormen „eine Wertentscheidung des
Verfassungsgesetzgebers zugunsten des Minderheitenschutzes“. Der VfGH führte
näher aus, dass „eine mehr oder minder schematische Gleichstellung von
Angehörigen der Minderheiten mit Angehörigen anderer gesellschaftlicher Gruppen
... der verfassungsgesetzlichen Wertentscheidung nicht immer genügen können
(wird)“ und weiters, dass „je nach dem Regelungsgegenstand ... es der Schutz
von Angehörigen einer Minderheit gegenüber Angehörigen anderer
gesellschaftlicher Gruppen sachlich rechtfertigen oder sogar erfordern (kann),
die Minderheit in gewissen Belangen zu bevorzugen.
Zu erwähnen sind schließlich die Erkenntnisse des VfGH, die
den staatsvertraglichen Bestimmungen des Art. 7 StV v Wien eine unmittelbare
Anwendbarkeit zugesprochen haben: Im Einzelnen wurde insbesondere in
VfSlg 11.585/1987 der Bestimmung des Art. 7 Ziffer 3 erster Satz StV v
Wien über die Verwendung der kroatischen und slowenischen Sprache als
Amtssprache die unmittelbare Anwendbarkeit zugesprochen (vgl auch bereits VfSlg
9744/1983); in VfSlg 12.245/1989 wurde der Bestimmung des Art. 7 Ziffer 2 StV v
Wien, die einen Elementarunterricht in slowenischer und kroatischer Sprache
vorsieht, die unmittelbare Anwendbarkeit zugesprochen. Der VfGH sieht sowohl in
Art. 7 Ziffer 3 erster Satz StV v Wien als auch in Art. 7 Ziffer 2 StV v Wien
die Einräumung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der
Minderheitsangehörigen.
Im sogenannten „Amtssprachenerkenntnis“ (VfSlg
15970/2000) und im sogenannten „Ortstafelerkenntnis“ (VfSlg 16404/2001) hat sich
der VfGH zum territorialen Geltungsbereich des Art 7 Z 3 StV v
Wien geäußert und festgehalten, dass unter „Verwaltungsbezirken mit gemischter
Bevölkerung“ nicht nur politische Bezirke, sondern auch Gemeinden (und im Fall
der Topographie: auch Ortschaften) zu verstehen seien, in den der Anteil der
slowenischensprechenden Wohnbevölkerung nach den Volkszählungsergebnissen im
Durchschnitt etwa 10 % betrage.
Eine grundlegende Frage ist, welchen natürlichen
Personen („Volksgruppenangehörigen“) durch
Bestimmungen, die – wie oben gezeigt – dem „fördernden
Volksgruppenrecht“ zugerechnet werden können, besondere, individuelle Rechte
eingeräumt werden. Es soll also der persönliche Geltungsbereich der
Regelungen aufgehellt werden. Solange keine Klarheit über die berechtigten
Rechtssubjekte besteht, ist dem gesamten Rechtsinstitut „eine sichere Basis
geradezu entzogen“. Dabei begegnet man freilich der Schwierigkeit, auf welche
Weise die Volksgruppenzugehörigkeit – als rechtlich relevant –
festzustellen ist: Soll es auf „objektive“ Merkmale (wie zB die Muttersprache
oder die Umgangssprache) ankommen, die in einem rechtlichen Verfahren
festzustellen sind, oder soll die „subjektive“ Erklärung des einzelnen, das
subjektive Bekenntnis zu einer Volksgruppe entscheidend sein
(„Bekenntnisprinzip“), oder muss eine Kombination von „objektiven“ und
„subjektiven“ Merkmalen vorgenommen werden. Wegen dieser Problematik, den
rechtlichen Status der Volksgruppenzugehörigkeit klar festzulegen, aber auch
wegen der Probleme bei der Vollziehung von Regelungen, die auf die
Volksgruppenzugehörigkeit abstellen, ist bei Regelungen des Minderheitenrechts
– ganz allgemein betrachtet – die Tendenz erkennbar, Regelung zu treffen,
die auf das Territorialitätsprinzip abstellt, dh dass etwa in einem
bestimmten Gebiet eine zusätzliche Amtssprache zugelassen wird, deren
Geltendmachung aber nicht an die Minderheitszugehörigkeit einer Person zu
knüpfen, sondern dieses Recht allen Staatsbürgern einzuräumen.
Hinzuweisen ist darauf, dass die geltenden
einfachgesetzlichen Regelungen im Volksgruppengesetz iVm der Durchführung auf
Verordnungsebene lassen – in gewissen Bereichen etwa bei der Verwendung der
zusätzlichen Amtssprache - bereits eine Tendenz zum geschilderten Territorialitätsprinzip
erkennen, indem der Gebrauch der Volksgruppensprache vor bestimmten Behörden
allen Staatsbürgern (und aus Gründen des Gemeinschaftsrecht – wie bereits
erwähnt - auch allen EWR-Bürgern) eingeräumt wird.
Diese Beobachtung ändert aber nichts daran,
daß die Rechtsvorschriften des österreichischen Volksgruppenrechts auf
Verfassungsebene nicht allgemein auf österreichische Staatsbürger abstellen,
sondern zusätzlich auf die Minderheitszugehörigkeit dieser
Staatsbürger. Die relevanten Regelungen auf Verfassungsebene verwenden unterschiedliche
Begriffe (nämlich „Volksstämme“ iSd Art 19 Abs 1 StGG; „nichtdeutschsprechende[n]
österreichische[n] Staatsangehörige“ iSd Art 66 Abs 4 StV v
St. Germain; „österreichische Staatsangehörige der slowenischen und
kroatischen Minderheiten“ iSd Art 7 Z 1 StV v Wien; „sprachliche[n]
Minderheiten“ iSd Art 8 Abs 1 B‑VG und „autochthone Volksgruppen“ iSd
Art 8 Abs 2 B‑VG).
Ich möchte diese Auslegung nur an einem
Beispiel, nämlich der zentralen Norm des Art 7 StV v Wien demonstrieren:
Art 7 StV v Wien bestimmt nicht näher, woraus sich die Minderheitszugehörigkeit
ergibt. Das Völkerrecht kennt keine allgemein anerkannte Definition des
Begriffes „Minderheit“, sondern die Existenz der ethnischen, sprachlichen und
religiösen Minderheiten voraussetzt, ohne sie näher zu definieren. Ganz
allgemein kann gesagt werden, dass die Zugehörigkeit zu einer Minderheit nach objektiven
bzw subjektiven Merkmalen beurteilt werden kann. Ein objektives Merkmal
wäre im Bereich des Art 7 Z 3 StV v Wien zB die Kenntnis der
jeweiligen Minderheitensprache (Kroatisch, Slowenisch); als subjektives
Merkmal der Minderheitszugehörigkeit ist das Bekenntnis zur kroatischen bzw
slowenischen Minderheit zu nennen. Grundsätzlich könnte daher bei der
Feststellung der Minderheitszugehörigkeit – im Einklang mit Art 7
Z 3 StV v Wien – auf das eine oder das andere bzw auf beide Elemente
abgestellt werden. Freilich tauchen dabei gleich verschiedene Probleme auf, wie
zB die Frage der Echtheit des Bekenntnisses oder die Möglichkeit eines
Missbrauchs. Eine – theoretisch denkbare – „objektive“ Feststellung
begegnet der Schwierigkeit, dass unklar ist, welche objektiven Merkmale (zB
Sprache, Erziehung, Abstammung usw) entscheidend sein sollen, und wie diese festzustellen
sind. Eine solche „objektivierte“ Feststellung, die den Status eines
Staatsangehörigen als Minderheitsangehöriger bestimmen soll, könnte nur unter
Einhaltung von rechtsstaatlichen Garantien durchgeführt werden (Nur eine
Anmerkung dazu vorweg: Auf einfachgesetzlicher Ebene wurden auch Regelungen in
diese Richtung, nämlich jene „über die geheime Erhebung der Muttersprache“
(bekannt auch als: „Minderheitenfeststellung“) erlassen, die sich aber in der
praktischen Anwendung als nicht handhabbar erwiesen). Am ehesten geeignet
erscheint eine Kombination von subjektiven und objektiven Kriterien, die man
„beschränktes Bekenntnisprinzip“ bezeichnen kann: Im Vordergrund steht das
subjektive Bekenntnis des einzelnen, das aber in einem gewissen –
Missbräuche im Zaum haltenden – Rahmen durch objektive Merkmale, also zB
die gewöhnliche Kenntnis der Volksgruppensprache, hinterfragt werden könnte.
Die ständige Rspr des VfGH zu Art 7
Z 3 StV v Wien geht von der ausschließlichen Geltung des Bekenntnisprinzips
für die Frage der individuellen Minderheitszugehörigkeit im einzelnen
Verfahren aus. Der VfGH führt als Begründung an, dass diese Auslegung dem
„Grundgedanken des Minderheitenschutzes“ entspreche, die Zugehörigkeit zu
einer bestimmten Volksgruppe nicht in jedem einzelnen Verfahren nachweisen zu
müssen, was unter Umständen zu einer „Diskriminierung“ führen könnte. Damit
stützte sich der VfGH auf den verfassungsrechtlichen Diskriminierungsschutz.
Das VGG hat auf einfachgesetzlicher
Ebene – teilweise in Ausführung zu den genannten verfassungsrechtlichen
Regelungen – einen neuen Begriff, nämlich jenen der „Volksgruppe(n)“
iSd § 1 Abs 3 VGG bzw des „Volksgruppenangehörigen“ (§ 1 VGG)
eingeführt und eine Legaldefinition der Volksgruppe (§ 1
Abs 2 VGG) vorgenommen. Für die Frage der Volksgruppenzugehörigkeit
des Einzelnen kommt es – wie nach dem VfGH - nur auf das freie Bekenntnis an
(§ 1 Abs 3 VGG). Keine Person ist verpflichtet, ihre Zugehörigkeit zu
einer Volksgruppe nachzuweisen.
Man kann zwischen individuellem Minderheitenschutz,
der auf den Schutz der Minderheitsangehörigen ausgerichtet ist, und „kollektivem“
Minderheitenschutz unterscheiden, der auf den Schutz der Gruppe als solcher
gerichtet ist; beide Formen des Minderheitenschutzes können – ganz
allgemein betrachtet – rechtlich durch Schutznormen des objektiven Rechts
und/oder durch Einräumung subjektiver Rechte gewährleistet sein.
Nach geltendem Recht werden die fördernden
Minderheitenrechte im StV v St. Germain und im StV v Wien nur als
individuelle Rechte der einzelnen Volksgruppenangehörigen betrachtet (der
Gruppenbezug dieser individuellen Rechte besteht lediglich darin, dass die
Existenz einer Gruppe als Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt wird und so zur
Bedingung der Ausübung der individuellen Rechte wird; zB also wenn nach
Art 7 Z 2 StV v Wien ein Anspruch den „Staatsangehörigen der
slowenischen Minderheit in Kärnten“) eingeräumt wird.
Vorschriften, die auf die Volksgruppe als
solche abstellen, werden als Verpflichtungen des Staates nach objektivem
Recht angesehen, die nicht von der Volksgruppe durchgesetzt werden können.
Die im Jahre 2000 beschlossene Staatszielbestimmung bezieht sich - wie etwa
§ 1 VolksgruppenG (VGG) auf einfachgesetzlicher Ebene – zwar ausdrücklich
auf den Schutz und die Förderung der „autochthonen“ Volksgruppen, ohne freilich
diesen Gruppen subjektive Rechte einzuräumen.
Die Frage der Einräumung kollektiver Rechte
der Volksgruppe – in Ergänzung zu den bestehenden individuellen
Rechten der Volksgruppenangehörigen – ist eines der grundsätzlichen
Probleme des Volksgruppenrechts, die einer Lösung durch den Gesetzgeber harrt.
Das Anliegen zur Normierung des Schutzes der
Volksgruppe durch „kollektive“ Rechte kann ganz allgemein damit begründet
werden, dass der Schutz der Individuen allein Defizite aufweist, und nur
mittelbar der Gruppe als solcher nützt. Im einzelnen kann freilich eine
Vielzahl von Gründen genannt werden; es sollen allein drei, sehr wesentlich
erscheinende, hervorgehoben werden:
Erstens: Der Schutz des Bestandes und der
kulturellen Identität der Volksgruppe, mit anderen Worten, der Schutz
gegen – ungewollte – Assimilierung. Zweitens: Eine rechtlich –
wie politisch – relevante Möglichkeit der Artikulierung des Willens der
Volksgruppe bis hin zur dezentralen Besorgung der eigenen Angelegenheiten. Und
drittens: Die Ergänzung des Rechtsschutzes insofern, als eine rechtliche
Durchsetzungsmöglichkeit betreffend solcher Normen geschaffen wird, die nicht
auf das Individuum sondern auf die Gruppe abstellen, aber de lege lata nicht
geltendgemacht werden können.
Die rechtspolitische Prämisse, die durch die
Einräumung kollektiver Rechte verfolgt wird, gilt es offenzulegen: Sie ist im
wesentlichen darauf gerichtet, den Bestand der Volksgruppen als „Wert“
anzuerkennen, der durch die Rechtsordnung effektiv geschützt werden soll.
Die Ausgestaltung von Gruppenrechten kann im
Einzelnen sehr unterschiedlich sein; ich möchte dazu nur folgende Anmerkung
machen:
Als eine der „intensivsten“ Formen der
kollektiven Rechte kennt man die Personalautonomie, dh die Einrichtung
der Volksgruppe als Körperschaft öffentlichen Rechts und als
Selbstverwaltungskörper. Eine zweite Form der Einräumung von kollektiven
Rechten ist die Territorialautonomie, dh eine Selbstverwaltung auf
territorialer Grundlage im Siedlungsgebiet der Volksgruppe. Wo aber die
Siedlungsgebiete eng verzahnt oder vermischt sind – wie dies in Österreich
wegen der Streulage der Minderheiten im großen und ganzen der Fall ist –
versagt letztere Organisationsstruktur, und es kommt nur eine Personalautonomie
in Frage.
Einen Entwurf, der de lege ferenda in
Österreich in diese Richtung geht, hat in jüngerer Zeit Prof. Pernthaler,
in einem Gutachten zu Fragen einer autonomen „öffentlich-rechtlichen Vertretung
der slowenischen Volksgruppe“ vorgelegt. Dieses sieht die Einrichtung der
slowenischen Volksgruppe als Personalkörperschaft öffentlichen Rechts und als
Selbstverwaltungskörper vor.
Eine andere, weniger „intensive“ Form
der Einräumung von Rechten der Volksgruppe wird – wie man es im
Anschluss an Brunner bezeichnen könnte – in sogenannten „vermittelnden“
Lösungen gesucht: Diese können etwa so gestaltet sein, dass die Volksgruppe
zwar als juristische Person und als Trägerin „kollektiver Rechte“ von
der Rechtsordnung anerkannt wird, dass aber von der Einrichtung eines
Selbstverwaltungskörpers abgesehen wird. Da die Volksgruppe als juristische
Person ohne Organe handlungsunfähig wäre, wird etwa vorgesehen, dass bestimmte
Volksgruppenorganisationen, die ihrerseits als privatrechtliche Vereine
organisiert sind, die der Volksgruppe eingeräumten Rechte im Namen der
Volksgruppe geltend machen können.
Einen Entwurf de lege ferenda für Österreich,
der in diese Richtung geht, hat 1997 Prof. Öhlinger vorgelegt; der von
mir vorgelegte Textvorschlag knüpft in seinem Abs 5 an diesen Entwurf an.
Das Institut der Volksgruppenbeiräte wurde
durch das Volksgruppengesetz (VGG) geschaffen; dadurch sollte den
Volksgruppenangehörigen nach den Absicht des Gesetzgebers ein „Forum“ zur
Vertretung ihrer „legitimen Interessen“ geboten werden. Die Konzeption dieser
Beiräte stieß jedoch von Beginn an auf massive Kritik: die Organisationen sahen
ihren Vertretungsanspruch gefährdet und fürchteten, durch ein von der
Bundesregierung bestelltes Gremium gleichsam ausgehebelt zu werden.
Abgesehen von dieser Problematik wurde in der
Folge – zu Recht – darauf hingewiesen, dass die Volksgruppenbeiräte als reine
Beratungsorgane zu einer adäquaten „Vertretung“ von Volksgruppeninteressen gar
nicht in der Lage sind; hinzu kommt der Umstand, dass ein von der
Bundesregierung bestelltes Gremium nicht als eigenständige „Vertretung“ der
Volksgruppe bezeichnet werden kann.
Die Diskussion um mögliche andere Formen der Volksgruppenvertretung
wurde in der Vergangenheit vor allem in Bezug auf die slowenische
Volksgruppe geführt: Es wurden verschiedene Entwürfe ausgearbeitet: Etwa das
bereits genannte „Modell einer autonomen „öffentlich-rechtlichen Vertretung der
slowenischen Volksgruppe“ das eine Einrichtung der slowenischen Volksgruppe als
Personalkörperschaft öffentlichen Rechts und als Selbstverwaltungskörper
vorsieht.
Über die Besorgung von eigenen Angelegenheiten
hinaus, die dieses Modell einer Personalautonomie vorsieht, wurde auch Entwürfe
ausgearbeitet, die eine Mitwirkung der Volksgruppe in „allgemeinen“
Angelegenheiten ermöglichen sollen: Also insb auf Modelle der politischen
Repräsentation, wie etwa ein besonderes Volksgruppenmandat im Landtag (vgl dazu
näher Öhlinger/Pernthaler, Projekt eines Volksgruppenmandats im Kärntner
Landtag [1997)). Diese Diskussion hat bisher noch zu keinem konkreten Ergebnis
geführt.
Nach geltendem Recht sind
Volksgruppenorganisationen als Vereine (bzw in Kärnten: auch als politische
Partei „Enotna Lista“ eingerichtet); sie haben ein Vorschlagsrecht für eine
bestimmte Anzahl von Personen, die von der Bundesregierung als Mitglieder des
Volksgruppenbeirates durch Bescheid ernannt werden können. Vereinigungen der
Volksgruppe können gegen die Bestellung von Mitgliedern des
Volksgruppenbeirates wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde beim VwGH erheben
(§ 4 Abs 1 VGG).
Die Bestimmungen gewähren eine intensivere
Garantie in einem bestimmten lokalen Gebiet, und gewisse Mindestgarantien
darüber hinaus (zB im Landesgebiet beim Schulwesen; oder auch im Bundesgebiet
bei den angemessenen Erleichterungen zum Gebrauch der Minderheitensprache nach
Art 66 Abs 4 StV v St. Germain).
Art 7 Z 3 stellt auf Verwaltungsbezirke mit slowenischer, kroatischer oder mit
gemischter Bevölkerung ab; in der
Diskussion zu den jüngst ergangenem Erkenntnissen des VfGH zur Amtssprache und
zur zweisprachigen Topographie ist wieder eine grundsätzliche Frage in den
Vordergrund gerückt: Wie ist das relevante Gebiet, in dem die Bestimmungen
gelten sollen, festzustellen und abzugrenzen? Es geht hier im Wesentlichen um
die Frage, in welchem Bereich die Volksgruppe als Gruppe, dh in welchem Gebiet
eine größere Anzahl von Menschen wohnt, die der Volksgruppe angehören, und in
ihrer Gesamtheit die Volksgruppe konstituieren? Insofern unterscheidet sich
diese Problematik von der – bereits angesprochenen - Frage der
Volksgruppenzugehörigkeit eines bestimmten Menschen, die bei der Geltendmachung
von individuellen Rechten in einem einzelnen Verfahren eine besondere Rolle
spielt!
Der VfGH hat in dem erwähnten
Amtssprachenerkenntnis und dem Ortstafelerkenntnis die Position eingenommen dass „bei Beurteilung der Frage, ob
in einem bestimmten Gebiet eine größere Anzahl der dort wohnenden Personen zur
Minderheit gehört, ua von einschlägigen statistischen Erhebungen auszugehen
sei, die sich im Rahmen von Volkszählungen ergeben“. Der VfGH geht davon aus,
dass es insb auf den Prozentsatz der „slowenisch sprechenden
Wohnbevölkerung“ ankommt, wie er sich aus den Volkszählungsergebnissen ergibt
(dieser wird aus der bei der Volkszählung gestellten Frage nach der
Umgangssprache, vgl § 2 Abs 3 VolkszählungsG 1980, erschlossen!)
Es stellt
sich die Frage, ob der Einwand berechtigt ist, dass nicht auf die
erwähnten „Volkszählungsergebnisse“ abgestellt werden darf, sondern dass durch
eine sog „Minderheitenfeststellung“ ermittelt werden müsse, wie hoch der
Anteil der Minderheitsangehörigen in einem bestimmten Gebiet sei! Diese
Terminologie ist etwas missverständlich: Denn damit kann nur die – rechtlich
noch vorgesehene – „geheime Erhebung der Muttersprache“ nach § 12
VolkszählungsG 1980 (iVm II. und III. Hauptstück des VolkszählungsG 1950
idF BGBl 1976/398) gemeint sein. (Die in § 10
Abs 1 MindSchG f Ktn, BGBl 1959/101 verheißene „amtliche
Minderheitenfeststellung“ zur örtlichen Festlegung von
Schulen sollte erst aufgrund einer künftigen bundesgesetzlichen Regelung
erfolgen. Diese ist allerdings nie ergangen und § 10 MindSchG f Ktn
sieht – seit der Nov BGBl 1988/326 – keine „amtliche Minderheitenfeststellung“
mehr vor.)
Im (noch
immer) geltenden III. Hauptstück des VolkszählungsG 1950 idF BGBl 1976/398 ist
eine geheime Erhebung der Muttersprache außerhalb einer Volkszählung (§ 17
VolkszählungG 1950 idF BGBl 1976/398) vorgesehen, die durch V der BReg im
Einvernehmen mit dem Hauptausschuss anzuordnen ist.
Worum geht es bei der nach § 12
VolkszählungsG 1980 BGBl 1980/199 vorgesehenen „geheimen Erhebung der Muttersprache“?.
Hier wird auf das objektive Merkmal der Muttersprache abgestellt,
diese soll Schlüsse auf die Minderheitszugehörigkeit zulassen; es wird nicht
etwa auf ein Bekenntnis zur Minderheit abgestellt. Die Feststellung erfolgt
im Rahmen eines geheimen Erhebungsverfahrens, das im wesentlichen dem
Verfahren bei einer Wahl nachgebildet ist und darüber hinaus zusätzliche
Garantien bietet.
Der Unterschied zur Volkszählung besteht
also in erster Linie in diesen besonderen rechtsstaatlichen Garantien;
hinsichtlich der damit beabsichtigten empirischen Fragestellung besteht nur
insofern ein Unterschied, als das eine Mal nach der „Muttersprache“ und
bei der Volkszählung nach der „Umgangssprache“ gefragt wird; und die
Herausarbeitung eines klaren Unterschieds zwischen „Muttersprache“ und
„Umgangssprache“ ohnehin äußerst schwierig ist!
Die „geheime Erhebung der Muttersprache“ wurde
zwar im Jahre 1976 durchgeführt, die Ergebnisse sind aber nicht aussagekräftig,
da diese von den Volksgruppen boykottiert wurde. Seit damals hat keine Erhebung
mehr stattgefunden.
Zusammenfassend ist
dazu festzuhalten, dass die in der Vergangenheit vorgeschlagenen und teilweise
auch durchgeführten Maßnahmen weder zur objektiven Feststellung der genauen
Zahl und des genauen Siedlungsgebietes der Minderheitsangehörigen geführt
haben.
Von der Durchführung einer „geheimen Erhebung
der Muttersprache“, sind –
praktisch gesehen nach den Erfahrungen der Vergangenheit – wohl keine
verlässlicheren empirischen Grundlagen zu erwarten, als bei der Volkszählung,
bei der nach der „Umgangssprache“ gefragt wird.
Zu erwähnen
ist noch folgende Besonderheit für den Bereich des Schulwesens: Im Fall der
Z 2 des StV v Wien im Bereich des Minderheitenschulwesens stellt der VfGH
auf das sog. „autochthone Siedlungsgebiet“, also das historische
Siedlungsgebiet, in dem die Volksgruppe „eingesessen“ ist, ab; es umfasst
im Wesentlichen die Gemeinden, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens den
StV v Wien Minderheitenschulen eingerichtet waren, und muss nicht mit dem
nach Art 7 Z 3 festgelegten gemischtsprachigen Gebiet zusammenfallen.
Dieses Gebiet wurde im Wesentlichen etwa in der Verfassungsbestimmung des
§ 7 Minderheiten-Schulgesetz näher konkretisiert, indem es die
Schulstandorte in jenen Gemeinden umfasst, in denen zu Beginn des Schuljahres
1958/1959 der Unterricht an Volks- und Hauptschulen zweisprachig erteilt wurde
(vgl für das Burgenland: § 6 Abs 2 MindSchG f Bgld).
Daneben sind Garantien zu unterscheiden, die
im gesamten Landesgebiet gelten oder auch im gesamten Bundesgebiet.
So kann etwa der Anspruch auf Schulunterricht
nach Art 7 Z 2 StV v Wien nach der Rechtsprechung des VfGH –
über die traditionellen Siedlungsgebiete hinaus - im gesamten Landesgebiet von
Kärnten oder Burgenland geltendgemacht, wenn ein nachhaltiger Bedarf besteht.
Die angemessenen Erleichterungen nach
Art 66 Abs 4 StV v St. Germain zum Gebrauch der Volksgruppensprache
im Verkehr mit Gerichten sind etwa im gesamten Bundesgebiet einzuräumen.
Die einfachgesetzlichen Bestimmungen enthalten
ähnlich Differenzierungen des Anwendungsbereiches.
Die verfassungsrechtlichen Garantien des
Art 7 Z 2 und Z 3 StV v Wien gelten nur für die slowenische und
die kroatische Volksgruppe. Eine Angleichung des Schutzniveaus für die anderen
Volksgruppen (Ungarische, Tschechische, Slowakische, Roma) ist in jenen
Bereichen zu überlegen, in denen dies – entsprechend der Größe der Volksgruppe
zweckmäßig ist. Für die Ungarn im Burgenland ist eine verfassungsrechtliche
Angleichung im Bereich des Schulwesens erst im Jahre 1994 durch die
Verfassungsbestimmung des § 1 MindSchG f Bgld erfolgt; im Bereich der
Amtssprache ist eine Angleichung erst im Jahre 2000 erfolgt, allerdings nicht
auf Verfassungsebene, sondern durch Erlassung einer Amtssprachenverordnung für
Ungarisch nach dem VGG.
Für die anderen Volksgruppen wären Anpassungen
an den Standard des Art 7 Z 2 StV v Wien etwa im Bereich des
Schulwesens zu erwägen.
Auf eine rechtspolitische Lücke soll besonders
hingewiesen werden: Die verfassungsrechtlich eingeräumten fördernden Rechte der
Minderheitsangehörigen treffen keine Anordnungen betreffend die
Verwendung der Minderheitensprache im Kindergarten. Auch Art 7 Z 2
StV v Wien spricht nur von Elementarunterricht. Der Versuch, die Kindergärten,
deren Aufgabe im wesentlichen die Unterstützung der Familienerziehung des
Kindes ist, unter den Ausdruck Elementarunterricht zu subsumieren, scheint die
Grenzen des Wortlautes zu überschreiten: Unterricht ist für die Schule
typisch, nicht aber für den Kindergarten.
Dies hatte zur Folge, das lange Zeit keine
zweisprachige Kindergartenerziehung vorgesehen war, was sich auf die
Sprachkompetenz der Kinder und auf die effektive Wahrnehmung des Rechtes auf
Elementarunterricht in den Schulen ausgewirkt hat. Im Bgld sind erst seit dem
Jahre 1990 öffentliche zweisprachige Kindergärten nach dem KindergartenG
eingerichtet; in Kärnten gibt es keine öffentlichen, nur private Kindergärten,
die lange Zeit der Bund gefördert hat, und seit dem KindergartenfondsG 2001
auch das Land Kärnten in entsprechender Weise.
Da zentrale Bestimmungen völkerrechtlichen
Ursprungs und als solche unbestimmt und allgemein formuliert sind, bereitet
deren Auslegung im innerstaatlichen Bereich erhebliche Probleme; so etwa auch
bei der zentralen Normen der Art 7 Z 2 und Z 3 StV v Wien,
bei denen es sich um staatsvertragliche Bestimmungen handelt, die generell in
das innerstaatliche Recht transformiert („adoptiert“) wurden; es sind daher
grundsätzlich völkerrechtliche Auslegungsregeln heranzuziehen.
Die Regelung kann nicht klar sein, weil die
internationale Vertragssprache von der österreichischen Rechtssprache erheblich
abweicht und weil die für Staaten getroffenen Anordnungen in solche
‘umgedacht’ werden müssen, die für die Rechtsunterworfenen unmittelbar gelten.
Die bereits bezogenen zahlreichen Fälle des VfGH zu Art 7 StV v Wien
beschäftigen sich in erster Linie mit Auslegungsfragen von unbestimmten
Begriffen (noch dazu in 4 Vertragssprachen), wie zB „Verwaltungsbezirk mit
gemischter Bevölkerung“, „Elementarunterricht“ und anderen Fragen, die für das
Völkerrecht typisch sind: So wurde etwa lange Zeit die unmittelbare
Anwendbarkeit des Art 7 StV v Wien bestritten, die aber – wie erwähnt –
mittlerweile in ständiger Rechtsprechung anerkannt ist.
Eine Lösung dieser Fragen bestünde in der
Formulierung eines Grundrechtsartikels, der die innerstaatliche Terminologie
verwendet und dabei freilich den völkerrechtlich gebotenen Schutz, der vom VfGH
in den zahlreichen Erkenntnissen konkretisiert wurde, bewahrt.
Eingangs wurde der verfassungsrechtliche Minderheitenschutz von
seinen Rechtsquellen her als sehr zersplittert charakterisiert; die Rechtsgrundlagen gehören
insbesondere verschiedenen historischen Schichten an. Bei näherer
Betrachtung der einzelnen Regelungen sieht man, dass sie
Rechtsvorschriften enthalten, die einander ergänzen und konkretisieren,
teilweise aber auch solche, die inhaltlich ähnliche oder gleichlautende
Anordnungen treffen.
Daraus
ergeben sich schwierige Fragen des Verhältnisses der Bestimmungen zueinander;
bekanntestes Beispiel ist die Frage, ob Art 19 StGG noch gilt; hier wurde
vom VfGH mit einer Derogation durch die Art 66, 67 und 68 des StV v
St. Germain iVm Art 8 B‑VG argumentiert und mit der mangelnden
Anwendbarkeit der Bestimmung auf die Situation in der Republik, in der es nur
mehr „Minderheiten“ und keine „Volksstämme“ gebe. Das Reichsgericht der
Monarchie hat aber unter dem Begriff „Volkstämme“ nicht nur Gruppen verstanden,
die einander im Wesentlichen zahlenmäßig gleichgestellt waren, sondern diesen
Begriff ausdrücklich auch auf „nationale Minoritäten von österreichischen
Staatsbürgern“ bezogen, die sich in einer ähnlichen Minderheitensituation
befanden, wie die heutigen Volksgruppen; dies stand auch im Einklang mit den
Materialien zu dieser Bestimmung, in den der Begriff „Volksstämme“ als
Oberbegriff verwendet wurde, der sowohl Mehrheiten als auch Minderheiten
umfasste.
Diese Frage
ist nicht zu unterschätzen, zumal Art 19 StGG die einzige originäre und
umfassende innerstaatliche Grundrechtsbestimmung zum Schutz der Minderheiten
ist, die sich im zentralen österreichischen Grundrechtskatalog des StGG findet,
und sich in dieser Bestimmung auch Ansätze für den Schutz der Gruppe als
solcher und nicht nur der einzelnen Angehörigen finden. Aufgrund dieser
Rechtsprechungspraxis hat aber Art 19 StGG in der 2. Republik keine Bedeutung erlangt.
Die in den
einzelnen Vorschriften normierten Garantien sollten – daher dem
Günstigkeitsprinzip (wie es etwa auch in der MRK zum Zusammenspiel von
innerstaatlichen Grundrechten und Rechten der MRK normiert ist) - folgend - in
einem Artikel zusammengeführt werden.
Der StV v
St. Germain und der StV v Wien sind völkerrechtlichen Ursprungs: Die Frage
des völkerrechtlichen Ursprungs könnte bei der zentralen Norm des
Art 7 StV v Wien Probleme bereiten: Es handelt sich nämlich um eine
völkerrechtliche Bestimmung, die zwar innerstaatlich im Verfassungsrang steht,
deren Geltungsgrund aber im Völkerrecht liegt: Dh sollte eines Tages der
gesamte StV v Wien für obsolet erklärt werden – wir haben das vor einigen
Jahren bei einzelnen anderen Bestimmungen des StV v Wien erlebt, die
innerstaatlich auch in Verfassungsrang gestanden sind – würde der Art 7
auch innerstaatlich seine Geltung verlieren. Daher ist es wichtig, den Inhalt
des Art 7 StV v Wien innerstaatlich in unmissverständlicher Weise -
und zwar durch Übernahme (Rezeption) - als innerstaatliches
Verfassungsgesetz abzusichern, wie dies etwa für den Abschnitt V des StV v St. Germain (dessen
Geltung auf völkerrechtlicher Ebene bestritten wird) durch Aufnahme in die
Aufzählung des Art 149 B-VG geschehen ist; dann könnte der Verlust der
völkerrechtlichen Geltung nicht innerstaatlich durchschlagen.
Ein Lösungsvorschlag zu den genannten strukturellen Fragen könnte in der
Zusammenführung der
verschiedenen Texte und vor allem ihrer inhaltlichen Garantien zu einer zentralen
verfassungsrechtlichen Minderheiten-Schutzbestimmung auf Verfassungsebene als
Teil eines neuen Grundrechtskatalogs liegen.
Übernimmt
man so den Inhalt des Art 7 StV v Wien als innerstaatliches
Verfassungsgesetz wäre auch die eben aufgezeigte Problematik einer etwaigen
Obsoleterklärung des StV v Wien gelöst.
Möglichkeiten
für eine konkrete Vorgangsweise:
Variante 1:
Neufassung einer zentralen Minderheitsschutzbestimmung in einem neuen
Grundrechtskatalog, in der die bestehenden Garantien in einem Artikel
zusammengeführt werden; die erwähnten zahlreichen Durchführungsvorschriften im
Volksgruppengesetz und in den Minderheiten-Schulgesetzen könnten auf
einfachgesetzlicher Stufe bleiben, sollten aber etwa mit 2/3-Mehrheit
abgesichert werden.
Variante 2: Oder man wählt den Weg
einer umfassenden Neukodifikation in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz:
dazu existiert etwa ein Entwurf eines Volksgruppengrundgesetzes und als
Ausführungsgesetz ein neues Volksgruppengesetz. Diese Variante (in meiner
Übersicht unter III.C. hervorgehoben) würde auch eine Umgestaltung der
Ausführungsvorschriften (etwa des Volksgruppengesetzes) vorsehen, und soll hier
– da über die Erstellung eines Grundrechtskatalogs hinausgehend – nicht
nachgegangen werden.
Hier soll
aber der Weg eines neuen Grundrechtsartikels vorgestellt werden.
Was müsste
bei einer solchen Kodifikation inhaltlich beachtet werden?
1. Es
müsste jedenfalls sichergestellt werden, dass alle bisher bestehenden
inhaltlichen Garantien der Vorschriften auf Verfassungsebene (und auch
jene, die der VfGH in seiner grundsätzlich minderheitenfreundlichen
Judikatur zu diesen Bestimmungen entwickelt hat) in dieser neuen Bestimmung
festgeschrieben werden und auch ausdrücklich – etwa in den Erläuterungen zu
dieser Bestimmung – festgehalten wird, dass die Judikatur des VfGH – auch wenn
die neue Bestimmung einen etwas anderen Text hätte – weiter für die Auslegung
relevant sein soll.
2. Wenn über Pkt. 1. Konsens
besteht, ist eine vorsichtige Weiterentwicklung des verfassungsrechtlichen
Minderheitenschutzes zu erwägen, die auf die Probleme
Bedacht nehmen sollte, die ich vorhin erläutert habe.
Ich habe einen entsprechenden Textvorschlag
mit Erläuterung erstellt, den ich jetzt abschließend noch kurz
vorstellen möchte.
Siehe die ausgeteilte Synopse für einen
Textvorschlag.
Rechte
der Volksgruppen 1
I. Geltende
Rechtslage zum Schutz der Minderheiten (Volksgruppen) - Überblick............... 1
A. Verfassungsrechtlicher
Volksgruppenschutz.............. 1
1. Kein
einheitlicher Regelungskomplex – Zersplitterung (Völkerrechtsquellen,
verschiedene historische Schichten).............. 1
2. Diskrimierungsverbote
(Ausprägungen des Gleichheitssatzes).............. 3
3. Fördernde
Volksgruppenrechte.............. 3
a. Rechte auf Gebrauch
der eigenen Sprache (Amtssprache, Topographie).............. 3
b. Rechte auf dem
Gebiet des Unterrichts- und Erziehungswesens.............. 4
c. Rechte im Bereich
der Kultur.............. 6
B. Hinweis auf
Durchführungsvorschriften.............. 6
1. Volksgruppengesetz
(VGG) und Durchführungsverordnungen.............. 6
2.
Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten (MindSchG f Ktn) und
Minderheiten-Schulgesetz für Burgenland (MindSchG f Bgld).............. 8
C. Hinweis auf den
völker- und gemeinschaftsrechtlichen Rahmen.............. 8
1. Völkerrecht.............. 8
2. Gemeinschaftsrecht.............. 9
D. Rechtsprechung des
VfGH zum Minderheitenschutz.............. 10
II. Ausgewählte Fragen
des geltenden verfassungsrechtlichen Volksgruppenschutzes............... 11
A. Fragen des
persönlichen Geltungsbereiches:.............. 11
1. Frage der
Volksgruppenzugehörigkeit eines Menschen.............. 11
2. Individuelle Rechte
der Volksgruppenangehörigen – keine „kollektiven“ Rechte der Volksgruppe als
solche.............. 14
3. Frage einer Volksgruppenvertretung.............. 16
B. Fragen des örtlichen
Geltungsbereiches.............. 17
1. Fragen der
Feststellung des relevanten Gebietes.............. 17
2. Mindestgarantien im
gesamten Landes- oder Bundesgebiet.............. 19
C. Fragen des
sachlichen Geltungsbereiches.............. 19
1. Unterschiedliches
Schutzniveau der einzelnen Volksgruppen.............. 19
2. Rechtspolitische
Lücken.............. 20
D. Strukturelle Fragen.............. 20
1. Auslegungsprobleme
bei Bestimmungen völkerrechtlichen Ursprungs.............. 20
2. Verhältnis der
historischen Schichten zueinander (Derogationsfragen).............. 21
3. Art 7 StV
v Wien und allfälliger Geltungsverlust als völkerrechtlicher Vertrag.............. 22
III. Kodifikation des
verfassungsrechtlichen Minderheitenschutzes............... 22
A. Lösungsvorschlag zu
strukturellen Fragen.............. 22
B. Neuer
Grundrechtsartikel und inhaltliche Fragen.............. 23
IV. Textvorschlag und
Erläuterungen für einen Grundrechtsartikel............... 24
A. Textvorschlag (und
Synopse, siehe Anlage 2).............. 24
B. Erläuterungen zum
Textvorschlag (siehe Anlage 3).............. 24