Ausschuss 8
Rechte der Parlamente
Bundesgesetz über Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige
öffentliche Funktionäre (Unvereinbarkeitsgesetz 1983)
StF: BGBl. Nr. 330/1983 (WV) idF BGBl. I Nr. 194/1999 (DFB)
Synopse auf Basis der Stellungnahmen der Universitätsprofessoren Hauer, Janko und Tretter
1. Anwendungsbereich:
„§ 1. Die Beschränkungen dieses Bundesgesetzes gelten für
1. die im Art. 19 Abs. 1 B-VG bezeichneten Organe der Vollziehung,
2. die Bürgermeister, ihre Stellvertreter und die Mitglieder des Stadtsenates in den Städten mit eigenem Statut,
3. die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage.“
2. Verbot der Berufsausübung:
„§ 2. (Verfassungsbestimmung) (1) Die Mitglieder der Bundesregierung, die Staatssekretäre, die Mitglieder der
Landesregierungen (in Wien der Bürgermeister und die amtsführenden Stadträte), der Präsident des Nationalrates, die Obmänner der Klubs im Nationalrat (im Falle der Bestellung eines geschäftsführenden
Obmannes dieser), der Präsident des Rechnungshofes, die Mitglieder der Volksanwaltschaft und die amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates (Stadtschulrates für Wien) dürfen während ihrer
Amtstätigkeit keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben.
(2) Unverzüglich nach Amtsantritt haben die Mitglieder der Bundesregierung und die Staatssekretäre dem Unvereinbarkeitsausschuß des Nationalrates (§ 6), die Mitglieder der Landesregierungen dem
nach der Landesgesetzgebung zuständigen Ausschuß des Landtages die Ausübung eines Berufes (Abs. 1) anzuzeigen. Genehmigt der Ausschuß die Ausübung des Berufes unter Bedachtnahme auf die Gewährleistung
einer objektiven und unbeeinflußten Amtsführung nicht, so ist die Ausübung des Berufes spätestens drei Monate nach einem solchen Beschluß des Ausschusses einzustellen.
(3) Eine im Abs. 1 bezeichnete Person darf während ihrer Amtstätigkeit eine Berufstätigkeit (Abs. 1) nur mit Genehmigung des Ausschusses beginnen.
(4) Die Verwaltung des eigenen Vermögens sowie die Ausübung von Funktionen in einer politischen Partei, in einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen Berufsvereinigung, in die die Person gewählt wurde, gelten nicht als Ausübung eines Berufes (Abs. 1).
(5) Die Landesgesetzgebung ist ermächtigt, für die öffentlichen Funktionäre der Länder und Gemeinden weitergehende Regelungen zu treffen.“
Zu § 2:
Hauer:
Zu überlegen wäre, ob nicht ein Verbot der Ausübung solcher
Berufe mit Erwerbsabsicht angeordnet werden sollte, das ex lege nur dann
greift, wenn die Berufsausübung Zweifel an der objektiven und unbeeinflussten
Amtsführung (so Abs 2) entstehen läßt. Die Entscheidung über die Erfüllung
dieses Tatbestandes könnte dem VfGH überantwortet werden, dessen Anrufung als
parlamentarisches Minderheitenrecht ausgestaltet werden könnte. Die
Ermächtigung zu weitergehenden Regelungen in § 2 Abs 5 leg cit erscheint
entbehrlich.
Ein Regelungsvorschlag: „Die
obersten Organe der Verwaltung, der Präsident des Nationalrates, der Präsident
des Rechnungshofes und die Mitglieder der Volksanwaltschaft dürfen während
ihrer Amtstätigkeit keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben, der Zweifel an der
Gewährleistung einer objektiven und unbeeinflussten Amtsführung hervorzurufen
geeignet wäre. Ausgenommen sind die Verwaltung des eigenen Vermögens sowie die
Ausübung von Funktionen in einer politischen Partei, in einer gesetzlichen
Interessenvertretung oder freiwilligen Berufsvereinigung, in die die Person
gewählt wurde. Im Zweifel erkennt über das Vorliegen einer unvereinbaren
Berufstätigkeit der Verfassungsgerichtshof über Antrag eines Drittels der
Mitglieder des Nationalrates bzw des Landtages.“
Janko:
1. Der Begriff „Beruf mit Erwerbsabsicht“
ist unklar; reicht hierfür bereits das Erzielen von
Entgelt (zB aus vereinzelten Vorträgen)
oder bedarf es auch anderer Kriterien, etwa eines
bestimmten Umfanges oder einer längeren
Dauer der betreffenden Tätigkeit?
2. Die „Verwaltung des eigenen Vermögens“
wird vom Berufsverbot explizit nicht erfasst;
abgesehen von der dadurch eröffneten
Umgehungsmöglichkeit – statt selbst im eigenen
Namen unternehmerisch tätig zu werden,
kann das Regierungsmitglied eine Einmanngesellschaft gründen und deren
Geschicke im Umweg über die von ihm dominierte Gesellschafterversammlung
steuern – bewirkt diese Abgrenzung eine Begünstigung des Einkommens aus
Kapitalvermögen und damit jener Funktionäre, die über entsprechenden Besitz
verfügen.
Vorschläge für eine Neugestaltung:
An die Stelle des grundsätzlichen
Berufsverbotes und des Verbotes, bestimmte leitende
Stellungen zu bekleiden, tritt eine –
nicht in der Verfassung, sondern am Besten im Unvereinbarkeitsausschuss näher
zu bestimmende – jährliche Zuverdienstgrenze, allenfalls
gestaffelt nach unterschiedlichen
Einkunftsarten. Beträge, die diese Grenze überschreiten,
sind an einen Sozialfonds des
Nationalrates oder dgl abzuführen.
Alternative: Sollte dieser Vorschlag,
der dem Entstehen von Interessenkonflikten der weiter oben geschilderten
Art mindestens ebenso gut
vorbeugt wie die geltende Rechtslage, dabei aber die derzeit auftretenden
Abgrenzungsschwierigkeiten
und Rechtsschutzdefizite reduziert und außerdem eine Annäherung der
Rechtsstellung
vermögender und weniger vermögender Regierungsmitglieder ermöglicht, keinen
Anklang
finden, müsste das bestehende
Berufsverbot jedenfalls insoweit umgestaltet werden, als
a) der Begriff „Beruf mit
Erwerbsabsicht“ näher definiert werden sollte, wobei wiederum die Entgeltshöhe
pro Jahr eine
entscheidende Determinante bilden könnte;
b) die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung einer qualifizierten Mehrheit vorbehalten werden sollte, um
einen wirksamen Einfluss
der – eigentlich mit der Kontrollaufgabe betrauten – Opposition zu
gewährleisten;
c) ein
Rechtsschutzverfahren bei gesetzlich nicht gedeckter Genehmigungsverweigerung
eingerichtet werden
sollte, um
grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht zu werden, wobei
primär an
eine Anrufung des
Verfassungsgerichtshofes zu denken wäre; sowie
d) zwecks
Umgehungsvermeidung auch die Vermögensverwaltung in das Genehmigungsregime mit
einbezogen
werden sollte.
Tretter:
Zu überlegen wäre, die Ausübung
eines öffentlichen Amtes iSd § 1 UnvG für Personen zu untersagen, die
maßgebende Funktionen bei den Sozialpartnern ausüben.
3. Verbot
der Auftragsvergabe:
„§ 3. (Verfassungsbestimmung) (1) Steht ein Unternehmen im Eigentum eines Mitgliedes der Bundesregierung, eines Staatssekretärs oder eines Mitgliedes der Landesregierung oder sind sie Eigentümer von
Anteilsrechten an einer Gesellschaft oder sonstiger Anteilsrechte an einem Unternehmen, so sind sie verpflichtet, bei Antritt ihres Amtes oder unverzüglich nach Erwerb solchen Eigentums dies dem Unvereinbarkeitsausschuß des Nationalrates (§ 6) oder dem nach der Landesgesetzgebung zuständigen Ausschuß des Landtages anzuzeigen; dabei ist das Ausmaß bestehender Anteilsrechte einschließlich der des Ehegatten anzugeben. Liegt eine Beteiligung, einschließlich der des Ehegatten, über 25 vH, so dürfen solchen Gesellschaften oder
Unternehmen,
1. sofern es sich um Mitglieder der Bundesregierung oder um Staatssekretäre handelt, weder unmittelbar noch mittelbar Aufträge vom Bund und von der Kontrolle des Rechnungshofes gemäß Art. 126b B-VG unterliegenden Unternehmen,
2. sofern es sich um Mitglieder der Landesregierung handelt, weder unmittelbar noch mittelbar Aufträge vom betreffenden Land und von wegen einer finanziellen Beteiligung dieses Landes der Kontrolle des Rechnungshofes gemäß Art. 127 Abs. 3 B-VG unterliegenden Unternehmen erteilt werden.
(2) Der Abs. 1 gilt sinngemäß für die Vergabe von Aufträgen an freiberuflich tätige Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretäre und Mitglieder der Landesregierungen und solche freiberuflich tätige
Personen, die mit einem Mitglied der Bundesregierung, einem Staatssekretär oder mit einem Mitglied der Landesregierung in einer Büro- oder Kanzleigemeinschaft tätig sind.
(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann für Mitglieder der Bundesregierung und für Staatssekretäre der Unvereinbarkeitsausschuß des Nationalrates (§ 6), für Mitglieder der Landesregierung der nach
der Landesgesetzgebung zuständige Ausschuß des Landtages Ausnahmen zulassen, sofern durch geeignete Vorkehrungen die unbedenkliche Amtsführung sichergestellt ist.
(4) Der Unvereinbarkeitsausschuß des Nationalrates (§ 6) hat dem Bundeskanzler jene Unternehmen und freiberuflich tätigen Personen im Sinne des Abs. 2 mitzuteilen, an die keine Aufträge erteilt werden
dürfen. Der Bundeskanzler hat diese Mitteilung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen. Diese Bestimmung ist im Bereich der Länder sinngemäß anzuwenden.“
Zu § 3:
Hauer:
§ 3 Unvereinbarkeitsgesetz verbietet im Ergebnis – in im Detail komplizierter Regelung – die Erteilung öffentlicher Aufträge an bestimmte Personen.
Bei der Beurteilung der
rechtspolitischen Sinnhaftigkeit der Beibehaltung dieser Regelung ist
jedenfalls zu bedenken, dass dieses Verbot der Auftragsvergabe aus einer Zeit
stammt, in der Vergaberecht (als außenwirksames Recht) und Vergaberechtsschutz
praktisch nicht existierten. In diesem Punkt sind mittlerweile wesentliche
Änderungen der Rahmenbedingungen eingetreten. Es gilt also zu überlegen, ob den
mit § 3 UnvereinbarkeitsG verfolgten Interessen, unsachliche Begünstigungen bei
der Vergabe öffentlicher Aufträge hintanzuhalten, nicht ohnehin durch die
Institutionen des Vergaberechts (der diesbezüglichen nachprüfenden Kontrolle)
und durch die dadurch geschaffene Transparenz hinreichend entsprochen ist. Ich
meine daher, dass auf § 3 UnvereinbarkeitsG überhaupt verzichtet werden könnte.
(Die in der Praxis gelegentlich vorkommenden „undurchsichtigen“
Auftragsvergaben beziehen sich ja tendenziell ohnehin auf den –
rechtsregulatorisch nur schwer fassbaren – Bereich persönlicher Bekanntschaften
etc; hier bleibt aber wohl nur das Vertrauen in die Kontrolle durch Gerichte
und durch die öffentliche Meinung.)
Janko:
1. Das Verbot der öffentlichen
Auftragsvergabe betrifft Unternehmungen, an denen die Beteiligung eines
Regierungsmitgliedes, „einschließlich der des Ehegatten“ über 25% liegt;
abgesehen davon, dass sich die Frage
stellt, ob auch alleiniger Anteilsbesitz des Ehegatten
das gegenständliche Verbot auslösen kann,
bleibt unklar, warum Beteiligungen von Nachkommen, Vorfahren oder
Lebensgefährten gänzlich außer Betracht bleiben, obgleich diese in mindestens
gleicher Weise Interessenkonflikte auszulösen vermögen.
2. § 3 Unvereinbarkeitsgesetz nötigt
Regierungsmitglieder, die an einer Unternehmung beteiligt oder in einer
Kanzleigemeinschaft tätig sind, welche von öffentlichen Aufträgen
abhängig ist, zur Aufgabe der Beteiligung
bzw Mitgliedschaft, da eine Treuhandlösung
den Intentionen des in Rede stehenden
Verbotes nicht gerecht wird; dieser Effekt erscheint
unverhältnismäßig und berührt daher die
Grundrechtssphäre.
3. Das Verbot der öffentlichen
Auftragsvergabe schießt seinem Wortlaut nach aber auch
insoweit deutlich über das Ziel hinaus,
als – wegen der Bezugnahme auf Art 126b B-VG –
bereits ein Anteil des Bundes von 1%
ausreichen kann, um die Subsumtion eines Auftraggebers unter das gegenständliche
Verbot zu begründen, und damit keineswegs nur Rechtsträger erfasst werden, auf
deren betriebliche Gestion das Regierungsmitglied Einfluss
nehmen kann; neben der grundrechtlichen
Problematik löst dieser Umstand auch vergaberechtliche Bedenken aus, die wegen
des gemeinschaftsrechtlichen Charakters der betreffenden Vorschriften – anders
als der Konflikt mit diversen Grundrechten – auch durch den Verfassungsrang des
§ 3 Unvereinbarkeitsgesetz nicht entschärft werden.
Vorschläge für eine Neugestaltung:
1. Im Sinne eines umfassenden
Transparenzgebotes trifft die Regierungsmitglieder eine – in
regelmäßigen Abständen zu erfüllende – Anzeigepflicht
a) in Bezug auf die von ihnen erzielten
Einkünfte unter Angabe der Bezugsquelle, wobei
aus gegebenem Anlass die Klarstellung
geboten erscheint, dass jede Leistung, die in einem
synallagmatischen Verhältnis zu einer vom
Regierungsmitglied erbrachten Tätigkeit
steht, zu den anzeigepflichtigen
Einkünften zu rechnen ist, auch wenn sie an Dritte erbracht
oder bestimmten Zwecken gewidmet sein
sollte;
b) in Bezug auf die Bestandteile ihres
Vermögens, einschließlich von Unternehmensbeteiligungen, und zwar – wie schon
nach geltender Rechtslage – ungeachtet des prozentuellen Anteils am
Gesamtunternehmen, jedoch unter Angabe dieses Prozentsatzes; sowie
c) in Bezug auf öffentliche Aufträge, die
Unternehmungen mit über 25%iger Beteiligung
des betreffenden Regierungsmitgliedes
erteilt werden.
2. Das grundsätzliche Verbot der
öffentlichen Auftragsvergabe wird durch eine kritische
Beobachtung der Vergabepraxis in Bezug auf
Unternehmungen mit qualifizierter
Beteiligung von Regierungsmitgliedern ersetzt. Insbesondere ist darauf zu achten, ob im
Vergleich zu den Zeiträumen vor
Amtsantritt ein signifikanter Anstieg entsprechender
Auftragsvergaben stattfindet. Bei der
Umschreibung der in die Betrachtung mit einzubeziehenden Auftraggeber wird an
die Kompetenzaufteilung gemäß Art 14b Abs 2 B-VG anzuknüpfen sein.
3. Hinzu tritt eine kritische
Beobachtung der Vermögensentwicklung der Regierungsmitglieder, wobei zwecks
Umgehungsvermeidung auch an die Einbeziehung von Rechtsträgern mit
struktureller Nahebeziehung zu den betreffenden Funktionären zu denken sein
wird, etwa an von ihnen beherrschte Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder
an Privatstiftungen mit ihnen verbrieften Bezugsrechten, bei denen
Vermögensbestandteile
„zwischengeparkt“ werden könnten.
Tretter:
Auch geringfügige Anteile können
Hinweise auf maßgebende Einflüsse oder de facto-Beherrschungen geben, daher
sollte keine Bagatellgrenze eingeführt werden.
4. Offenlegung der Vermögensverhältnisse:
„§ 3a. (Verfassungsbestimmung) (1) Die Mitglieder der Bundesregierung, die Staatssekretäre, die Mitglieder der
Landesregierungen und in Wien der Bürgermeister sowie die weiteren Mitglieder des Stadtsenates sind verpflichtet, jedes zweite Jahr sowie innerhalb von drei Monaten nach Amtsantritt und nach Ausscheiden aus ihrem Amt dem Präsidenten des Rechnungshofes ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen.
(2) Offenzulegen sind:
1. Liegenschaften unter genauer Bezeichnung der Einlagezahl und der Katastralgemeinde;
2. das Kapitalvermögen im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 des Bewertungsgesetzes 1955 in einer Summe;
3. Unternehmen und Anteilsrechte an Unternehmen unter Bezeichnung der Firma;
4. die Verbindlichkeiten in einer Summe.
(3) Der Präsident des Rechnungshofes hat im Fall außergewöhnlicher Vermögenszuwächse dem Präsidenten des Nationalrates beziehungsweise
dem Präsidenten des Landtages zu berichten; diese können auch vom Präsidenten des Rechnungshofes jederzeit eine Berichterstattung verlangen. Zum Zweck der Berichterstattung kann der Präsident des Rechnungshofes die Vorlage des Vermögensteuerbescheides einer der im Abs. 1 genannten Personen verlangen.“
Zu § 3a:
Hauer:
Der Zweck der Regelung liegt in
der Kontrolle „außergewöhnlicher Vermögenszuwächse“ (Abs 3). Vor dem
Hintergrund dieser Zwecksetzung kann es für die Auslösung einer Meldepflicht
aber nicht darauf ankommen, ob im Besonderen eine Unternehmensbeteiligung –
gemessen am Grundkapital des Unternehmens – keine Einflussnahme auf die
Unternehmenspolitik ermöglicht, weil auch der Erwerb einer noch einflusslosen
Unternehmensbeteiligungen (bei entsprechend großen Unternehmen) einen
außerordentlichen Vermögenszuwachs bedeuten kann. Unter der Voraussetzung, dass
man an § 3a UnvereinbarkeitsG festhalten will, empfehlen sich daher
Bagatellgrenzen nur, wenn sie wertbetragsmäßig (in Euro) festgelegt
werden, nicht aber, wenn sie in Unternehmensanteilsprozenten festgelegt würden.
Rechtpolitisch ist allerdings zu
überlegen, ob § 3a UnvereinbarkeitsG nicht überhaupt entfallen könnte: So sehe
ich nicht, wie seine Einhaltung effizient kontrolliert werden und wie
Umgehungen (zB Strohmänner, Ausland) verhindert werden sollten. Damit stellt
sich aber die Frage, ob der Regelungskern – Kontrolle außerordentlicher
Vermögenszuwächse zur Aufdeckung solcher, die nicht auf eine „reelle“
Wirtschaftsgebarung zurückzuführen sind – nicht ohnehin (soweit überhaupt
möglich) durch die Medien (Stichwort „Enthüllungsjournalismus“) auch ohne
rechtliche Regelung hinreichend gewährleistet ist.
Janko:
Sowohl mit der Datensammlung als auch mit
der Wahrnehmung der Überwachungstätigkeit (Anm.: sh. zu Punkt 3) sollte primär der Unvereinbarkeitsausschuss
betraut werden; eine Inanspruchnahme des Rechnungshofes als
„Datensammelstelle“ wie nach dem geltenden § 3a Unvereinbarkeitsgesetz ist
nicht erforderlich. Der Rechnungshof müsste dem Ausschuss
allerdings als sachverständiges Organ zur Durchführung eingehenderer
Untersuchungen zur Verfügung stehen, wobei wiederum daran zu denken wäre, auch
qualifizierten Minderheiten entsprechende Antragsrechte zuzugestehen.
5. Bekleidung leitender Stellen durch oberste
Verwaltungsorgane:
„§ 4. (1) Die im § 1 Z 1 und 2 bezeichneten Personen dürfen, sofern sich dies nicht bereits aus § 2 Abs. 1 ergibt, während ihrer Amtstätigkeit keine leitende Stellung in einer Aktiengesellschaft, einer auf den Gebieten des Bankwesens, des Handels, der Industrie oder des Verkehrs tätigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder
einer Sparkasse einnehmen; insbesondere dürfen sie weder Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft, Geschäftsführer oder Mitglied des Aufsichtsrates einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der bezeichneten Art noch Mitglied des Vorstandes oder Sparkassenrates einer Sparkasse sein, ausgenommen bei Gemeindesparkassen auf Grund von § 17 Abs. 6 Sparkassengesetz, BGBl. Nr. 64/1979. (BGBl. Nr. 545/1980, Art. I Z 4) (Anm.: Richtig: § 17 Abs. 7)
(2) Abs. 1 ist sinngemäß auf Versicherungsanstalten auf Gegenseitigkeit mit Ausnahme der Landesversicherungsanstalten anzuwenden.“
Zu § 4:
Hauer:
Zu § 4
UnvereinbarkeitsG könnte erwogen werden,
* entweder auf ihn zu verzichten,
weil die wesentlichen Fälle ohnehin durch § 2 leg cit (auch) in der oben
vorgeschlagenen flexiblen Formulierung erfasst werden,
* oder die Aufzählung des § 4 (in
dieser oder in eingeschränkter oder erweiterter Fassung) dem § 2 leg cit (oder
seiner Nachfolgerregelung) in folgender Art anzufügen: „Jedenfalls unvereinbar
sind …“.
* Ob indes die Aufzählung des § 4
UnvereinbarkeitsG in der Sache rechtspolitisch zu weit oder zu eng geraten ist,
vermag ich nicht zu beurteilen.
Die Regelung des § 5
UnvereinbarkeitsG könnte entfallen.
Weiters wäre denkbar, die
Tätigkeit in Aufsichtsräten von Unternehmen generell zuzulassen, sofern sie
bloß ehrenamtlich erfolgt.
Janko:
§ 4 Unvereinbarkeitsgesetz inkriminiert lediglich
leitende Stellungen in einer „auf den
Gebieten des Bankwesens, des Handels, der
Industrie oder des Verkehrs tätigen“ Gesellschaft
mit beschränkter Haftung; die weiter oben
angesprochenen Interessenkonflikte
können jedoch fraglos auch in anderen
Bereichen in oft sogar noch stärkerer Intensität
auftreten. Zudem bedenkt das Gesetz nicht
das Schicksal leitender Stellungen in Sparkassen
und Versicherungsanstalten (müsste
eigentlich heißen: „-vereinen“) auf Gegenseitigkeit,
deren operatives Geschäft in eine
Aktiengesellschaft eingebracht wurde.
Tretter:
6. Leitende Stellungen und Legislative:
„§ 6. (1) Der Nationalrat und der Bundesrat wählen aus ihrer Mitte nach dem Grundsatze der Verhältniswahl je einen eigenen Ausschuß (Unvereinbarkeitsausschuß), der über die Zulässigkeit der Beteiligung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates an den im § 4 aufgezählten Unternehmen zu entscheiden hat.
(2) Die Mitglieder des Nationalrates oder Bundesrates, die eine der im § 4 bezeichneten Stellen bekleiden, haben innerhalb eines Monats nach erfolgtem Eintritt in diesen Vertretungskörper, und wenn die Bestellung zu einer solchen Stelle erst nach erfolgter Wahl geschah, innerhalb eines Monats nach der Bestellung dem Präsidenten oder Vorsitzenden des Vertretungskörpers hievon die Anzeige unter Angabe der Bezüge zu erstatten.
(3) Über die Zulässigkeit der Beteiligung entscheidet der Unvereinbarkeitsausschuß mit einfacher Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit, oder wenn sich die Vertreter der Partei, der das
betreffende Mitglied des Nationalrates oder Bundesrates angehört, in ihrer Mehrheit gegen die Zulässigkeit der Beteiligung aussprechen, ist die Beteiligung unzulässig.
(4) Mitglieder des Nationalrates oder Bundesrates üben die Funktion eines Mitgliedes des Aufsichtsrates in einer im § 4 aufgezählten Unternehmung, die gemäß Art. 126b Abs. 2 B-VG der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt, ehrenamtlich aus.“
Zu § 6:
Hauer:
1. Die Regelung erscheint
angemessen und kann beibehalten werden, zumal sie die gebotene Flexibilität
gewährleistet.
2. Als Alternative könnte
allenfalls erwogen werden:
* Die Pflicht zur (zumindest
überwiegenden) Teilnahme an den Sitzungen der jeweiligen gesetzgebenden
Körperschaft (§ 11 GOG-NR) bewirkt ohnehin, dass daneben die Bekleidung
einschlägiger leitender Stellungen nicht die Regel sein wird.
* Die Beibehaltung des § 6 Abs 4
leg cit schließt die Bezügekumulation im öffentlichen Bereich aus; für Aufsichtsratbezüge
aus dem privaten Sektor stellt sich das Problem ohnehin nicht in derselben
Weise.
* Das gerneralklauselhafte Verbot
des Missbrauchs der Stellung in gewinnsüchtiger Absicht (Art § 9
UnvereinbarkeitsG) schließt im Übrigen wesentliche Mißbrauchsfälle aus.
Janko:
Auch in diesem Zusammenhang sollte an die
Stelle von Verboten ein umfassendes Regime
von Anzeigepflichten treten, auf
deren Grundlage ersichtlich wird, von wem die Abgeordneten Einkünfte beziehen
und zu welchen Personen oder Institutionen sie daher in einem gewissen
Naheverhältnis stehen. Da diese Information vor allem für die Entscheidung der
stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger am Wahltag von Bedeutung ist, wäre
zudem an eine Veröffentlichung der diesbezüglichen Informationen zu denken.
Letzteres gilt freilich nur vorbehaltlich einer negativen Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes zum – teilweise vergleichbaren – Spannungsverhältnis
zwischen der Datenschutz-Richtlinie der Europäischen
Union und § 8 Bezügebegrenzungs-BVG.
7. Legislative und Dienstverhältnisse zu
Gebietskörperschaften
„§ 6a. (1) Die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages, die in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, haben dies unter Angabe ihres Tätigkeitsbereiches innerhalb eines Monats nach erfolgtem Eintritt in diesen Vertretungskörper, wenn das Dienstverhältnis nach erfolgter Wahl begründet wurde, innerhalb eines Monats dem Präsidenten des Vertretungskörpers anzuzeigen.
(2) (Verfassungsbestimmung) Über die Zulässigkeit der weiteren Ausübung einer solchen Tätigkeit entscheidet der Unvereinbarkeitsausschuß - im Falle der Mitglieder der Landtage der zuständige Ausschuß der Landtage - mit einfacher Stimmenmehrheit.
Richtern, Staatsanwälten, Beamten im Exekutivdienst (Wachebeamten) sowie im übrigen öffentlichen Sicherheitsdienst, Beamten im militärischen Dienst und Bediensteten im Finanz- oder Bodenschätzungsdienst ist die weitere Ausübung ihrer dienstlichen Aufgaben untersagt, es sei denn, der Ausschuß beschließt im
Einzelfall, daß die weitere Ausübung zulässig ist, weil ungeachtet der Mitgliedschaft im Vertretungskörper auf Grund der im Einzelfall obliegenden Aufgaben eine objektive und unbeeinflußte Amtsführung gewährleistet ist. Sonstigen öffentlich Bediensteten ist die Ausübung einer Tätigkeit untersagt, wenn dies der Ausschuß
beschließt, weil eine objektive und unbeeinflußte Amtsführung nicht gewährleistet ist. In diesen Fällen ist dem betroffenen Mitglied des Nationalrates oder Bundesrates innerhalb von zwei Monaten ein mindestens gleichwertiger, zumutbarer Arbeitsplatz zuzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, mit seiner Zustimmung ein möglichst gleichwertiger Arbeitsplatz; verweigert das Mitglied seine Zustimmung, ist es mit Ablauf dieser Frist unter Entfall der Dienstbezüge außer Dienst zu stellen.“
Zu § 6a:
Hauer:
Die Regelung
des § 6a soll weniger die Wahrnehmung der parlamentarischen Funktionen, sondern
die unbeeinträchtigte Wahrnehmung der dienstlichen Funktionen schützen und hat
damit weniger unvereinbarkeitsrechtlichen Charakter (im engeren Sinn),
als vielmehr dienstrechtlichen Charakter. Es sollte generell erwogen
werden, Dienstverhältnisse zu den Gebietskörperschaften während der Zeit der
Wahrnehmung von Abgeordnetenmandaten unter Entfall der Dienstbezüge generell
und zur Gänze zu suspendieren (entsprechend Art 23b B-VG); damit wäre eine
saubere und leicht zu administrierende Regelung geschafften; eine Diskussion um
die Wahrnehmbarkeit von Dienstpflichten neben einem Abgeordnetenmandat wäre
vermieden und der nicht seltene Vorwurf in der öffentlichen Meinung, es käme zu
ungerechtfertigten Mehrfachbezügen, wäre ausgeräumt (die Abgeordnetenbezüge
sollten regelmäßig einer hinreichenden Ausgleich für den Entfall der
Dienstbezüge gewährleisten); § 6a UnvereinbarkeitsG könnte damit entfallen.
8.
Bekleidung leitender Stellungen durch Mitglieder der Landtage und
Gemeindeorgane
§ 8. Mitglieder eines Landtages oder die im § 1 Z 2 bezeichneten Personen können eine der im § 4 erwähnten Stellen nur mit Zustimmung des betreffenden Landtages oder der betreffenden Gemeindevertretung
bekleiden; das für diese Zustimmung einzuschlagende Verfahren richtet sich nach den landesgesetzlichen Bestimmungen. Wenn diese Zustimmung nicht erteilt wird, ist § 7 sinngemäß anzuwenden.
9. Missbruchsklausel und Mandatsverlustverfahren
„§ 9. Gegen die im § 1 aufgezählten Funktionäre kann auf Mandatsverlust erkannt werden, wenn sie ihre Stellung in gewinnsüchtiger Absicht mißbrauchen.“
„§ 10. (1) (Verfassungsbestimmung) Wenn eine der im § 1 genannten Personen entgegen dem Beschluß des Unvereinbarkeitsausschusses oder des nach der Landesgesetzgebung zuständigen Ausschusses des
Landtages eine Berufstätigkeit im Sinne des § 2 ausübt oder eine der im § 4 bezeichneten Stellen trotz Versagens der Genehmigung inne hat, kann der nach diesem Bundesgesetz in Betracht kommende Vertretungskörper beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, auf Verlust des Amtes oder Mandates zu erkennen. Für den Nationalrat und den Bundesrat wird ein solcher Antrag durch den Unvereinbarkeitsausschuß (§ 6) gestellt.
(2) (Verfassungsbestimmung) Ob bestimmte Tatsachen unter § 9 fallen, hat der betreffende Vertretungskörper untersuchen zu lassen.
Für den Nationalrat und den Bundesrat führt die Untersuchung der Unvereinbarkeitsausschuß (§ 6 Abs. 1), der bei der Entscheidung den § 6 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden hat.
(3) (Verfassungsbestimmung) Wenn nach Abs. 2 festgestellt wurde, daß eine Handlungsweise unter § 9 fällt, ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(4) Dem Betroffenen sind in den Fällen der Abs. 1 und 2 vor der Antragstellung von der antragstellenden Körperschaft die gegen ihn vorgebrachten Tatsachen mitzuteilen; es ist ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben.“
Zu § 9 und 10:
Hauer:
Die Missbrauchsklausel des § 9 ist beizubehalten; die
Feststellung des Missbrauchsfalles sollte dem Verfassungsgerichtshof
überantwortet werden, der hierüber über Antrag eines Drittels der
Nationalratsabgeordneten (gegebenenfalls Landtagsabgeordneten) entscheidet.
Janko:
Der Anwendungsbereich des in § 9
Unvereinbarkeitsgesetz enthaltenen Verbotes, die eigene
Stellung in gewinnsüchtiger Absicht zu
missbrauchen, ist unklar; da er wohl keine
Handlungen umfassen dürfte, die nicht
schon anderweitig – insbesondere durch Vorschriften
betreffend den Amtsmissbrauch –
sanktioniert sind, scheint die gegenständliche Bestimmung
überflüssig.
Ein weiterer Schwachpunkt des geltenden
Unvereinbarkeitsgesetzes besteht darin, dass Verstöße gegen die von ihm aufgestellten
Gebote und Verbote nur sehr bedingt mit Sanktionsdrohungen versehen sind.
§ 10 leg cit sieht im Wesentlichen bloß für den Fall der Ausübung eines
verpönten Berufes oder der Innehabung einer unzulässigen leitenden Stellung
sowie bei Verstößen gegen das Missbrauchsverbot gemäß § 9
Unvereinbarkeitsgesetz ein Amtsenthebungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof
vor. Unterlassungen der vielfältigen Meldepflichten sind – von der Möglichkeit
eines Misstrauensvotums gegenüber Regierungsmitgliedern, das wegen der schon
aufgezeigten parteipolitischen Identität von Nationalratsmehrheit und
Bundesregierung in der Praxis keine Rolle spielt, einmal abgesehen – nicht
sanktionierbar. Zudem leidet auch die aufgezeigte Ermächtigung zur
Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof an derselben strukturellen
Schwäche: für einen solchen Antrag wäre ein Mehrheitsbeschluss im zuständigen
parlamentarischen Gremium nötig, dessen Zustandekommen jedoch von den
Regierungsparteien verhindert werden kann.
Um – neben der gestaltenden Kraft der
öffentlichen Meinung – ein effektives Sanktionsinstrumentarium zu etablieren,
müsste qualifizierten Minderheiten das Recht eingeräumt werden, vor
allem Verstöße gegen die in Abschnitt IV.C. und V.B. postulierten Anzeigepflichten
beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Allerdings wäre darauf zu
achten, dass nicht jede geringfügige Verletzung gleich zu einem auf Amtsverlust
lautenden Erkenntnis führen muss.
10. Materielles Unvereinbarkeitsrecht
Artikel 19 B-VG lautet:
„(1) Die obersten Organe der Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder der Landesregierungen.
(2) Durch Bundesgesetz kann die Zulässigkeit der Betätigung der im Absatz 1 bezeichneten Organe und von sonstigen öffentlichen Funktionären in der Privatwirtschaft beschränkt werden.“
Zu Art. 19 B-VG:
Hauer:
Das materielle wirtschaftliche Unvereinbarkeitsrecht sollte
bundeseinheitlich geregelt bleiben.
Janko:
Bekennt sich der Verfassungskonvent –
woran kein Grund zu zweifeln besteht – auch weiterhin zur Bundesstaatlichkeit
der Republik Österreich, erscheint es nahe liegend, das
Unvereinbarkeitsrecht von Funktionären der Länder und Gemeinden in Hinkunft –
in Abkehr vom geltenden Art 19 Abs 2 B-VG – der Landesgesetzgebung vorzubehalten.
Mag auch in Bezug auf jene Vorschriften des materiellen Rechts und des
Verfahrensrechts, die an die Öffentlichkeit gerichtet sind, einiges für den
Trend zur bundeseinheitlichen Normierung sprechen, sollte das
Organisationsrecht, zu dem – zumindest im weiteren Sinne – auch die
Inkompatibilitätsvorschriften zu rechnen sind, doch der autonomen Gestaltung
der einzelnen Gliedstaaten überlassen bleiben. Anderes würde freilich für den
Fall gelten, dass die neue Bundesverfassung auch in anderen vergleichbaren
Belangen – etwa im Bezügerecht oder hinsichtlich der Vorschriften über die
Immunität der Abgeordneten – eine unmittelbare Reglementierung der Landes- und
Gemeindeebene vornehmen sollte.
Tretter:
Um
die Unvereinbarkeitsregeln sichtbarer zu machen, wäre eine Verankerung im B-VG
zu begrüßen. Eine kompetenzrechtliche „Verländerung“ lehne ich aus Gründen
einer wünschenswerten Gleichförmigkeit der Anwendung der Tatbestände ab.
11. Allgemeine Bemerkungen
Hauer:
Bei einer solchen Neugestaltung
gilt es
* erstens die
rechtspolitischen Zielsetzungen des Rechts der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit
im Auge zu behalten; (Zitate) meines Erachtens liegt das Hauptgewicht
einer Regelung der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit auf folgenden
Gesichtspunkten: Vermeidung unsachlicher Einflüsse (insbesondere eigennütziger
Einflüsse) bei der politischen Entscheidungsfindung und Willensbildung;
Vertrauen des Volkes in die Uneigennützigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch
politischen Funktionäre als Grundvoraussetzung einer funktionierenden
Demokratie.
* Zweitens sollen Regeln
der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit möglichst knapp formuliert sein und
Kasuistik tendenziell vermeiden. Als Grundsatz sollte gelten, dass alle nicht
unbedingt erforderlichen Beschränkungen entfallen sollen.
* Drittens sollte die
Administration und Durchsetzung des Unvereinbarkeitsrechtes möglichst
unbürokratisch und womöglich „selbstvollziehend“ sein.
Der Autor zeigt weiters
Regelungs- und Vollziehungsoptionen auf.
Janko:
-
Vor dem
Hintergrund der Zielsetzung des Verfassungskonvents, den Inhalt der neuen
Bundesverfassung auf die für das Funktionieren des staatlichen Gemeinwesens
unabdingbaren
Vorschriften und Spielregeln zu
reduzieren, erscheint es überlegenswert, in der Verfassung
bloß die Frage nach der Zuständigkeit
zur Erlassung der Unvereinbarkeitsbestimmungen zu
klären, die nähere (materiellrechtliche
und verfahrensrechtliche) Ausgestaltung des Unvereinbarkeitsrechts dagegen –
wie schon in der Stammfassung des B-VG aus 1920, deren Konzept bei Erlassung
des ersten Unvereinbarkeitsgesetzes im Jahre 1925 in diesem Punkt unverändert
blieb – der einfachen Gesetzgebung zu überlassen. Zu bedenken ist
allerdings, dass dies – angesichts der strukturbedingten parteipolitischen Identität
von Nationalratsmehrheit und Bundesregierung, an der wohl auch im
Verfassungskonvent nicht gerüttelt werden dürfte – die vom
Unvereinbarkeitsrecht primär betroffenen Regierungsmitglieder de facto in die
Lage versetzen würde, sich ihren Wünschen adäquate Inkompatibilitätstatbestände
beschließen zu lassen. Um qualifizierten Minderheitsparteien ein
diesbezügliches Mitspracherecht zu garantieren, spricht daher vieles für eine verfassungsunmittelbare
Regelung, auch was die maßgebenden Inhalte und verfahrensrechtlichen
Kautelen des neuen Unvereinbarkeitsrechts betrifft.
- Die in allen angeführten Verbotsbestimmungen
enthaltenen Ausnahmetatbestände sind
wenig determiniert und überlassen den zuständigen Gremien de
facto eine politische Entscheidung über die Gewährung einer partiellen
Verbotsdurchbrechung; ein Rechtsschutz
ist angesichts der fehlenden
Bescheidqualität der Entscheidungen von Organen der Gesetzgebung – wie
insbesondere des Unvereinbarkeitsausschusses – nicht existent. Dies erscheint
umso bedenklicher, als wegen der bereits konstatierten parteipolitischen
Identität
von Nationalratsmehrheit und
Bundesregierung die Erteilung der Ausnahmebewilligung
nicht von der Zustimmung der an sich mit
der Kontrollaufgabe betrauten Opposition abhängt,
sondern Angehörigen der eigenen Fraktion
der Regierungsmitglieder obliegt.
-
Um – neben der gestaltenden Kraft der öffentlichen Meinung – ein
effektives Sanktionsinstrumentarium zu etablieren, müsste qualifizierten
Minderheiten das Recht eingeräumt werden, vor allem Verstöße gegen
die in Abschnitt IV.C. und V.B. postulierten Anzeigepflichten beim
Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Allerdings wäre darauf zu
achten, dass nicht jede geringfügige Verletzung gleich zu einem auf Amtsverlust
lautenden Erkenntnis führen muss.