Österreich-Konvent;
Ausschuss 7
Stellungnahme der
Wirtschaftskammer Österreich
zur
Diskussionsgrundlage "Reformaspekte zur Privatwirtschaftsverwaltung"
aufgrund der 6. Ausschusssitzung
Im Hinblick darauf, dass einerseits der Ausschuss
einen Bericht zu erstellen hat und andererseits die Arbeiten des Konvents zu
einer neuen Verfassung führen sollen, sollte überlegt werden, die
Diskussionsgrundlage sowohl zu straffen, wofür sich vor allem die breiten
Ausführungen zu bloß einfachgesetzlichen Fragen anbieten, als auch in ihren
Aussagen pointierter zu formulieren. Diskussionswürdig scheinen insbesondere
die folgenden Punkte:
Entgegen der das Papier durchziehenden Auffassung
(S. 2 Abs 1: Ablehnung der Bindung an einen allgemeinen öffentlichen
Zweck, S. 6 Abs 1, S. 9 Abs 2) kommt dem Staat, der ja kein Privater
ist, Privatautonomie nicht zu (was im Übrigen auch im Protokoll der letzten
Sitzung vermerkt ist). Er kann sich zwar wie ein Privater – d.h.: mit denselben
rechtlichen Mitteln wie ein Privater – bewegen, doch ist und bleibt er als
menschliche Zweckschöpfung zur Erreichung gemeinsamer Ziele dabei durch
öffentliche Zwecke - nach OGH 18.12.1992, 6 Ob 563/92, dürfen
"Gebietskörperschaften nur im öffentlichen Interesse handeln" -, wie
sie etwa durch die verfassungsrechtliche Verpflichtung auf Sparsamkeit und
Zweckmäßigkeit oder durch grundrechtliche Bindungen festgelegt sind, begrenzt
(vgl Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher
Privatwirtschaftverwaltung, 1993, 31 ff, 146 ff). Es sollte daher der
gegenteilige Eindruck vermieden werden.
Zu S. 2 Abs 2: Die Legalitätsbindung der
Privatwirtschaftsverwaltung war 1920 deshalb kein Problem, weil der Staat
damals – sieht man vom Betrieb von Unternehmen und der Vornahme administrativer
Hilfstätigkeiten (Beschaffung) ab –, anders als heute, keine nennenswerte
Verwaltungstätigkeit in den Formen des Privatrechts entfaltete.
Am Ende der S. 2 wird eine verfassungslegistische
Neufassung der Regeln für die Privatwirtschaftsverwaltung als überlegenswert
dargestellt. Hier sollte klarer gesagt werden, was nach Auffassung des
Ausschusses legistisch verändert werden soll.
Ein echtes Kontrolldefizit besteht de constitutione
lata dann, wenn eine privatwirtschaftlich besorgte Aufgabe von einer
Gebietskörperschaft auf einen Privaten übertragen wird. Dadurch wird nämlich
einerseits die parlamentarische Kontrolle teilweise abgeschnitten und
andererseits nach dem Erkenntnis VfSlg 13.323/1992 die Befugnis der
Volksanwaltschaft beschränkt: Sie darf die privatwirtschaftliche Tätigkeit
ausgegliederter Rechtsträger nicht prüfen. Das wird auf den Seiten 4 und 5
referiert, ohne dass ein Schluss daraus gezogen wird (vgl aber S. 10 Abs 4).
Hier muss man klären, ob man diesen Status quo beibehalten oder ob man, wie von
der Volksanwaltschaft gewünscht (vgl Kostelka, Rechtsschutzdefizit durch
Ausgliederung, in: ÖJK, Hrsg, Entstaatlichung. Gefahr für den Rechtsstaat?,
2002, 249 ff), dieses Kontrolldefizit zumindest für die Volksanwaltschaft
beseitigen möchte.
Im vorletzten Absatz auf S. 5 ist davon die Rede,
dass es darum gehe, "dem Staat die im Interesse der Bürger notwendigen Bindungen
gesetzlich überall dort aufzuerlegen, wo sie aus demokratischer und
rechtsstaatlicher Sicht unverzichtbar sind". Man sollte diese Passage um
einen Hinweis auf die wirtschaftliche Dimension ergänzen, weil das Auftreten
des Staates im Wirtschaftsleben zu Wettbewerbsverzerrungen und zu
Benachteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern führen kann.
Die Formulierung des letzten Absatzes auf S. 5 läuft
auf die Erstreckung der Geltung des Legalitätsprinzips auf die
Privatwirtschaftsverwaltung hinaus. Ihr stehen nach Rill (Art 18-BVG, Rz
39 f mwN, in: Rill/Schäffer, Hrsg, Bundesverfassungsrecht, 2001) in der
Natur der Sache liegende Hindernisse entgegen: Die Führung von Betrieben, das
Treffen von Investitionsentscheidungen oder die Vornahme von Beschaffungen lassen
sich durch Gesetz nicht in gleicher Weise vorherbestimmen wie etwa Bescheide;
nicht hinreichend gesetzlich determinierte Verträge wären verboten und nach
§ 879 ABGB nichtig; zudem würde es deshalb, weil das Legalitätsprinzip
fordert, Rechte und Pflichten der Rechtsunterworfenen zu statuieren, im Falle
seiner Geltung für die Privatwirtschaftsverwaltung im Effekt zur Sprengung der
Kompetenzverteilung kommen. (Nur dort, wo eine Materienkompetenz gegeben ist,
kann ein das Privatrechtshandeln des Staates regelndes Gesetz auch subjektive
Rechte vorsehen).
Auf S. 6 heißt es in Abs. 2, es bestehe Einigkeit in
Wissenschaft und Rechtsprechung, dass sich der Staat durch die Flucht ins
Privatrecht seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht solle entziehen können.
Das ist eine gesellschaftspolitische Aussage, die mit der Diskussion der
Rechtsschutzproblematik vermengt wird. Aus Gründen des Rechtsschutzes erscheint
es als problematisch, wenn der Staat durch den Wechsel der Rechtsform die
Rechtsstellung des Bürgers verschlechtert (und etwa subjektive öffentliche
Rechte beseitigt, aber keine äquivalenten zivilrechtlichen Ansprüche gewährt,
dem Säumnisschutz entflieht etc.).
Eine Änderung der Formulierung des Art 17, wie
auf S. 7 angesprochen, erscheint nicht als geboten, denn die Zulässigkeit der
Privatwirtschaftsverwaltung wird nicht ernsthaft bezweifelt. Sinnvoll könnte es
aber sein, im Art 17 (unter Einbezug des Art 116 Abs 2) nicht nur die
umfassende Privatrechtsfähigkeit von Bund und Ländern, sondern auch der
territorialen und nichtterritorialen Selbstverwaltungskörper festzuschreiben.
Der vorletzte Abs auf Seite 7 verbindet – entgegen
dem Protokoll - Privatwirtschaftsverwaltung und Ausgliederung
(Zivilrechtsgesetzgesetzgebungskompetenz). Eine Kompetenz der Länder zur
Schaffung von Ausgliederungszivilrecht hat nichts mit
Privatwirtschaftsverwaltung zu tun. Sie hätte zudem bloß Organisationsrecht zum
Gegenstand und würde gerade nicht, wie in der vorgeschlagenen Formulierung
angedeutet, zu Einheitlichkeit führen. Ja, es fragt sich, ob auf dem Boden des
Vorschlags überhaupt die Schaffung von Sonderzivilrecht möglich wäre (dieses
würde ja zur Vergrößerung der Uneinheitlichkeit führen, die Einheitlichkeit ist
aber als Voraussetzung genannt). Vielleicht besser: "Soweit dies zur
Vornahme von Ausgliederungen in den Formen des Privatrechts erforderlich ist,
können ...".
Im 2. Abs. auf S. 8 wird gesagt, dass in einem
modernen Staat wohl gelten soll, dass die Grundrechte auch in die
Privatwirtschaftsverwaltung hineinwirken. Wenn – was im Hinblick auf
Lehrmeinungen (nach Mayer, B-VG3, 2002, 113, ist es
umstritten, ob der privatwirtschaftlich handelnde Staat an die Grundrechte
gebunden ist) notwendig erscheinen kann – es gewünscht wird, das auch
ausdrücklich im B-VG zu verankern, so sollte das deutlich gesagt und – im Falle
eines Konsenses im Ausschuss 7 - dem zuständigen Ausschuss 4 kommuniziert
werden.