Diskussionsgrundlage
für die
sechste
Sitzung des Ausschusses 3 am 7. Jänner 2004
Zu den
Punkten 3. (Gemeinden), 4 (Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende
Fragen), 5. (Verfassungsautonomie), 6. (Verhältnis zwischen Gesetzgebung und
Vollziehung), 7. (Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von
Mitgliedern von Organen der Europäischen Union) sowie zu den Art. 23a, 23e
und 23f B‑VG
3.
Gemeinden:
Ausgehend
vom Mandat des Ausschusses, vom Ergebnis der bisherigen Beratungen (vgl. das
Protokoll der 3. Sitzung S. 5 und das Protokoll der 4. Sitzung
S. 2, 3), von den Stellungnahmen des Österreichischen Gemeindebundes und
des Österreichischen Städtebundes sowie von den in der RV 14 BlgNR 20.GP
diesbezüglich vorgesehenen Regelungen (vgl. die Anlage ./1 zur
vorliegenden Diskussionsgrundlage) stellen sich die folgenden Fragen:
·
Können
die bundesverfassungsgesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Gemeinden
(Art. 115 bis 120 B‑VG) reduziert werden; bejahenden Falles: welche dieser
Regelungen erscheinen entbehrlich?
Die Regelungsdichte des B‑VG ist gerade in dieser Hinsicht um vieles intensiver
als jene des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (vgl. dessen
Art. 28 Abs. 2) oder der Verfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft (vgl. deren Art. 50).
Auszug
aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland:
„Art.
28. (1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen
des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses
Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk
eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und
geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind
auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der
Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen
Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer
gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2)
Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu
regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen
Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die
Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen
Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit
Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3)
Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den
Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.“
Auszug aus der
Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft:
„3. Abschnitt:
Gemeinden
Art. 50. (1) Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts
gewährleistet.
(2) Der Bund
beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
(3) Er nimmt dabei
Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie
der Berggebiete.“
·
Soll
eine bundesverfassungsgesetzliche Bestandsgarantie der einzelnen bestehenden
Gemeinden - im Sinne der Stellungnahme
des Österreichischen Gemeindebundes - geschaffen werden?
·
Soll
Art. 116 Abs. 3 B‑VG (betreffend die Stadt mit eigenem Statut) dahin
gehend geändert werden, dass Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern einen
Anspruch auf Verleihung des Stadtrechtes haben und das Zustimmungsrecht der
Bundesregierung entfällt?
Die damit zusammenhängende Frage des Rechts auf die für die Erfüllung der
Aufgaben der Bezirksverwaltung erforderlichen finanziellen Mittel wäre vom
Ausschuss 10 zu beraten.
·
Hinsichtlich
des Art. 116a B‑VG (betreffend die Gemeindeverbände) wurde in den
bisherigen Beratungen vor allem die Auffassung vertreten, dass die Bildung von - insbesondere auch länderübergreifenden - Gemeindeverbänden erleichtert und die
„demokratische Ausgestaltung“ der Gemeindeverbände verbessert werden sollte.
Welche Änderungen bzw. Ergänzungen des Art. 116a B‑VG erscheinen
erforderlich bzw. geeignet, diesem Anliegen Rechnung zu tragen?
·
Gibt
es eine - realistische - Alternative zum Konzept der „abstrakten
Durchschnittsgemeinde“? In welcher Hinsicht bedürfen die Regelungen zur
Umschreibung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (Art. 118
Abs. 2 und 3 B‑VG) einer Änderung bzw. Ergänzung?
·
Sollen
die Abs. 6 und 7 des Art. 118 B‑VG (betreffend die ortspolizeilichen
Verordnungen und die Übertragung der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen
Wirkungsbereiches einer Gemeinde auf eine staatliche Behörde) sowie die
Abs. 2 und 6 des Art. 119a B‑VG (betreffend die Gebarungskontrolle
und die Rechtmäßigkeitskontrolle von im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde
erlassenen Verordnungen) im Sinne der Stellungnahmen des Österreichischen
Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden?
·
Soll
Art. 120 B‑VG „aktiviert“ werden; bejahenden Falles in welcher Weise?
In diesem Zusammenhang wurde in den bisherigen Beratungen unter anderem die
Schaffung einer „Region mit eigenem Statut“ ventiliert; hierzu hat
Dr. Schnizer einen Vorschlag in Aussicht gestellt.
4. Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende
Fragen:
4.1. Zahl der staatlichen Ebenen:
Abgesehen
von der Frage einer allfälligen Neugestaltung der Bezirksebene bzw. des
Verhältnisses zwischen Gemeinde- und Bezirksebene (siehe dazu Punkt 3.) haben
die bisherigen Beratungen (vgl. das Protokoll der 4. Sitzung S. 2)
dazu Folgendes ergeben:
„Überwiegend
wird die Auffassung vertreten, dass die „Abschaffung“ einer Ebene wohl nicht in
Betracht komme; überhaupt sei das Bild von drei (Bund, Länder, Gemeinden) bzw.
vier (+ Bezirke) Ebenen zu relativieren; wesentlich sei eine möglichst
zweckmäßige Zuweisung der staatlichen Aufgaben zu den einzelnen Ebenen und die
Schaffung möglichst kurzer Instanzenzüge.“
4.2. Neue Formen der Kooperation zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden – insbesondere Art. 15a B‑VG – Vereinbarung;
gemeinsame Einrichtungen:
Dazu haben die bisherigen Beratungen (vgl. das Protokoll der
4. Sitzung S. 3) Folgendes ergeben:
„Von mehreren
Seiten wird die Meinung vertreten, dass das Regelungsinstrument der
Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung
eher kompliziert und umständlich zu handhaben ist. Auch wenn ein Bedarf nach
länderübergreifender Kooperation anerkannt wird, wird die Ermöglichung von
sogenannten unmittelbar anwendbaren Vereinbarungen eher skeptisch gesehen
(Probleme hinsichtlich der demokratischen Legitimation sowie der
Kontrollmöglichkeit durch den VfGH). Eine Streichung dieses
Regelungsinstruments soll aber nicht empfohlen werden.
Kontroversiell
diskutiert wird die Frage, ob die Möglichkeit der Schaffung gemeinsamer
Einrichtungen eher zweckmäßig ist oder neue Probleme mit sich bringen würde.
Vereinzelt
wird vorgeschlagen, Gemeinde- und Städtebund als mögliche Vertragsparteien in
das Regelungsregime des Art. 15a B‑VG einzubeziehen. Unterschiedliche
Auffassungen bestehen darüber, ob auch einzelnen Gemeinden das Recht eingeräumt
werden soll, eine derartige Vereinbarung abzuschließen. Betont wird erneut,
dass die Möglichkeiten länderübergreifender Kooperationen zwischen einzelnen
Gemeinden ausgebaut werden sollten.“
Fraglich ist insbesondere noch,
·
ob die RV 14 BlgNR 20.GP (vgl. die Anlage ./2
zur vorliegenden Diskussionsgrundlage) diesbezüglich einen - prinzipiell
- geeigneten
Textvorschlag bildet,
·
die Reichweite allfälliger gemeinsamer Einrichtungen
(zwischen Bund, Ländern und Gemeinden? / auch für Angelegenheiten der
Hoheitsverwaltung?),
·
ob auch einzelne Gemeinden ermächtigt sein sollen, mit
Bund oder Ländern Vereinbarungen gemäß Art. 15a B‑VG zu schließen.
5.
Verfassungsautonomie:
Dazu
haben die bisherigen Beratungen vor allem ergeben, dass die Neuformulierung des
Art. 99 B‑VG im Sinne der RV 14 BlgNR 20.GP (vgl. dazu die
Basisinformation 2 S. 11) als zweckmäßig erachtet wird.
Im
Übrigen wurde diese Frage vor allem im Kontext der
bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen über die Legislative und die Exekutive
der Länder beraten (vgl. das Protokoll der 5. Sitzung S. 7).
Offen
ist noch die allfällige Neuformulierung der Bestimmungen für die
Bundeshauptstadt Wien. In diesem Zusammenhang wird auf die von
DDr. Lengheimer vorgelegte Arbeitsunterlage hingewiesen.
6.
Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung:
Ausgehend
vom Ergebnis der bisherigen Beratungen (vgl. das Protokoll der 4. Sitzung
S. 4) ist fraglich, wie die allfällige Neuformulierung des Art. 18 B‑VG
im Sinne einer „Lockerung des Legalitätsprinzips“ textiert werden sollte.
Hierzu hat Dr. Schnizer einen Vorschlag in Aussicht gestellt.
Was die
allfällige innerstaatliche Umsetzung von EU-Richtlinien durch Verordnung
anlangt, so stellt sich die Frage, welches der drei in der 4. Sitzung
(vgl. das Protokoll S. 4) diesbezüglich ventilierten Modelle am
zweckmäßigsten erscheint und ob es diesfalls einer bundesverfassungsgesetzlichen
Regelung bedarf, um es dem Gesetzgeber zu ermöglichen, gegebenen Falles höhere
Standards als die in der Richtlinie vorgesehenen zu normieren.
7.
Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von Mitgliedern von Organen
der Europäischen Union (Art. 23c B‑VG):
Ausgehend
vom Ergebnis der bisherigen Beratungen (vgl. das Protokoll der 4. Sitzung
S. 4) stellen sich die folgenden Fragen:
·
Kann
die sehr detaillierte Regelung des Art. 23c B‑VG in seiner Gesamtheit
durch eine allgemeiner formulierte Vorschrift ersetzt werden? Wie könnte sie
lauten?
·
Kann
die Aufzählung bestimmter EU-Organe und EU-Einrichtungen in Art. 23c
Abs. 1 B‑VG durch eine allgemeine Formulierung ersetzt werden? Wie könnte
sie lauten?
Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Abs. 2 bis 5 hinsichtlich der
Mitwirkungsbefugnisse nach einzelnen Organen bzw. Einrichtungen differenzieren.
Dies könnte einer „summarischen“ Regelung in Abs. 1 entgegenstehen.
8.
Zu den Art. 23a, 23e und 23f B‑VG:
Im Sinne
der diesbezüglichen Akkordierung mit dem Vorsitzenden des Ausschusses 5
sollen auch diese Fragen im Ausschuss 3 behandelt werden. Dazu ist auf
Folgendes hinzuweisen:
·
Art. 23a
B‑VG betrifft die Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum
Europäischen Parlament. Änderungen könnten hier in Anlehnung an eine allfällige
Neufassung des Art. 26 B‑VG notwendig sein (Angleichung hinsichtlich der
Wahlrechtsgrundsätze). Darüber hinaus werden hier auch die
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu beachten sein.
·
Art. 23e
B‑VG regelt die Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der
nationalen Willensbildung zu Vorhaben der Europäischen Union. Fraglich ist, ob
diesbezüglich ein Änderungsbedarf gesehen wird und bejahenden Falles, wie eine
Neuregelung formuliert sein sollte.
·
Art. 23f
B‑VG regelt die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik. Im Ausschuss 1 (Staatsaufgaben und Staatsziele) wurde
darüber im Zusammenhang mit der Behandlung des Staatzieles der immerwährenden
Neutralität beraten. Mehrheitlich wurde in diesem Ausschuss die Auffassung
vertreten, dass der Neutralitätsbegriff verfassungsrechtlich geklärt werden
sollte. Die Beratungen darüber sollen nach Vorliegen einer von mehreren Ausschussmitgliedern
zu erstellenden Arbeitsgrundlage, in der auch die Bedeutung der Teilnahme an
der GASP für die Neutralität behandelt werden soll, fortgesetzt werden. Im
Ausschuss 2 wurde das ursprünglich an eines der Ausschussmitglieder
gerichtete Ersuchen, einen Textvorschlag hinsichtlich der Einarbeitung des BVG
Neutralität in das B‑VG auszuarbeiten, vorläufig ausgesetzt, da unklar ist,
wann und inwieweit diese Frage im Ausschuss 2 behandelt werden soll.
Es erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig zweckmäßig, im Ausschuss 3
über eine allfällige Neufassung des Art. 23f B‑VG zu beraten. Dieser Punkt
sollte daher (vorläufig) ausgeklammert werden, was auch insofern
unproblematisch ist, da er - wie erwähnt - vom Mandat nicht erfasst ist.