Diskussionsgrundlage
für die
fünfte
Sitzung des Ausschusses 3 am 16. Dezember 2003
Zu den
Punkten 1.1.1.2. (Wahlen zum Nationalrat), 1.1.1.3. (Organisation des
Nationalrates), 1.1.2. (Bundesrat), 1.1.3. (Weg der Bundesgesetzgebung), 1.1.4.
(Mitwirkung an der Vollziehung), 1.2.1. (Bundespräsident), 1.2.2.
(Bundesregierung), 2.1. (Legislative der Länder, Landtage) und 2.2. (Exekutive
der Länder, Landesregierung)
1.1.1.2.
Wahlen:
Die Wahl
des Nationalrates ist in Art. 26 B‑VG geregelt. Der Ausschuss spricht sich
für eine Änderung dieser Bestimmung aus. Über deren Inhalt bestehen
unterschiedliche Auffassungen. Diese lassen sich im Wesentlichen zu folgenden
Positionen zusammenfassen.
Variante
A:
·
Ergänzung
der Aufzählung der Wahlrechtsgrundsätze in Abs. 1 um das freie Wahlrecht
(iSd. Art. 8 des Staatsvertrages von Wien und Art. 3 des 1.ZPEMRK) –
Begründung: Kodifikation sämtlicher Wahlrechtsgrundsätze im B‑VG.
·
Entfall
des Abs. 3 (betreffend den Wahltag) sowie des Abs. 7 (betreffend die
Wählerverzeichnisse) – Begründung: Regelung in der Wahlordnung erscheint
ausreichend.
·
Senkung
des Wahlalters für das aktive Wahlrecht auf das 16. Lebensjahr.
·
Festlegung
der Zahl der Abgeordneten je Wahlkreis im Verhältnis der Zahl der
Wahlberechtigten (an Stelle des Bürgerzahl-Prinzips)
·
Ermöglichung
von Briefwahl und E-Voting
Art. 26
B‑VG würde dem gemäß wie folgt lauten:
„Art. 26. (1) Der Nationalrat wird
vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und
geheimen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die spätestens mit Ablauf des Tages
der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der
Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über
das Wahlverfahren getroffen.
(2) Das Bundesgebiet wird in räumlich
geschlossene Wahlkreise geteilt, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht
schneiden dürfen; diese Wahlkreise sind in räumlich geschlossene
Regionalwahlkreise zu untergliedern. Die Zahl der Abgeordneten wird auf die
Wahlberechtigten der Wahlkreise (Wahlkörper) im Verhältnis der Zahl der
Wahlberechtigten verteilt; in gleicher Weise wird die Zahl der einem Wahlkreis
zugeordneten Abgeordneten auf die Regionalwahlkreise verteilt. Die Wahlordnung
zum Nationalrat hat ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten
Bundesgebiet vorzusehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden
Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht
zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt. Eine
Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.
(3) [entfällt]
(4) Wählbar sind alle Männer und Frauen, die am
Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und spätestens mit
Ablauf des Tages der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben.
(5) Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der
Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.
(6) Zur Durchführung und Leitung der Wahlen zum
Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten und von Volksabstimmungen sowie zur
Mitwirkung bei der Überprüfung von Volksbegehren und Volksbefragungen sind
Wahlbehörden zu bestellen, denen als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der
wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, bei der Bundeswahlbehörde überdies
Beisitzer, die dem richterlichen Stand angehören oder angehört haben. Die in
der Wahlordnung festzusetzende Anzahl dieser Beisitzer ist - abgesehen von den
dem richterlichen Berufsstande entstammenden Beisitzern - auf die wahlwerbenden
Parteien nach ihrer bei der letzten Wahl zum Nationalrat festgestellten Stärke
aufzuteilen. Die näheren Bestimmungen über jene Fälle, in denen die Stimmabgabe
bei Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten sowie bei
Volksabstimmungen nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss, können vom
Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit
einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.
(7) [entfällt]“
Variante
B:
Regelung
bloß der Wahlrechtsgrundsätze (einschließlich des Grundsatzes der Verhältniswahl)
im B‑VG und Ermächtigung, die folgenden Gegenstände in der Wahlordnung mit
qualifizierter Mehrheit zu regeln:
·
Gliederung
des Wahlgebietes in Wahlkreise sowie Zulässigkeit mehrheitsfördernder Elemente;
·
Kreis
der Wahlberechtigten (im Besonderen Wahlalter und Fälle der Ausschließung vom
Wahlrecht);
·
Organisation
der Wahlbehörden;
·
Fälle,
in denen die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss (im
Besonderen Briefwahl und E-Voting);
Art. 26
B‑VG würde dem gemäß wie folgt lauten:
„Art. 26. Der Nationalrat wird auf
Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen
Wahlrechtes nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz
werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen. Die näheren
Bestimmungen über die Gliederung des Wahlgebietes in Wahlkreise, die
Zulässigkeit mehrheitsfördernder Elemente, den Kreis der Wahlberechtigten, die
Organisation der Wahlbehörden sowie über jene Fälle, in denen die Stimmabgabe
nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss, können vom Nationalrat nur in
Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.“
[Die Abs. 2 bis 7 entfallen.]
1.1.1.3. Organisation des Nationalrates:
In
diesem Zusammenhang stellen sich, ausgehend vom derzeitigen Beratungsstand,
zwei Fragen:
·
Soll
Art. 27 Abs. 1 B‑VG dahingehend geändert werden, dass die
Gesetzgebungsperiode des Nationalrates fünf – statt wie derzeit vier – Jahre
dauert?
Dazu wurde ein Rechtsvergleich mit den Verfassungen der übrigen
EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz angestellt, der zeigt, dass in zehn dieser
15 Staaten eine Legislaturperiode von vier Jahren, in fünf eine
Legislaturperiode von fünf Jahren vorgesehen ist.
·
Welche
der Regelungen über die „Organisation“ des Nationalrates in den Art. 27
bis 33 B‑VG müssen nicht notwendiger Weise im B‑VG getroffen werden, sondern
können dem Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates vorbehalten werden?
Dazu hat Herr Volksanwalt Dr. Kostelka einen Textentwurf als Grundlage für
die weiteren Beratungen vorgelegt.
Weiters sollte die folgende – bislang noch nicht aufgeworfene – Frage
erörtert werden:
·
Während
gemäß Art. 28 Abs. 4 B‑VG die Arbeiten bei Eröffnung einer neuen
Tagung des Nationalrates innerhalb der gleichen Gesetzgebungsperiode nach dem
Stand fortgesetzt werden, in dem sie sich bei Beendigung der letzten Tagung
befunden haben, herrscht – nach diesbezüglich einhelliger Lehre – zwischen zwei
Gesetzgebungsperioden Diskontinuität; alle noch nicht abgeschlossenen Verfahren
müssen daher in der neuen Gesetzgebungsperiode neu initiiert werden. Auch
Volksbegehren sind mangels abweichender Regelungen vom Grundsatz der
Diskontinuität erfasst. Dies wurde in der Vergangenheit – insbesondere
angesichts des Aufwandes, den ein Volksbegehren für die betreibenden Personen
mit sich bringt – mitunter als unzweckmäßig kritisiert.
Es könnte überlegt werden, ob der
Grundsatz der Diskontinuität zwischen zwei Gesetzgebungsperioden zumindest
hinsichtlich der Behandlung von Volksbegehren durchbrochen werden sollte.
Beispielsweise könnte dem Art. 41 Abs. 2 B‑VG folgender Satz angefügt
werden:
„Ist die Behandlung
eines Volksbegehrens bei Ablauf einer Gesetzgebungsperiode noch nicht
abgeschlossen, so ist der Antrag von der Bundeswahlbehörde dem neugewählten
Nationalrat erneut vorzulegen.“
Bei einem Entfall des Art. 28
Abs. 4 B‑VG könnte eine derartige Regelung im Geschäftsordnungsgesetz
getroffen werden.
1.1.2.
Bundesrat:
Einvernehmen
besteht dahingehend, dass in diesem Bereich ein Änderungsbedarf besteht.
Weiters besteht Konsens darüber, dass zur Mitwirkung der Länder an der
Gesetzgebung des Bundes durch den Bundesrat keine zweckmäßige Alternative
besteht, insbesondere nicht durch die unmittelbare Mitwirkung der Länder
selbst.
Richtig
ist, dass die zweckmäßige Ausgestaltung der Mitwirkung der Länder an der
Gesetzgebung des Bundes durch den Bundesrat auch von den Ergebnissen der
Beratungen der Ausschüsse 5 und 6 abhängt. Unbeschadet dessen lässt sich
aber so viel – jetzt schon – sagen: Wenn im Rahmen einer Neuordnung der
Kompetenzverteilung in der Gesetzgebung ein „dritter Bereich“ (einer zwischen
Bund und Ländern geteilten Gesetzgebungszuständigkeit) vorgesehen werden sollte
und wenn es – im Zusammenhang mit Reformen im Bereich der mittelbaren
Bundesverwaltung – zu einer Ausweitung der Kompetenzen der Länder in der
Verwaltung kommen sollte, dann würde die Bedeutung der effektiven Mitwirkung
der Länder an der Gesetzgebung des Bundes tendenziell steigen. Dabei wird im
Besonderen dem Gesichtspunkt der effektiven Wahrung der Interessen der Länder
bei der Abgrenzung der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers im „dritten
Bereich“ sowie dem Aspekt der Einbindung des Know-How der Länder bei der
Vollziehung von Bundesgesetzen in den Prozess der Bundesgesetzgebung Bedeutung
zukommen.
Es wird
zu entscheiden sein, welche der folgenden Optionen für eine funktionelle Reform
des Bundesrates zur Umsetzung empfohlen werden sollen:
·
die
Einbindung des Bundesrates in das Begutachtungsverfahren zu Gesetzesentwürfen
der Bundesministerien (ob dies durch eine bundesverfassungsgesetzliche
Vorschrift sichergestellt werden soll, wird auch vom Ergebnis der
diesbezüglichen Beratungen zu Punkt 1.1.3. „Weg der Bundesgesetzgebung“
abhängen);
·
die
Übermittlung von Vorlagen der Bundesregierung (allenfalls auch anderer
Gesetzesvorschläge iSd. Art. 41 Abs. 1 B‑VG) gleichzeitig an den
Nationalrat und den Bundesrat;
·
die
Möglichkeit der Mitwirkung von Mitgliedern des Bundesrates an den
Ausschussberatungen des Nationalrates (hier wäre zu prüfen, ob eine
entsprechende Regelung im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates getroffen
werden soll und kann);
·
ein
allfälliges Vermittlungsverfahren zwischen dem Nationalrat und dem Bundesrat;
·
die
Einschränkung des suspensiven Vetos auf bestimmte Materien (im Gegensatz zur
Beibehaltung des derzeitigen nahezu generellen suspensiven Vetos);
·
die
Ausweitung des absoluten Vetos des Bundesrates über die derzeitigen Fälle
hinaus (Art. 15 Abs. 6 B‑VG [Verkürzung oder Verlängerung der Frist
für die Erlassung eines Ausführungsgesetzes], Art. 35 Abs. 4 B‑VG
[Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit für die Abänderung der den Bundesrat
betreffenden Art. 34 und 35 B‑VG] sowie Art. 44 Abs. 2 B‑VG
[Zuständigkeitsverschiebung zu Lasten der Länder]);
·
allenfalls
Festlegung eines erhöhten Quorums für einen Beharrungsbeschluss des
Nationalrates (sei es für jeden Beharrungsbeschluss oder nur dann, wenn der
Bundesrat seinerseits den Einspruch mit qualifizierter [etwa 2/3-]Mehrheit
beschlossen hat).
·
Klärung
und allfällige Bereinigung des Verhältnisses der Mitwirkung des Bundesrates an
der Bundesgesetzgebung oder sonstigen Bundesangelegenheiten einerseits und
anderer Formen der Mitwirkung der Länder in solchen Angelegenheiten
(insbesondere Zustimmung der Länder zur Kundmachung von Bundesgesetzen,
Konsultationsmechanismus, Mitwirkung bei der nationalen Willensbildung zu
EU-Vorhaben, Finanzausgleichsverhandlungen)
Für eine
allfällige organisatorische Reform des Bundesrates wäre über die folgenden
Optionen zu befinden:
·
Sollen
die Länder im Bundesrat paritätisch (oder zumindest weniger stark
differenzierend) vertreten sein oder soll es diesbezüglich bei der geltenden
Regelung des Art. 34 B‑VG bleiben?
·
Auf
welche Art sollen die Mitglieder des Bundesrates bestellt werden: Direktwahl;
Entsendung von Mitgliedern des jeweiligen Landtages; Entsendung von Mitgliedern
der jeweiligen Landesregierung durch diese, auf Grund einer Wahl durch den Landtag
oder ex offo; Beibehaltung der geltenden Regelung des Art. 35 B‑VG
(Wahl durch den Landtag)?
·
Soll
die Bestellung der Mitglieder des Bundesrates in die Verfassungsautonomie der
Länder übertragen werden?
·
Sollen
die Mitglieder des Bundesrates an ein Mandat des jeweiligen Landes gebunden
werden können? Welches Organ soll befugt sein, dieses Mandat zu formulieren?
·
Soll
der Bundesrat zu einer Länder- und Gemeindekammer ausgestaltet werden? Wie
werden die Vertreter der Gemeinden bestellt?
1.1.3.
Weg der Bundesgesetzgebung:
Ausgehend
vom derzeitigen Beratungsstand ergeben sich dazu folgende Fragen:
·
Soll
in das B‑VG eine Bestimmung über das Begutachtungsverfahren aufgenommen werden?
Wenn ja, an welcher Stelle soll eine derartige Regelung in das B‑VG eingefügt
werden und wie soll sie formuliert sein?
Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf den (mit den
„Arbeitsunterlagen für die vierte Ausschusssitzung“ übermittelten)
Rechtsvergleich über allfällige Regelungen des Begutachtungsverfahrens in den
Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz.
Denkbar wäre etwa, dem Art. 41 Abs. 1 B‑VG
folgenden (zweiten) Satz anzufügen:
„Zur Vorbereitung
von Vorlagen der Bundesregierung ist im Regelfall ein Begutachtungsverfahren
durchzuführen.“
Zu überlegen wäre aber auch, ob nicht mit einer
dahingehenden Regelung im Bundesministeriengesetz oder in der vorzusehenden
Geschäftsordnung der Bundesregierung das Auslangen gefunden werden könnte.
·
Soll
in das B‑VG eine Bestimmung über ein Gesetzesinitiativrecht der Länder bzw. der
Gemeinden (vertreten durch den Gemeinde- und/oder den Städtebund) aufgenommen
werden? Wenn ja, an welcher Stelle soll eine derartige Regelung in das B‑VG
eingefügt werden und wie soll sie formuliert sein?
Denkbar wäre etwa, Art. 41 Abs. 1 erster Satz B‑VG
wie folgt zu formulieren:
„Gesetzesvorschläge
gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder
eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates, weiters eines Landes, des Österreichischen
Gemeindebundes und [oder] des Österreichischen Städtebundes sowie als Vorlagen
der Bundesregierung.“
Zu überlegen ist dabei insbesondere Folgendes: Die Länder
haben schon nach geltender Verfassungsrechtslage im Wege des Bundesrates bzw.
eines Drittels seiner Mitglieder das Recht der Gesetzesinitiative in der
Bundesgesetzgebung; fraglich ist, ob ein weiterer Ausbau dieses Rechts
angemessen ist. Die Frage des Rechts der Gesetzesinitiative für den
Österreichischen Gemeindebund und für den Österreichischen Städtebund ist im
Zusammenhang mit der Einbeziehung von Vertretern der österreichischen Gemeinden
in den Bundesrat zu sehen.
1.1.4.
Mitwirkung an der Vollziehung:
In
diesem Zusammenhang ist auf Grund des Ergebnisses der bisherigen Beratung vor
allem die folgende Frage zu beantworten:
·
Soll
in das B‑VG eine Bestimmung über die Durchführung von Anhörungen für jene Fälle
aufgenommen werden, in denen dem Nationalrat von Bundesverfassungs wegen ein
Mitwirkungsrecht bei der Ernennung von Organen zukommt (dies wären der
Präsident des Rechungshofes, Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes,
Mitglieder der Volksanwaltschaft, Mitglieder von Organen der Europäischen
Union)?
Zu prüfen wäre insbesondere, ob mit diesbezüglichen Regelungen im
Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates das Auslangen gefunden werden könnte.
·
Weiters
wäre zu klären, ob hinsichtlich des Art. 55 Abs. 4 B‑VG (Ermächtigung
des Bundesgesetzgebers vorzusehen, dass bestimmte allgemeine Akte der
Bundesregierung oder eines Bundesministers, insbesondere also Verordnungen, des
Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates bedürfen) ein
Änderungsbedarf besteht?
1.2.1.
Bundespräsident
1.2.1.1.
Wahl/Organisation:
Die
Bestellung des Bundespräsidenten im Wege der Volkswahl ist grundsätzlich
unbestritten. (Fraglich könnte sie sein, wenn nach einer allfälligen Änderung
des Aufgabenkataloges nur „minder wichtige Aufgaben“ verblieben.)
In Frage
gestellt wurde die Regelung betreffend die Immunität des Bundespräsidenten
(Art. 63 B‑VG). Diese Frage wird im Ausschuss 8 behandelt werden.
1.2.1.2.
Aufgaben:
In
dieser Hinsicht wurden im wesentlichen die folgenden Positionen vertreten:
a)
Dem
Bundespräsidenten soll künftig nicht mehr die Befugnis zukommen, den
Bundeskanzler bzw. die Bundesregierung zu bestellen bzw. abzuberufen, und auch
nicht die Befugnis, den Nationalrat aufzulösen; von den
Vertreterinnen/Vertretern dieser Position wurde ventiliert, dem
Bundespräsidenten gewisse „(Ober)Ombudsmann“-Funktionen zu übertragen.
Dazu hat DDr. Lengheimer Reformüberlegungen angestellt, die mit den
„Arbeitsunterlagen für die vierte Sitzung“ übermittelt wurden.
b)
Dem
Bundespräsidenten sollen – für politische Krisen-Situationen – weiterhin die
unter Punkt a) genannten Befugnisse zukommen.
Dazu hat Univ. Prof. DDr. Mayer Überlegungen angestellt, die mit den
„Arbeitsunterlagen für die vierte Sitzung“ übermittelt wurden.
c)
Allgemein
wurde es als zweckmäßig erachtet, den Katalog der Aufgaben des
Bundespräsidenten dahingehend zu prüfen, ob einzelne seiner Befugnisse, die
„antiquiert“ erscheinen, entfallen könnten.
Dazu wurde vom Vorsitzenden eine Arbeitsunterlage erstellt, die gleichfalls in
Vorbereitung der vierten Sitzung übermittelt wurde.
Im
Einzelnen ist dazu auf Folgendes hinzuweisen:
a)
Ausgehend
von dieser Position wäre zu klären, wie die Bestellung und Abberufung der
Bundesregierung geregelt werden soll bzw. worin die Funktion des
Bundespräsidenten bei „Härtefällen und Unbilligkeiten“ bestehen soll.
Für die Bestellung der Bundesregierung wäre es denkbar, auf die Stammfassung
des B‑VG, BGBl. Nr. 1/1920, zurückzugreifen, die in dieser Hinsicht wie
folgt lautete:
„Art. 70.
(1) Die Bundesregierung wird vom Nationalrat in namentlicher Abstimmung auf
einen vom Hauptausschuss zu erstattenden Gesamtvorschlag gewählt.
(2) In die
Bundesregierung kann nur gewählt werden, wer zum Nationalrat wählbar ist; die
Mitglieder der Bundesregierung müssen nicht dem Nationalrat angehören.
(3) Ist der
Nationalrat nicht versammelt, wird die Bundesregierung vorläufig vom
Hauptausschuss bestellt; sobald der Nationalrat zusammentritt, hat die Wahl zu
erfolgen.
(4) Auf die
Bestellung einzelner Mitglieder der Bundesregierung finden die Bestimmungen der
Absätze 1 bis 3 sinngemäß Anwendung.“
Ventiliert wurde weiters eine Regelung iSd. Bonner
Grundgesetzes, das in dieser Hinsicht Folgendes vorsieht:
„Art. 63. (1)
Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne
Aussprache gewählt.
(2) Gewählt ist, wer
die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der
Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.
(3) Wird der
Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen nach
dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler
wählen.
...
Art. 64. (1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom
Bundespräsidenten ernannt und entlassen.
(2) Der
Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amtsübernahme vor dem
Bundestage den in Artikel 56 vorgesehenen Eid.“
Für den Fall einer derartigen Änderung der Bestimmungen über
die Bestellung der Bundesregierung wären auch die damit zusammenhängenden
Vorschriften entsprechend zu adaptieren; dies trifft vor allem zu für die
Art. 69 Abs. 2 (Betrauung eines Mitgliedes der Bundesregierung mit
der Vertretung des Bundeskanzlers), 70 (Entlassung der Bundesregierung), 71
(Bestellung der einstweiligen Bundesregierung durch den Bundespräsidenten), 72
(Angelobung der Mitglieder der Bundesregierung vom Bundespräsidenten,
Ausfertigung von Bestallungsurkunden), 73 (Betrauung eines der Bundesminister,
eines Staatssekretärs oder eines leitenden Beamten mit der Vertretung eines
verhinderten Bundesministers), 74 (Amtsenthebung der Bundesregierung) und 77 Abs. 3
B‑VG (Übertragung bestimmter Agenden des Bundeskanzleramtes an eigene
Bundesminister).
Ausgehend von dieser Position hätten Art. 29
Abs. 1 (Auflösung des Nationalrates durch den Bundespräsidenten) und wohl
auch 100 B‑VG (Auflösung eines Landtages durch den Bundespräsidenten) zu
entfallen.
b)
Ausgehend
von dieser Position wird insbesondere eine Änderung des Art. 60
Abs. 6 B‑VG als zweckmäßig erachtet, und zwar dahingehend, dass der
Beschluss des Nationalrates mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann und das
Erfordernis eines Beschlusses der Bundesversammlung entfällt.
c)
Basierend
auf der Systematik der „Rechtsdokumentation über das Amt des Bundespräsidenten“
(Dokument 1.2.1./B in der Anlage zur Basisinformation 1) wird im Sinne
einer „Modernisierung“ der Befugnisse des Bundespräsidenten Folgendes zur
Diskussion gestellt:
1. Außenvertretung
Die
diesbezüglichen Befugnisse sind typischer Weise mit der Stellung des
„Staatsoberhauptes“ verbunden; sie sollten daher beibehalten werden. Die
Art. 16 Abs. 2 letzter Satz, 65 Abs. 1 und 66 Abs. 2 und 3
B‑VG würden dem gemäß unverändert bleiben.
(Im Sinne einer Wortmeldung von Frau Dr. Berger wäre allenfalls noch zu
klären, inwieweit die diesbezüglichen Befugnisse, v.a. in ihrer Abgrenzung zu
jenen der Bundesregierung, einer „klareren Regelung“ zugeführt werden könnten.)
2. Bundesregierung
Siehe dazu oben a) und b).
3. Krisenkompetenzen
Die Befugnis
gemäß Art. 5 Abs. 2 B‑VG (Verlegung des Sitzes der obersten Organe)
sollte beibehalten werden. Die Berufung des Nationalrates in einen anderen Ort
als Wien (Art. 25 Abs. 2 B‑VG) käme nicht mehr in Betracht, wenn die
Befugnis zur Einberufung der Tagungen des Nationalrates entfällt (siehe dazu
unten Pkt. 4.).
Hinsichtlich des Notverordnungsrechtes (Art. 18 Abs. 3 und 4 B‑VG)
ist zu überlegen, ob die Regelung in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung
zweckmäßig ist; zu beachten ist freilich, dass nach dem „Vorbild“ des
Art. 18 Abs. 3 und 4 B‑VG mit einer Novelle aus dem Jahr 1984 (BGBl.
Nr. 490) eine ähnliche Regelung für die Landesebene (Art. 97
Abs. 3 und 4 B‑VG) getroffen wurde.
4. Gesetzgebung
Was die
Einberufung des Nationalrates gemäß Art. 27 Abs. 2, Art. 28
Abs. 1 und 2 sowie Art. 70 Abs. 3 B‑VG, die Beendigung der
Tagungen des Nationalrates gemäß Art. 28 Abs. 3 B‑VG und die
Einberufung der Bundesversammlung gemäß Art. 39 Abs. 1 B‑VG betrifft,
so sind die bisherigen Beratungen in die Richtung gegangen, dass diese
Befugnisse des Bundespräsidenten entfallen sollten; sie könnten im
Geschäftsordnungsgesetz geregelt und dem Präsidenten des Nationalrates
übertragen werden. Die Befugnis zur Einberufung der Bundesversammlung
(Art. 39 Abs. 1 B‑VG) könnte dem Vorsitzenden der Bundesversammlung
übertragen werden.
Die Festsetzung der Zahl der Mitglieder des Bundesrates (Art. 34
Abs. 3 B‑VG), die Anordnung von Volksabstimmungen (Art. 46
Abs. 3 B‑VG), die Anordnungen von Volksbefragungen (Art. 49b
Abs. 3 iVm Art. 46 Abs. 3 B‑VG) und die Beurkundung der
Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates (Art. 47 Abs. 1 B‑VG) sollte
weiterhin dem Bundespräsidenten zukommen.
5. Bundesheer
Die
bestehenden Befugnisse sollten beibehalten werden und die Art. 65
Abs. 2 lit. a und 80 Abs. 1 und 2 B‑VG dem gemäß unverändert
bleiben.
6. Ernennungsbefugnisse
Diese
Befugnisse sollten beibehalten werden und die Art. 59b Abs. 1
3. Satz, 65 Abs. 2 lit. a, 66 Abs. 1, 125 Abs. 1, 129c
Abs. 2 sowie 148h B‑VG dem gemäß unverändert bleiben.
7. Gerichtsbarkeit
Die
Ernennungsrechte gemäß den Art. 86 Abs. 1, 134 Abs. 2 und 147
Abs. 2 B‑VG sowie die Aufgabe, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes
gemäß Art. 146 Abs. 2 B‑VG zu exekutieren, sollten bestehen bleiben.
8. „Staatsnotarielle“ Funktionen
Die
Befugnisse hinsichtlich der Angelobung des Rechnungshofpräsidenten gemäß
Art. 122 Abs. 4 B‑VG sowie der Mitglieder der Volksanwaltschaft gemäß
Art. 148g Abs. 2 B‑VG sollten beibehalten werden; fraglich ist, ob
die Angelobung des Landeshauptmannes gemäß Art. 101 Abs. 4 B‑VG
weiterhin im B‑VG geregelt werden soll.
9. Verleihung von Auszeichnungen
Diese
Befugnisse sollten beibehalten werden und Art. 65 Abs. 3 B‑VG dem
gemäß unverändert bleiben.
10. Schaffung und Verleihung von
Berufstiteln
Diese
Befugnisse sollten beibehalten werden und Art. 65 Abs. 2 lit. b
B‑VG dem gemäß unverändert bleiben.
11. Begnadigungs- und Niederschlagungsrechte
Fraglich ist,
ob diese Befugnisse noch zeitgemäß sind. Wenn man diese Frage verneint, dann
wären die Bestimmungen der Art. 65 Abs. 2 lit. c sowie 142
Abs. 5 B‑VG entweder aufzuheben oder entsprechend abzuändern.
12. Ehelicherklärung unehelicher Kinder
Fraglich ist,
ob diese Befugnisse noch zeitgemäß sind. Wenn man diese Frage verneint, dann
wäre die Regelung des Art. 65 Abs. 2 lit. d B‑VG entweder
aufzuheben oder entsprechend abzuändern.
13. Gewährung außerordentlicher
Zuwendungen
Fraglich ist,
ob diese Befugnisse noch zeitgemäß sind. Wenn man diese Frage verneint, dann
wäre die Vorschrift des Art. 65 Abs. 3 B‑VG entsprechend abzuändern.
14. Befugnisse gemäß Art. 23c
Abs. 2 und 5 B‑VG
Diese
Befugnisse sollten beibehalten werden.
Allgemein stellt sich die Frage, ob durch eine
bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung des (Bundes- oder
Landes-)Gesetzgebers, Aufgaben des Bundespräsidenten im Allgemeinen oder im
Besonderen zu regeln, wenig zweckmäßige Detailregelungen im B‑VG vermieden
werden könnten.
1.2.2.2.
Bundesregierung: Willensbildung – Geschäftsordnung – Verantwortung
·
Ausgehend
von den bisherigen Beratungen soll die Erlassung einer Geschäftsordnung der
Bundesregierung bundesverfassungsgesetzlich vorgesehen werden. In diesem Sinne
könnte dem Art. 69 Abs. 1 B‑VG folgender Satz angefügt werden:
„Die Bundesregierung
gibt sich eine Geschäftsordnung [, in der insbesondere die näheren Bestimmungen
über den Geschäftsgang sowie über die Vertretung einzelner Mitglieder für den
Fall ihrer Verhinderung getroffen werden].
Im Zusammenhang damit wäre zu überlegen, welche der
Bestimmungen der Art. 69 bis 78 B‑VG im Hinblick auf entsprechende
Regelungen in der Geschäftsordnung der Bundesregierung im B‑VG entfallen
könnten; zu denken wäre hier etwa an Art. 69 Abs. 2 (Vertretung des
Bundeskanzlers) und Art. 73 B‑VG (Vertretung eines Bundesministers).
Zu klären wäre weiters die Frage, ob das Beschlussquorum im
B‑VG normiert werden soll; bejahenden Falles könnte Art. 69 Abs. 3 B‑VG
folgender Satz angefügt werden:
„Ein gültiger
Beschluss bedarf der Einstimmigkeit der anwesenden Mitglieder der
Bundesregierung.“
Zu klären wäre schließlich die Frage, ob eine
Beschlussfassung im Umlaufwege ermöglicht werden soll; bejahenden Falles wäre
dem Art. 69 Abs. 3 B‑VG ein weiterer Satz folgenden Inhalts
anzufügen:
„Eine
Beschlussfassung im Umlaufwege ist zulässig.“
·
Zum
Themenbereich „Verantwortlichkeit der einstweiligen Bundesregierung gemäß
Art. 71 B‑VG“ wird Folgendes festgehalten:
Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die so genannte
einstweilige Bundesregierung iSd. Art. 71 B‑VG der selben
Verantwortlichkeit unterliegt wie die „definitive“ Bundesregierung.
Insbesondere kann der Nationalrat einem Mitglied einer einstweiligen
Bundesregierung gemäß Art. 74 Abs. 1 B‑VG das Vertrauen versagen (mit
der Konsequenz der Amtsenthebung) oder gegen ein Mitglied einer einstweiligen
Bundesregierung gemäß Art. 142 B‑VG Anklage beim Verfassungsgerichtshof
erheben.
2.1.
Legislative der Länder / Landtage:
Hinsichtlich
der bundesverfassungsgesetzlichen Regelung der Wahl der Landtage
(Art. 95 B‑VG) bestehen unterschiedliche Auffassungen. Diese lassen sich
im Wesentlichen zu folgenden Positionen zusammenfassen:
Variante
A:
·
Ergänzung
der Aufzählung der Wahlrechtsgrundsätze in Abs. 1 um das freie Wahlrecht;
·
Festlegung
der Zahl der Abgeordneten je Wahlkreis im Verhältnis der Zahl der
Wahlberechtigten (an Stelle des Bürgerzahl-Prinzips);
·
4%-Klausel-Regelung;
·
Ermächtigung,
in der Wahlordnung mit qualifizierter Mehrheit die Fälle zu regeln, in denen
die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss.
Art. 95
B‑VG würde dem gemäß wie folgt lauten:
„Art. 95. (1) Die Gesetzgebung der
Länder wird von den Landtagen ausgeübt. Deren Mitglieder werden auf Grund des
gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen
Verhältniswahlrechtes aller nach den Landtagswahlordnungen wahlberechtigten
männlichen und weiblichen Landesbürger gewählt. Durch Landesgesetz werden die näheren
Bestimmungen über das Wahlverfahren und über die allfällige Wahlpflicht
getroffen. In diesem Landesgesetz sind insbesondere auch die Gründe
festzusetzen, aus denen eine Nichtteilnahme an der Wahl trotz Wahlpflicht als
entschuldigt gilt.
(2) Die Landtagswahlordnungen dürfen die
Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger ziehen als die
Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat.
(3) Die Wähler üben ihr Wahlrecht in
Wahlkreisen aus, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss und die
in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise unterteilt werden können. Die Zahl
der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise im Verhältnis der Zahl der
Wahlberechtigten zu verteilen. Die Landtagswahlordnung kann ein abschließendes
Ermittlungsverfahren im gesamten Landesgebiet vorsehen, durch das sowohl ein
Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als
auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen
der Verhältniswahl erfolgt. Parteien, denen im Landesgebiet mehr als 4% der
abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben Anspruch auf Zuweisung von
Mandaten. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht
zulässig.
(4) Durch Landesgesetz werden jene Fälle
geregelt, in denen die Stimmabgabe nicht vor der Wahlbehörde erfolgen muss;
diese Bestimmungen können vom Landtag nur in Anwesenheit von mindestens der
Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen
Stimmen beschlossen werden.
[Der bisherige Abs. 4 wird zu
Abs. 5.]
Variante
B:
Regelung
bloß der Wahlrechtsgrundsätze (allerdings mit Ausnahme des Grundsatzes der
Verhältniswahl) im B‑VG und Ermächtigung, in der Wahlordnung mit qualifizierter
Mehrheit die folgenden Gegenstände zu regeln:
·
das
Wahlsystem;
·
der
Kreis der Wahlberechtigten;
·
die
Fälle, in denen die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss;
Art. 95
B‑VG würde dem gemäß wie folgt lauten:
„Art. 95. Die Gesetzgebung der
Länder wird von den Landtagen ausgeübt. Deren Mitglieder werden auf Grund des
gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes aller
nach den Landtagswahlordnungen Wahlberechtigten gewählt. Durch Landesgesetz
werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen. Die näheren
Bestimmungen über das Wahlsystem, den Kreis der Wahlberechtigten sowie über
jene Fälle, in denen die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss,
können vom Landtag nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder
und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen
werden.“
Was die Mitwirkung
des Bundes an der Gesetzgebung der Länder betrifft, so ergeben sich auf
Grund der bisherigen Beratungen die folgenden Positionen:
Das
Zustimmungsrecht gemäß Art. 97 B‑VG sollte – grundsätzlich – beibehalten
werden. Zu erwägen wäre allerdings, die in der Regierungsvorlage 14 BlgNR
20.GP vorgesehene Neufassung zu empfehlen. Art. 97 Abs. 2 B‑VG hätte
dem gemäß wie folgt zu lauten:
„(2) Insoweit ein Landesgesetz die Mitwirkung
von Bundesorganen bei der Vollziehung vorsieht, muss hiezu die Zustimmung der
Bundesregierung eingeholt werden; dies gilt nicht für die Mitwirkung von
Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Vorbeugungsmaßnahmen gegen
Verwaltungsübertretungen, deren Verfolgung oder der Anwendung gesetzlich
vorgesehenen körperlichen Zwanges, soweit darüber das Einvernehmen mit dem
Bundesminister für Inneres hergestellt worden ist; das betreffende Land kann
durch eine Verordnung, die vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit
dem Bundesminister für Inneres zu erlassen ist, zum Kostenersatz herangezogen
werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen
acht Wochen von dem Tag, an dem der Gesetzesbeschluss beim Bundeskanzleramt
eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, dass die Mitwirkung der
Bundesorgane verweigert wird. Vor Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des
Gesetzesbeschlusses nur erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich
zugestimmt hat.“
Das
Einspruchsrecht des Bundes gemäß Art. 98 B‑VG sollte hingegen entfallen.
Hinsichtlich
des Verhältnisses Bundesverfassungsrecht – Landesverfassungsrecht, das
in Art. 99 Abs. 1 B‑VG normiert ist, wäre zu erwägen, auf den
Änderungsvorschlag der Regierungsvorlage 14 BlgNR 20.GP zurückzugreifen:
„Art. 99. (1) Die durch
Landesverfassungsgesetz zu erlassende Landesverfassung darf der
Bundesverfassung nicht widersprechen.“
Erläuterungen zu
Art. 99 Abs. 1 B‑VG:
„Derzeit ist im Art. 99 Abs. 1
vorgesehen, dass durch das Landesverfassungsgesetz die Bundesverfassung ‘nicht
berührt’ werden darf. Diese Formulierung hat in der Vergangenheit immer wieder
zu Auslegungsschwierigkeiten geführt. Um den Handlungsspielraum des
Landesverfassungsgesetzgebers deutlicher zu umschreiben, soll daher klargestellt
werden, dass die Landesverfassung der Bundesverfassung nicht widersprechen
darf.“
Ob die Befugnis
des Bundespräsidenten, einen Landtag aufzulösen (Art. 100 B‑VG),
entfallen soll, ist in Zusammenhang damit zu sehen, ob dem Bundespräsidenten
weiterhin die Befugnis zukommen soll, gemäß Art. 29 B‑VG den Nationalrat
aufzulösen.
2.2.
Exekutive der Länder / Landesregierung, insbesondere Landeshauptmann:
Hinsichtlich
der Wahl der Mitglieder der Landesregierung (Art. 101 Abs. 1 B‑VG)
bestehen – ausgehend von den bisherigen Beratungen – die folgenden Positionen:
·
Beibehaltung
der geltenden Regelung (Wahl durch den Landtag), die insbesondere eine
Direktwahl des Landeshauptmannes ausschließt.
·
Änderung
des Art. 101 B‑VG dahingehend, dass die Bestellung der Mitglieder der
Landesregierung durch Landesverfassungsgesetz zu regeln ist, was insbesondere
auch ermöglichte, die Direktwahl des Landeshauptmannes vorzusehen. Ein
dahingehender Textvorschlag könnte wie folgt lauten:
„Art. 101.
(1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine Landesregierung aus. Die Bestellung
der Mitglieder der Landesregierung ist in der Landesverfassung zu regeln.“
Weiters
wurde die Regelung des Art. 101 Abs. 4 B‑VG (Angelobung des
Landeshauptmannes vom Bundespräsidenten) als entbehrlich qualifiziert.
Überhaupt
könnten die bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen betreffend die Exekutive
der Länder – ausgehend von der Regierungsvorlage 14 BlgNR 20.GP – wie
folgt bereinigt werden:
·
Dem
Art. 101 B‑VG werden die folgenden Absätze angefügt:
„(5) Die Landesregierung
gibt sich eine Geschäftsordnung, in der nach den näheren Bestimmungen der
Landesverfassung insbesondere die Besorgung von Geschäften durch die
Landesregierung als Kollegium oder auch durch einzelne ihrer Mitglieder
geregelt wird. Die Geschäftsordnung ist der Bundesregierung zur Kenntnis zu
bringen.
(6) Die Mitglieder der
Landesregierung sind dem Landtag gemäß Art. 142 verantwortlich. Zu einem
Beschluss, mit dem eine Anklage im Sinne des Art. 142 erhoben wird, bedarf
es der Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder.“
·
Die
Art. 105 bis 107 B‑VG lauten wie folgt:
„Art. 105. (1) Der Landeshauptmann vertritt das Land.
[(2) Die Landeshauptmänner
bilden in ihrer Gesamtheit die Landeshauptmännerkonferenz.]
Art. 106. (1) Die Geschäfte der Landesregierung und des Landeshauptmannes werden
durch das Amt der Landesregierung besorgt.
(2) Der Landeshauptmann
ist der Vorstand des Amtes der Landesregierung. Als solchem sind ihm auch die
Bezirkshauptmannschaften unterstellt.
(3) Zur Leitung des
inneren Dienstes des Amtes der Landesregierung wird von der Landesregierung ein
rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Landesamtsdirektor bestellt. Sein
Stellvertreter ist in gleicher Weise und unter den gleichen Voraussetzungen zu
bestellen. Die Leitung des inneren Dienstes erfolgt unter der unmittelbaren
Aufsicht des Landeshauptmannes.
(4) Die Regelungen des
Geschäftsganges (Geschäftsordnung) sowie die innere Gliederung und Verteilung
der Geschäfte (Geschäftseinteilung) im Amt der Landesregierung werden vom
Landeshauptmann mit Zustimmung der Landesregierung getroffen.
Art. 107. Die Landesregierung und die Bezirkshauptmannschaften sind die
Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung. Die Bezirkshauptmannschaften
besorgen die Aufgaben der Bezirksverwaltung.“
·
Das
Übergangsgesetz 1920 und das BVG über die Ämter der Landesregierungen treten
außer Kraft.
Diese
Änderungsvorschläge bedürfen – v.a. im Hinblick auf die mittelbare
Bundesverwaltung und die Auftragsverwaltung (Art. 102 bis 104 B‑VG) – noch
der Akkordierung mit dem Ausschuss 6.
Hinsichtlich
der bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen für die Bundeshauptstadt Wien
(Art. 108 ff B‑VG) ist – auf Grund der bisherigen Beratungen – von
Folgendem auszugehen:
·
Im
Hinblick auf die Sonderstellung Wiens – sowohl Gemeinde als auch Land – sind
bundesverfassungsgesetzliche Sonderregelungen geboten (siehe v.a. Art. 116
Abs. 1 B‑VG).
·
Art. 109
B‑VG könnte – abhängig von den Ergebnissen der Beratungen des
Ausschusses 6 über die mittelbare Bundesverwaltung – entbehrlich werden.
·
Gleiches
gilt – vorbehaltlich der Beratungen des Ausschusses 9 über die Einrichtung
von Landesverwaltungsgerichten – für Art. 111 B‑VG.