ÖsteRreich-Konvent – Ausschuss 5

 

stellungnahme

der Ausschussmitglieder Egger und scheibner

zu den drei den Ausschussmitgliedern am 11. November     übermittelten Fragen

 

Der Ausschuss hat die „Schaffung eines klaren, nach abgerundeten Leistungs- und Verantwortungsbereichen gegliederten Kataloges von Gesetzgebungskompetenzen unter Berücksichtigung der Rechtslage der Europäischen Union“ zur Aufgabe.

 

Er ist bei seiner bisherigen Arbeit darüber hinaus zur Erkenntnis gelangt, dass eine radikale Abkehr von den bisherigen Formulierungen und inhaltlichen Abgrenzungen der Kompetenztatbestände samt Interpretation mit Hilfe der Versteinerungstheorie notwendig ist, um eine detailverliebte und damit die bisherigen Probleme fortsetzende Kompetenzverteilung zu verhindern und eine problem- und bürgerorientierte und nicht institutionenorientierte Kompetenzverteilung zu erreichen. Der Ausschuss hat sich daher aus gutem Grund eine Kompetenzverteilung von Materien bzw. Lebenssachverhalten und nicht der vorhandenen Kompetenzbestimmungen vorgenommen (Protokoll Sitzung 3).

 

Bekanntlich wird die derzeitige Kompetenzregelung als unbefriedigend empfunden, weil sie durch ihre Starrheit eine Weiterentwicklung aufgrund politischer Entwicklungen erschwert, trotz detaillierter Regelungen einen hohen Aufwand an Abgrenzungsarbeit erzeugt und z.T. sachlich unbefriedigende Lösungen bewirkt. Die angestrebte Aufteilung der Kompetenzen in „abgerundete Aufgabenbereiche“ würde eine – wie allgemein gewünscht – flexiblere Grundlage für die Zukunft darstellen und unserer Überzeugung nach zwar im Übergangszeitraum einigen Interpretationsbedarf erzeugen, aber langfristig weniger Abgrenzungsstreitigkeiten provozieren als die derzeit geltende detaillierte Kompetenzregelung. Auch hier wird aber zwangsläufig ein „Graubereich“ einen praktikablen Aufgabenverteilungsmechanismus erfordern. Ziel einer neuen Kompetenzverteilung muss aber – das haben wir auch als übereinstimmende Ansicht des Ausschusses empfunden – insgesamt eine Regelung sein, die nicht wie derzeit einen hohen Aufwand an Kompetenzabgrenzung erzeugt sondern diese Ressourcen für die Erledigung der Sachaufgaben freimacht. Der Bereich unklarer Kompetenzzuordnung muss daher möglichst schmal gehalten und die Lösung mit möglichst geringem Aufwand und möglichst schnell erzielbar sein.

 

Wir halten daher die bisher vorliegenden Vorschlägen beschrittenen Wege für Sackgassen, soweit sie

-         begrifflich auf der bestehenden Kompetenztatbeständen des B-VG aufbauen (damit wird eine Neuordnung der Kompetenzlage aufgrund von Lebenssachverhalten schon durch die altgewohnten Denkschienen erschwert, wenn nicht überhaupt verhindert) und

-         einen (möglichst großen) „unklaren“ Kompetenzbereich anstreben (wodurch der Kompetenzklärungsaufwand maximiert statt minimiert wird).

 

Wir meinen daher, dass tatsächlich der Weg der Kompetenzverteilung von den Lebenssachverhalten ausgehend vom Ausschuss nochmals neu beschritten werden sollte. Eine sogenannte „3. Säule“ der Gesetzgebung in Form von gemeinsam wahrzunehmenden und damit nicht klar zugeordneten Kompetenzen sollte grundsätzlich unterbleiben.

 

Unseres Erachtens sind vor einer Entscheidung über einzelne Zuständigkeiten zu klären, ob künftig eine praktikable Möglichkeit einer „gemeinsamen Landesgesetzgebung“ eingerichtet werden soll. Damit wäre wohl die „Hemmschwelle“ zur Übertragung von mehr Kompetenzen an die Länder (auch bei der Umsetzung von EU-Vorgaben) geringer und die wirtschaftsverträglich einheitliche Regelung mancher Bereiche unter Wahrung des förderalistischen Grundprinzips gewährleistet.

 

Sehr wohl aber halten wir es für sinnvoll, neben der reinen Bundes- und reinen Landesgesetzgebung mit gegenseitigen Einflussmöglichkeiten einen dritten Bereich an Kompetenzen vorzusehen, der einer gemeinsamen Gesetzgebung der Länder überlassen wird. Wir stellen uns vor, aus den Landtagen Ausschüsse zu bilden, die – ev. unter Einbindung der Landesregierung – in Form eines Ausschusslandtags anstelle des Bundesrats treten und ermächtigt werden, in verfassungsmäßig abgegrenzten Kompetenzbereichen mit doppelter Mehrheit (Länder und Stimmen) in allen Ländern auf Vorschlag eines oder mehrerer Länder gültige Landesregelungen zu beschließen, die allenfalls einzelne notwendigerweise regional unterschiedliche Details einer Regelung durch den einzelnen Landtag überlassen können. Durch diese neue dritte Gesetzgebungsebene würde einerseits eine Zentralisierung in Richtung Bund wirksam verhindert, ohne den Bedarf nach einheitlicher Regelung zu negieren. Diese Lösung hätte zudem den Vorteil, die gesetzgebenden Körperschaften mehr als bisher zum Nutzen der Bürger in Konkurrenz zueinander treten zu lassen. Der Bundesrat soll also durch diese neue personelle Zusammensetzung („Ausschusslandtag“) neu strukturiert und durch eine Erweiterung seiner Kompetenzen zu einer echten Vertretung der Länderinteressen aufgewertet werden.

 

Die Bundesverfassung sollte – im Hinblick auf die neue und pauschalere Abgrenzung der Kompetenztatbestände, aber auch allfälliger neu entstehender Regelungsbedürfnisse – neben der taxativen Aufzählung der Bereiche der Bundes- und Landesgesetzgebung für die restlichen Kompetenzen eine Generalklausel in Richtung gemeinsamer Landesgesetze durch den Ausschusslandtag enthalten.

 

Darüber hinaus muss ein Modus zur Lösung von kompetenzrechtlichen Streitigkeiten und Unklarheiten und auch für die Mitwirkung an der Gesetzgebung der jeweils „anderen“ gesetzgebenden Körperschaft vorgesehen werden. Dafür bietet sich ein Vermittlungsausschuss des Ausschusslandtags und des Nationalrates unter Einbeziehung der Regierungen an, der sich einem Thema für eine bestimmte Zeit widmen muss, bevor eine Anrufung des VfGH in Frage kommt.

 

Im Endeffekt gäbe es damit drei Kompetenzvarianten (jeweils mit politischer Verhandlung im Vermittlungsausschuss im Konfliktfall und Verfassungsgerichtshof letzte Lösungsmöglichkeit):

1.             ausschließliche Bundesgesetzgebung unter Mitwirkung des Ausschusslandtags (normalerweise suspensives Veto, ausnahmsweise ausdrückliche mehrheitliche Zustimmung)

2.             ausschließliche Gesetzgebung der einzelnen Länder mit suspensivem Veto des Nationalrats inkl. Bundesregierung

3.             gemeinsame Gesetzgebung der Länder mit suspensivem Veto des Nationalrats inkl. Bundesregierung

 

Darüber hinaus soll es einzelnen Ländern nach wie vor freistehen, im Bereich 2 über den Weg der Art. 15a-Staatsverträge auch nur für wenige Länder geltende Beschlüsse zu fassen.

 

Wesentlich erscheint uns auch, dass eine Deckungsgleichheit zwischen Aufgaben, Vollziehung und Finanzierung sichergestellt wird, wobei insbesondere die Finanzierung im Sinne ausreichend langer Planungshorizonte langfristig gesichert sein muss. Das kann aber nur in Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen 5, 6 und 10 erreicht werden.

 

Ein Vorschlag für einen kompetenzmäßige Zuordnung einzelner Materien zu diesen Kategorien wird noch nicht erstattet, weil unseres Erachtens vorher das Prinzip zu klären sein wird.

 

In Zusammenarbeit mit dem Ausschuss 3 müssen selbstverständlich von diesem die institutionellen Fragen noch näher beraten und präzisiert werden.

 

Die EU-Umsetzung sollte sinnvollerweise der innerstaatlichen Kompetenzverteilung folgen. Gerade hier wäre angesichts der für uns überzeugenden Argumente für einen einheitlichen Wirtschaftsraum eine gemeinsame Gesetzgebung der Länder sehr wünschenswert. Allerdings muss nicht nur eine Notfallbestimmung für mangelhafte Umsetzung festgelegt werden; sondern bei einer Kompetenz der einzelnen Ländereine politische Klärung des Verhandlungsmandats erfolgen („nur ein Landeshauptmann fährt nach Brüssel“).

 

Eine Flexibilisierung der Kompetenzzuordnung in strittigen Randbereichen bleibt durch den politischen Modus der Klärung jedenfalls gewahrt, der eine „Versteinerung“ zumindest im politischen Bereich ausschließt.

 

 

 

28. November 2003