Österreich-Konvent

Ausschuss 5

 

 

Stellungnahme des Landes Wien

 

Zu den in der vierten Sitzung des Ausschusses 5 zur Beantwortung erwünschten Fragen wird folgendes festgestellt:

 

Die Neuverteilung der Aufgaben im Bereich der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern ist wohl eine der schwierigsten Herausforderungen des Konvents. Sicher ist die geltende Verfassungsrechtslage, welche durch eine Zersplitterung auf fast 200 Kompetenztatbestände gekennzeichnet ist, unbefriedigend. Die Stadt Wien steht aber dem im Ausschuss 5 bisher diskutierten sogenannten 3-Säulen-Modell auch mit gutem Grund skeptisch gegenüber: Es ist zu befürchten, dass gerade durch dieses Modell – so wie dieses im Ausschuss dargelegt wurde – erneut schwerwiegende Abgrenzungsprobleme und komplizierte Fragen der Zuständigkeitswahrnehmung in der sogenannten dritten Säule entstehen könnten. Es sollte vermieden werden, von einer unbefriedigenden Kompetenzaufteilung in eine neue nicht minder problematische Kompetenzverteilung überzuwechseln. Eine endgültige Einschätzung dieses Modells kann natürlich erst dann erfolgen, wenn dieses in seinen konkreten Formen vorliegt und Ergebnisse anderer Ausschüsse (insbesondere des Ausschusses 10 – Finanzverfassung) auch feststehen. Nach derzeitigem Stand besteht jedenfalls die ernsthafte Möglichkeit, dass, wie auch der Vorsitzende des Ausschusses 5 in seinem „Vorschlag für eine Zuordnung der Gesetzgebungskompetenzen zu Bund und Ländern“ feststellt, „die Gesetzgebung in der dritten Säule eine Einschränkung der selbständigen Landesgesetzgebung darstellt.....“.

 

Wenn es trotz dieser grundsätzlichen Vorbehalte zu einem Modell mit drei Bereichen (ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes bzw. der Länder, dritter Bereich) kommen sollte, sollte nicht von einem 3-Säulen-Modell gesprochen werden, sondern davon, dass im dritten Bereich eine sinnvolle, länderfreundliche Form der Bedarfsgesetzgebung geschaffen werde. Dem Prinzip der Subsidiarität sollte auch und gerade in diesem Zusammenhang ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. In diesem Sinn sei zu den drei Fragen folgendes festgehalten:

 

Zu Frage 1: „In welcher Weise soll die Rechtssetzung im dritten Kompetenzbereich (zwischen Bund und Länder geteilte Gesetzgebung) erfolgen, nach welchen Kriterien soll die Anspruchnahme der Kompetenz erfolgen?“:

 

Wenn schon das theoretische Idealbild einer Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen in zwei Bereiche (ausschließliche Bundes- oder Landeskompetenz) als nicht verwirklichbar eingeschätzt wird, scheint es jedenfalls sinnvoll, den „dritten Bereich“ möglichst klein zu halten. Es sollen also nur Materien in diesen dritten Bereich kommen, über deren Zuordnung in eine der beiden anderen Säulen man sich nicht einigen kann bzw. sollte für jede einzelne Zuordnung einer Kompetenz in diesen Bereich argumentativ eindeutig der Beweis erbracht werden, dass diese Zuordnung in höherem Maß sachlich gerechtfertigt ist, also eine Zuordnung in einen der beiden anderen Bereiche. Denn man muss sich bewusst sein, dass die Materien des dritten Bereiches das Einfallstor für Zeitverzögerungen in der Gesetzgebung, Rechtsunsicherheiten und permanente Streitigkeiten sein könnten.

 

Konstruktionen der Rahmengesetzgebung/Ausführungsgesetzgebung werden abgelehnt. Vielmehr scheint bei den Kriterien der Inanspruchnahme der Kompetenz im dritten Bereich die Annahme einer Bedarfskompetenz am sinnvollsten. Es soll grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass in erster Linie die Länder für die Gesetzgebung dieser Materien zuständig sind. Der Bedarf eines Gesetzgebungsrechtes des Bundes (etwa zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse) müsste ausdrücklich festgestellt werden. Als „Feststellungsorgan“ käme der - grundsätzlich erneuerte – Bundesrat in Frage. Vorraussetzung sollte sein, dass die Bundesräte in ihrer Funktion als „Kompetenzfeststellungsorgan“ gegenüber ihrem Landtag weisungsgebunden sind. Der Bundesrat müsste in seiner Mehrheit für die Feststellung eines Bedarfs einer bundesgesetzlichen Regelung für eine gewissen Materie votieren, damit die Kompetenz von den Ländern auf den Bund übergeht. Kombiniert mit diesem Erfordernis wäre auch denkbar, dass zusätzlich eine qualifizierte Mehrheit der Länder (die Bundesräte jedes Bundeslandes würden nach diesem Modell einheitlich abstimmen) im Bundesrat für den Kompetenzübergang stimmen müsste.

 

Dieses Modell einer Bedarfsgesetzgebung böte ausreichend Gewähr dafür, dass die Länder nicht eine unnötige Einschränkung der selbständigen Landesgesetzgebung erfahren, umgekehrt aber bei tatsächlichem Bedarf im Interesse des Staatsganzen eine Bundeskompetenz wahrgenommen werden kann.


 

Zu Frage 2: „In welcher Weise sollen die Länder im dritten Kompetenzbereich an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken?“:

 

Die Beantwortung dieser Frage ist in hohem Maß von jener Antwort abhängig, die auf Frage 1 gegeben wird. Weiters davon, wie ein grundlegend neuer Bundesrat tatsächlich aussieht. Bei zufriedenstellender Beantwortung dieser beiden Vorfragen könnte ein grundlegend neuer Bundesrat (erstmals) tatsächlich zu einem wirksamen Organ der Länder im Bereich der Gesetzgebung des Bundes werden. Denkbar wäre ein Vermittlungsausschuss zusammengesetzt aus Vertretern von Nationalrat und Bundesrat. Die Bundesräte müssten so frühzeitig wie möglich in den Gesetzwerdungsprozess eingebunden sein und von Anfang an den gleichen Informationsstand haben. Selbstverständliche müsste – insbesondere wenn ein Bundesbedarf festgestellt wird – ein geeigneter Kostenregelungsmechanismus gegeben sein (kein zusätzlicher Mehraufwand für die Länder – dazu wird aber, wie auch oben erwähnt, primär im Ausschuss 10 beraten werden müssen).

 

Zu Frage 3: „Welche Materien/Aufgabenfelder sollen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, welche der ausschließlichen  
Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet werden?“

 

Eine abschließende Beantwortung dieser Frage scheint aufgrund der bisher noch unzureichend vorliegenden Ergebnisse bei inhaltlich korrespondierenden Fragen, die im Österreich Konvent behandelt werden, verfrüht.