Ö-Konvent -
Ausschuß 8
z.Hd. Herrn
Univ.Doz. Dr.
Bußjäger
Eisenstadt, am 21. November 2003
Sehr geehrter Herr Univ. Doz. Dr. Bußjäger!
Wie in der vierten
Sitzung des Ausschusses 5 – Aufgabenverteilung zwischen Bund den Ländern und
Gemeinden des Österreich-Konvents vereinbart - darf ich zu den aufgeworfenen
Fragen wie folgt Stellung nehmen und dieser folgende grundsätzliche
Überlegungen voranstellen:
Die Neuordnung der
Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Gesetzgebung und
in weiterer Folge auch unter Einbeziehung der Gemeinden im Bereich der
Vollziehung sollte zunächst von folgenden Grundsätzen geprägt sein:
1) Grundsatz der Subsidiarität
Nur
in denjenigen Bereichen, die von den Ländern sinnvoller Weise nicht geregelt werden
können, soll dem Bund die exklusive Gesetzgebungskompetenz zukommen; auf allen
anderen Gebieten wäre entweder eine exklusive Gesetzgebungskompetenz der Länder
aufgenommen werden oder wären sie in die dritte Säule einzuordnen, wobei auch
hier der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten ist.
2) Grundsatz der räumlichen Abgrenzbarkeit
Jene
Bereiche die regional und räumlich abgegrenzt werden können, wie z.B.
Raumordnung, Bauordnung, Verkehr mit Grundstücken, Forst-, Fischerei- und
Jagdwesen, Denkmalschutz, Bodennutzung, Naturschutz und anderes mehr, sollte in
die exklusive Gesetzgebungskompetenz den Länder aufgenommen werden.
Räumlich
nicht abgrenzbare Bereiche wie zum Bespiel Luftreinhaltung oder Bereiche in
denen zur Sicherung des Wirtschaftstandortes Österreichs bundesweite Regelungen
geboten sind, wie z.B. technische Vorschriften, wären der exklusiven
Bundeskompetenz zuzuordnen.
3) Grundsatz des Partnerschaftlichen Bundesstaates
und des bundesstaatlichen Rücksichtnahmegebotes
Vor allem im Bereich der dritten
Säule sollte ein System gewählt werden, das dem bundesstaatlichen
Rücksichtnahmegebot Rechnung trägt und gegenseitige Einflussnahmemöglichkeiten
der gesetzgebenden Gebietskörperschaften absichert.
Dieser
Grundüberlegung folgend sollte meiner Meinung nach, um österreichweit
einheitliche Ziele vorgeben zu können und auch erreichbar zu machen, der Weg
der Rahmen- und Zielgesetzgebung, der sich wesentlich von der derzeitigen zu
engen Grundsatzgesetzgebung zu unterscheiden hätte, eingehend diskutiert
werden.
Dabei wäre
vorstellbar, dass ein Bundesrat Neu – in diesem Bereich ausgestattet mit einem
absoluten Vetorecht – die Landesinteressen wirkungsvoll vertreten könnte.
Bei einer
Verweigerung der Zustimmung des Bundesrates zu einem Ziel- und
Rahmengesetzgebungsbeschluss des Nationalrates, könnte in Verhandlungen in
einem zwischen Bund und Ländern partnerschaftlich besetzten
Vermittlungsausschuss ein allen Interessen bestmöglich Rechnung tragendes
Ergebnis angestrebt werden.
Auch das – dem
Grundgedanken eines partnerschaftlichen Bundestaates Rechnung tragende –
Instrument der Gliedstaatsverträge, sollte im Zusammenhang mit der 3. Säule
nochmals andiskutiert werden. Insbesonders dann, wenn mit diesem Instrument
auch Kompetenzverschiebungen zwischen dem Bund und den Ländern gemeinsam
geregelt werden könnten und darüber hinaus diese Verträge auch unmittelbar
anwendbar und self executing wären, könnten damit zukünftig auftauchende
Kompetenzkonflikte einvernehmlich gelöst werden.
Auch der Weg der
zwischen dem Bund und den Ländern paktierten Gesetzgebung wäre meiner Meinung
nach zu diskutieren.
Eine konkurrierende Gesetzgebung in der 3.
Säule nach dem Grundsatz, dass der Bund befugt ist, Regelungen zu erlassen,
soweit eine bundesweit einheitliche Regelung unerlässlich oder erforderlich
ist, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu garantieren,
leistet meiner Ansicht nach zukünftigen, intensiven und langwierigen
Kompetenzstreitigkeiten Vorschub und wird über kurz oder lang wiederum zu einer
unüberschaubaren Kompetenzzersplitterung führen.
Eine konkurrierende
Gesetzgebungskompetenz der Gestalt, dass die Länder die Befugnis zur
Gesetzgebung solange und soweit haben sollen, solange der Bund von seiner
Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch macht (Windhundprinzip), wäre für die
Rechtssicherheit nicht zuträglich und damit verbunden auch für den
Wirtschaftsstandort Österreich von großem Nachteil.
Damit wäre aber
auch noch eine auf jeden Fall zu vermeidende Unübersichtlichkeit verbunden, die
noch durch Streitigkeiten darüber verstärkt würde, ob durch spätere
Bundesvorschriften bestehende Landesgesetze zur Gänze oder zum Teil formell
oder auch materiell derogiert werden.
Zusammenfassend bin
ich der Ansicht, dass die von Ihnen, sehr geehrter Herr Dozent, vorgenommene
Kompetenzaufteilung als Grundlage für die weiteren Diskussionen herangezogen
werden sollte, wobei die Überlegungen von Dr. Schnizer über die Abrundung der
Kompetenzbereiche bei voller Wahrung der Länderinteressen im Sinne einer
wohlverstandenen Subsidiarität in die Betrachtung miteinbezogen werden könnten.
Auch die Überlegung der WiKO bieten zur
Wahrung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes und hinsichtlich des
Subsidiaritätsmechanismus Ansätze, die nochmals genau durchleuchtet werden
sollten und allenfalls unter übergeordneten Begriffen subsumierbar wären; die
durch den Vorschlag der WiKO im Effekt bewirkte Einschränkung der derzeit
bestehenden Gesetzgebungskompetenzen der Länder und die Umgestaltung hin zu
mehr Vollzugsföderalismus muss jedoch vehement abgelehnt werden.
Mit freundlichen
Grüßen
Landtagspräsident Walter Prior