Österreich-Konvent

Ausschuss 5

Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich

 

 

 

Zu den in der vierten Sitzung des Ausschusses 5 zur Beantwortung aufgetragenen Fragen, wird folgendes mitgeteilt:

 

 

Zu Frage 1: „In welcher Weise soll die Rechtsetzung im dritten Kompetenzbereich (zwischen Bund und Ländern geteilte Gesetzgebung) erfolgen, nach welchen Kriterien soll die Inanspruchnahme der Kompetenz erfolgen?“:

 

Die Wirtschaftskammer Österreich schlägt für den dritten Kompetenzbereich eine General­klausel „geteilte Zuständigkeiten“ vor, in die alle Angelegenheiten, die nicht in den aus­schließlichen Bundeszuständigkeiten oder den ausschließlichen Landeszuständigkeiten ent­halten sind, fallen. Dieser Kompetenzbereich sollte grundsätzlich als „konkurrierende Kompetenz“ gestaltet sein (nur für einige, im WKÖ-Vorschlag taxativ genannte Materien könnte die Technik der „Rahmengesetzgebung“ zur Anwendung gelangen, wobei auch für diese Bereiche bei adäquater Ländermitwirkung – vgl. unten zu Frage 2 – eine Integration in die „konkurrierende Gesetzgebung“ denkbar wäre).

 

Im „dritten Bereich“ haben nach dem Vorschlag der Wirtschaftskammer Österreich die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, „solange und soweit der Bund von seiner Gesetz­gebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat“.

Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erfor­derlich macht“.

Diese Formulierung entspricht den, dem gesamten WKÖ – Kompetenzverteilungsmodell zugrunde liegenden, Prinzipien der „Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes“ und der „Sub­sidiarität“.

 

Der „dritte Bereich“ sollte nach Ansicht der Wirtschaftskammer Österreich möglichst klein gehalten werden. Welche Kriterien für die Zuordnung bzw. welcher Mechanismus der Län­derbeteiligung in diesem Bereich auch immer gewählt werden, es wird jedenfalls mit einer gewissen Zeitverzögerung bis zur konkreten Kompetenzzuweisung zu rechnen sein. Gerade für erheblich wirtschaftsrelevante Materien wird daher der „dritte Bereich“ in der Regel nicht der am besten geeignete Kompetenzbereich sein.

 

Dieser dritte Bereich sollte vielmehr als eine wirkliche „Auffangklausel“ für „neue“ Aufga­ben bzw. auch für „Restzuständigkeiten“, die mit den taxativen Bundes- und Landeskom­petenzen nicht gelöst werden (können), dienen.

 


WKÖ-Kompetenzverteilungsmodell/Schaubild

 

 

Bundeskompetenzen taxativ

 

Landeskompetenzen taxativ

 

 

Generalklausel

„geteilte Zuständigkeiten“

 

konkurrierende

Gesetzgebung

Rahmen-

gesetzgebung

 

 

 

·         Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung „solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht hat“.

·         Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung „wenn und soweit die Herstellung gleich­wertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirt­schaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erfor­derlich macht“.

 

 

Zu Frage 2: „In welcher Weise sollen die Länder im dritten Kompetenzbereich an der Gesetz­gebung des Bundes mitwirken?“:

 

Nach Ansicht der Wirtschaftskammer Österreich sollten die Länderinteressen im Rahmen des dritten Kompetenzbereiches im Wege des Bundesrates kanalisiert werden. Damit könnte zum einen bewirkt werden, dass dem Bund ein einziger (und nicht neun) Verhand­lungspartner gegenüber steht, zum anderen müsste in diesem Zusammenhang auch eine generelle Aufwertung des Bundesrates stattfinden:

 

Der Bundesrat müsste zunächst durch geänderte personelle Zusammensetzung zu einem politisch gewichtigen Vertretungsorgan der Länder werden, um sodann im Prozess der Wahrnehmung der „geteilten Zuständigkeiten“ für die Gewährleistung der Länderinteres­sen eingesetzt werden zu können. In diesem Sinne müsste sich der Bundesrat aus Vertre­tern der Landtage zusammensetzen, auch eine Entsendung der Landeshauptmänner sowie (sofern es sich dabei um eine vom Landeshauptmann verschiedene Person handelt) der Landesfinanzreferenten ist denkbar.

Nach dem WKÖ-Vorschlag hat im „dritten Bereich“ der Bund das Gesetzgebungsrecht, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bun­desgesetzliche Regelung erforderlich macht“.

Vor der Erlassung solcher Bundesgesetze sind die Länder in geeigneter Weise einzubeziehen (Subsidiaritätskontrolle !) und ist ein Ausgleich der Bundes- und Landesinteressen anzu­streben.

 

Dies könnte im Wege eines „Vermittlungsausschusses“ geschehen, dem Vertreter aus dem (im obigen Sinne personell gestärkten) Bundesrat und aus dem Nationalrat angehören:

 

Will der Bund sein Gesetzgebungsrecht im „dritten Bereich“ ausüben, hat er entsprechen­de Regierungsvorlagen oder Initiativanträge sowohl an den Nationalrat als auch an den Bundesrat weiterzuleiten. In der Folge bilden Nationalrat (aus Mitgliedern des für die je­weilige Materie zuständigen Ausschusses) und Bundesrat einen „Vermittlungsausschuss“, der binnen einer festzusetzenden Frist (etwa drei Monate) zu beurteilen hat, ob das Ge­setzesvorhaben den oben genannten Kriterien („Herstellung gleichwertiger Lebensverhält­nisse im Bundesgebiet oder Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatli­chen Interesse“) entspricht bzw. welche Anpassungen/Änderungen durchzuführen wären, um dieses Ergebnis zu erzielen. Kommt der „Vermittlungsausschuss“ innerhalb dieser Frist zu einem Ergebnis, kann das Gesetz vom Nationalrat (in einer dem Ergebnis des Vermitt­lungsausschusses entsprechenden Weise) beschlossen werden.

Kommt der „Vermittlungsausschuss“ innerhalb der Frist zu keinem Ergebnis, haben sowohl der Bund als auch jedes Land die Möglichkeit, ein Gutachten des Verfassungsgerichtshofes zur Zuständigkeitsfrage einzuholen. Dieses Gutachten ist für das konkrete Gesetzgebungs­vorhaben bindend.

 

Bei jeder Novellierung eines Bundesgesetzes des „dritten Bereichs“ müsste der geschilder­te Ablauf von Neuem eingehalten werden. Daraus ergibt sich die praktisch- politische Not­wendigkeit, bereits im Vorfeld des formellen „Vermittlungsverfahrens“ eine Verhand­lungslösung mit den Ländern anzustreben.

 

Als Ergebnis des „Vermittlungsausschusses“  wäre auch denkbar, dass der Bund lediglich ein „Rahmengesetz“ erlassen darf, die nähere Ausgestaltung jedoch den Ländern in eige­nen Ausführungsgesetzen überantwortet wird.

(Damit könnte auch die in Art Z des WKÖ-Vorschlages gesondert formulierte „Rahmenge­setzgebung“ in der Grundregelung der „geteilten Zuständigkeit“ aufgehen und wäre daher im „dritten Bereich“ ein einheitliches Prozedere einzuhalten.)

 

Im „Vermittlungsausschuss“ müssten Nationalrat und Bundesrat jeweils mit einer Stimme sprechen; die Stimmengewichtung im Innenverhältnis wäre in den jeweiligen Geschäfts­ordnungen von Nationalrat bzw. Bundesrat zu regeln.

(Für Fälle besonderer Dringlichkeit könnte ein „dringlicher Bundesbeschluss“ mit nachträg­licher Befassung des „Vermittlungsausschusses“ vorgesehen werden.)

 

Gesetzgebungsverfahren im "dritten Bereich"/Schaubild

 

 

Regierungsvorlage oder Initiativantrag im „dritten Bereich“

í                             î

BR

NR

î                             í

"Vermittlungsausschuss"

(3 Monate)

í

î

Ergebnis erzielt

è    NR-Beschluss

è    BR

kein Ergebnis erzielt

è    Antragslegitimation des
Bundes und jedes Landes
beim VfGH
(-> Gutachten des VfGH)

 

 


Zu Frage 3: „Welche Materien/Aufgabenfelder sollen der ausschließlichen Gesetzge­bungs­kompetenz des Bundes, welche der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet werden?“:

 

Hinsichtlich der konkreten Materienzuordnung darf auf den von der Wirtschaftskammer Österreich für die vierte Sitzung des Ausschusses 5 zur Verfügung gestellten Kompetenzver­teilungsvorschlag verwiesen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

P:\Ro-Kl-2003\1715-Ausschuss 5\AS 5-Stellungnahme der WKÖ.doc