Dr. Peter Wittmann

Abgeordneter zum Nationalrat

 

Thesenpapier zum Ö-Konvent Ausschuss 1 – Staatsziele und - aufgaben

Ein Staat, der wenige Aufgaben erwartungsgemäß erfüllt, scheint für seine BürgerInnen mächtiger als jener Staat der viele Aufgaben trotz größerer Leistung nicht erwartungsgemäß erfüllt. Also Macht und Sinn eines Staates hängen nicht nur von den ihm zugedachten und von ihm übernommenen Aufgaben ab, sondern auch von deren Erfüllung. Scheinbare Entmachtung des Staates kann sich viel mehr als Enttäuschung überzogener Erwartungen an den Staat herausstellen. Daher ist es auch notwendig, dass sich die Verfassung an die Bürger und Bürgerinnen richtet und nicht an die Verwaltungsbeamtenschaft, die die Gesetze zu vollziehen hat. Akzeptanz der Verfassung durch die BürgerInnen ist zukünftig unerlässlich.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass von der bestehenden Verfassung ausgegangen werden soll. Ein völliger Neuentwurf ist nicht notwendig. Jeder Eingriff und jede Reform der bestehenden Verfassung soll von konkreten Problemen und Fragestellungen aus gedacht werden: Durch die rasante politische, soziale, wirtschaftliche und rechtliche Veränderung der Gesellschaft in der bestehenden Verfassung überflüssig Gewordenes soll beseitigt, Fehlendes ergänzt und sinnvoll Bestehendes angepasst werden.

Staatsziele sollen weit gefasst werden, damit durch taxative Zieldefinitionen die Dynamik einer modernen Gesellschaft nicht eingeschränkt wird. Grundsätzlich bildet das Legalitätsprinzip die erforderliche demokratische Legitimation für die Vollziehung. Hierbei sollen sich die Gesetze, wie im österreichischen Rechtsalltag, allerdings nicht an die Beamten sondern an die Bürger richten. Das „Wie“ der Umsetzung soll im Hintergrund bleiben. Vielmehr genügen Gewährleistungsstandards die Grundaufgaben und Grundbedürfnisse identifizieren, für die der Staat die Verpflichtung zur Umsetzung und Erfüllung übernimmt. Wer diese Grundaufgaben (z.B. freier Bildungszugang) wie anbietet und umsetzt ist nach effizienten Gesichtspunkten und grundlegenden Qualitätsnormen zu entscheiden. Der Gesetzgeber kann sich so auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und diese in allgemein verständlichen Gesetzen darstellen.

Die Verwaltung kann selbst verantwortlich die beste und kostengünstigste Methode wählen um die im Gesetz festgelegten Ziele zu gewährleisten. Generell ist hier der Subsidiarität zu folgen, so dass alle Regelungen auf jener Ebene getroffen werden sollen, auf der die Umsetzung mit den geringsten Transaktionskosten verbunden ist und am Angemessensten für die Betroffenen vorgenommen und gewährleistet werden kann.

Ebenso die Ebene er Europäischen Union muss effizient eingebunden, so wie deren Vorgaben effizient umgesetzt werden.

 

 

Es gibt bei diesem Ausschuss wichtige Themenbereiche, die unbedingt behandelt werden sollten und welche, die sich mit jenen anderer Ausschüsse überschneiden, aber dennoch Beachtung finden sollten. Hier ist auch die Vorarbeit der zuständigen Ausschüsse zu beachten:

 

1) Die Grundrechte sollen auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention ausformuliert und an den Anfang der Verfassung gestellt werden. (Ausschuss 4)

2) Zusammenfassung der Gesetzgebungskompetenzen nach Aufgabenbereichen. Aufgabenbereiche sind zu schaffen, in denen zusammengehörende Rechtsgebiete umfassend geregelt werden. (Ausschuss 5)

3) Festschreibung der Subsidiarität in der Verwaltung. Regelungen sollen auf der Ebene getroffen werden, wo sie mit den geringsten Transaktionskosten verbunden sind und am Angemessensten für die Betroffenen vorgenommen werden können. (Ausschuss 6)

4) Zusammenführung von Kosten- und Finanzierungsverantwortung in der Verwaltung. (Ausschuss 6)

5) Festschreibung eines „Harmoniegebots“: Sobald Bund eine Aufgabe regelt, dürfen Länder keine widersprechende Regelungen erlassen. Wenn der Bund umfassend regelt, sind Regelungen der Länder von vornherein ausgeschlossen. (Ausschuss 3)

6) Verfassungsrechtliche Verankerung „unabhängige Einrichtungen (z.B. Unabhängiger ORF nach Muster BBC, Unabhängiger Bundesstaatsanwalt)

7) Änderung des Legalitätsprinzips. Die Verwaltung kann selbst verantwortlich die beste und kostengünstigste Methode wählen, um die im Gesetz festgelegten Ziele zu erreichen. (Ausschuss 6)

8) Verankerung des Sozialstaats in der Verfassung. So wie Gesetze an Effizienz gemessen werden sollen, sollen Gesetze auch sozialer Verträglichkeit gemessen werden. Gesetzgebung und Vollziehung sollen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele berücksichtigen.

9) Die Verankerung der nachhaltigen Daseinsvorsorge soll in der Verfassung enthalten sein. Gerade in Hinblick auf GATTS und auf die demokratiepolitische Bedeutung der Gemeinden und Städte, da ab einem Maß an Ausdünnung der Staat zu schlank geworden ist, um vom Bürger noch als nützlich anerkannt zu werden.