Mag. Dr. Madeleine Petrovic

Klubobfrau der Grünen im NÖ Landtag

 

 

Wien, am 26. September 2003

 

 

Grüne Arbeitsunterlage für den Konventausschuss Nr.3

 

Für die weitere Arbeit im Ausschuss werden die grünen Positionen anhand des Mandats fürs Erste wie folgt umrissen:

 

I) Bund

1)      Legislative

a)     Nationalrat

bb) Wahlen zum Nationalrat

 

Ziel der Grünen ist es, durch das Wahlrecht Demokratisierungsprozesse voranzutreiben und eine möglichst umfassende Partizipation der in Österreich lebenden und daher von politischen Entscheidungen betroffenen Personen an der politischen Willensbildung zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist auf die Gesetzesinitiative zur Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre zu verweisen (Antrag 116/A, XXI. GP).

 

Stärkung des Prinzips des Verhältniswahlrechts durch verfassungsrechtliche Absicherung einer (max) 4%-Klausel in Bund und Ländern.

 

Grüne Position zur Briefwahl: Zustimmung zur Briefwahl nur nach einer ausführlichen Diskussion über notwendige begleitende Maßnahmen sowie der bestmöglichen Verhinderung von Missbrauch und Schutz der verfassungsmäßigen Prinzipien der geheimen und persönlichen Wahl.

 

cc) Organisation

 

Zur Hebung des Frauenanteils im Nationalrat soll die Möglichkeit der Zurücklegung eines Mandats aus Anlass der Geburt eines Kindes bis zu einem Zeitraum von 6 Monaten geschaffen werden. Die Regelung soll auch für Väter gelten. Näheres siehe im Initiativantrag Petrovic et al zur Änderung von Art 56 B-VG vom 26. 4. 1995, Nr. 236/A.

 

b)     Bundesrat

 

Der Bundesrat sollte die Länderinteressen bei der Bundesgesetzgebung wahrnehmen. Sollte es nicht gelingen, eine Konstruktion zu finden, die den Bundesrat zu einem eigenständigen politischen Faktor macht – ohne die Unregierbarkeit der Republik herbeizuführen –, so wäre eine Abschaffung der Institution die einzig sinnvolle und ehrliche Option. Eine bloße Aufwertung via generelles absolutes Vetorecht ohne grundlegende Reform lehnen die Grünen jedenfalls ab. Bei jeder Reform ist auf eine strikte Trennung von Exekutive und Legislative zu achten.

 

Die Grünen erstatten hiefür folgenden Vorschlag:

 

Der Bundesrat (neu) setzt sich aus Landtagsabgeordneten zusammen. Die Aufteilung der Bundesratssitze auf Länder und Parteien erfolgt wie bisher nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Um die politische Repräsentativität des Organs zu erhöhen soll die Anzahl der Bundesratssitze erhöht werden (Erhöhung der Bürgerzahl gemäß Art 34 B-VG). Es gilt das freie Mandat. Der Bundesrat (neu) tagt nur zu Grundsatzthemen (Verfassungsgesetze, die Länderinteressen wesentlich berühren) und hat hier – wie bisher – das absolute Vetorecht. Die Mitwirkung an einfachen Bundesgesetzen erfolgt durch ein Gesetzesinitiativ- und Stellungnahmerecht der Landtage. Zusätzlich dient der Bundesrat (neu) der (unverbindlichen) länderübergreifenden Akkordierung von Landtagsangelegenheiten (Landesgesetzgebung etc).

 

Eine Alternative wäre auch:

 

Direktwahl der Bundesräte aufgrund einer Persönlichkeitswahl, innere Gliederung nach Ländern. Ergänzung der bisher nachgeschalteten Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung durch vorgeschaltete Stellungnahmerechte zu Grundsatzthemen.

 

 

c)     Weg der Bundesgesetzgebung

 

Die Positionen zu den direktdemokratischen Instrumenten werden in Ausschuss 8, Demokratische Kontrollen, eingebracht.

 

2)      Exekutive

 

a)     Bundespräsident

 

Stärkung der Stellung des gewählten Kollegialorgans Nationalrat gegenüber dem monokratischen Organ Bundespräsident: zu hinterfragen wäre insbesondere „totes Verfassungsrecht“ wie zB das Recht zur Auflösung des Nationalrates, die Ernennung des Bundeskanzlers, die Einberufung des Nationalrates zu Tagungen und die Privilegierung des Bundespräsidenten hinsichtlich seiner rechtlichen Verantwortung.

 

b)     Bundesregierung –

 

 

II) Länder

 

1)      Legislative/Landtage

 

Zu untersuchen wäre das unterschiedliche Verhältnis von Mandaten zur Bevölkerungszahl (Wahlzahl) in den Bundesländern. Allfällige Schlussfolgerungen wären nach der Erhebung zu ziehen.

 

2)      Exekutive/Landesregierung

 

Übergang zum Majorzprinzip bei gleichzeitigem Ausbau der Minderheitenrechte im Landtag.

 

III) Gemeinden

 

1)      bundesverfassungsgesetzliche Regelungen über die kommunale Selbstverwaltung

 

Die Stellung der Gemeinden als bürgernächste Gebietskörperschaft sollte ausgebaut werden.

 

Wahlrecht (auf kommunaler Ebene) für MigrantInnen aller Staatsangehörigkeiten, siehe Antrag 112/A, XXII. GP.

 

2)      Gemeindeverbände

 

insbesondere

 

a)     „Aktivierung“ des Art 120 B-VG (Gebietsgemeinden)?

 

Die Ebene der Bezirksverwaltungsbehörden ist die einzige Ebene staatlicher Verwaltung, die über keine "parlamentarische" Legitimation verfügt! Schon der Verfassungsgesetzgeber der ersten Republik hat eine Lösung dieses Problems versprochen.

 

Eine Aufarbeitung entsprechender historischer Initiativen und Prüfung auf ihre Umsetzbarkeit wäre erforderlich.

 

IV) Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen

 

3)      Neue Formen der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

 

a)     Art 15a B-VG – Vereinbarung – self executing?

 

Die spezielle Transformation von Gliedstaatsverträgen gewährleistet den Einfluss des Gesetzgebers auf die Norm sowie bietet den betroffenen BürgerInnen Publizität und Rechtsschutz (indirekte Bekämpfbarkeit der Norm). Aus diesem Blickwinkel sollten Gliedstaatsverträge nicht self executing sein. Würde man Gliedstaatsverträge als eigene Rechtsquelle im Sinne von  Staatsverträgen nach Art 50 B-VG geschaffen, so bliebe noch immer das Problem, dass bei Ratifikation von innerstaatlichen Verträgen keine inhaltlichen Änderungen durch die Parlamente vorgenommen werden könnten. Dieser weiteren Schwächung der Parlamente kann nichts abgewonnen werden.

 

Vielmehr sollte die Notwendigkeit zum Abschluss von Verträgen zur Lösung von Problemen durch Neuordnung der Kompetenztatbestände und neue Instrumente für das  Zusammenwirken der Gesetzgebungsorgane von Bund und Ländern gemildert werden.

 

V) Verfassungsautonomie

 

Insbesondere

 

a)      bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben für die Länder

 

Wahlen: Wie schon unter Punkt Wahlen zum Nationalrat erwähnt, sollte verfassungsrechtlich sichergestellt werden, dass Wahlparteien, die 4% der Stimmen erhalten, jedenfalls im Gesetzgebungsorgan vertreten sind. Dem einfachen Gesetzgeber sollte natürlich die Festlegung eines geringeren Prozentsatzes unbenommen bleiben. Diese Regelung sollte auch für die Länder gelten.

 

Eine allfällige Änderung der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben wird auch in Zusammenhang mit den Antrags- und Interpellationsrechten von parlamentarischen Minderheiten bzw den direktdemokratischen Instrumenten zu überlegen sein. Diesbezügliche Vorstellungen werden im Ausschuss 8 eingebracht werden.

 

VI) Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (Legalitätsprinzip, EU-Rechtssetzung)

 

Insbesondere

 

a) Neuformulierung des Artikel 18 B-VG?

 

b)      Erfordernis der gesetzlichen Umsetzung von EU-Richtlinien?

 

Von einer Lockerung des Legalitätsprinzips halten die Grünen nichts, da es Ausdruck des demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips ist. Staatliches Handeln muss für die Betroffenen vorhersehbar und notfalls auch einklagbar sein, dies ist bei bloßen Zielbestimmungen nur schwer möglich. Die generellen Normsetzungen des Staates sollen einer öffentlichen Diskussion unterliegen, was nur durch eine Beschlussfassung in den Parlamenten gewährleistet ist. Statt einer Lockerung des Legalitätsprinzips wäre über eine quasi Verschärfung des Legalitätsprinzips in der Art zu diskutieren, dass die Untätigkeit der Behörde eher als jetzt Haftungskonsequenzen nach sich zieht. Völlig inakzeptabel ist auch der Vorschlag, dass EU-Richtlinien im Verordnungswege durch die Verwaltung umgesetzt werden. Schon allein aus dem Grund, da sich immer die Frage stellt, ob bloß der europäische Minimalkonsens für Österreich maßgeblich sein soll oder vielmehr die nationalen Spielräume (zB zugunsten eines hohen Umweltschutzniveaus) genützt werden sollten.

 

VII) Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von Mitgliedern von Organen der Europäischen Union (Art 23 c B-VG)

 

Die Mitwirkung des Nationalrates an Akten Österreichs im Rahmen der europäischen Union sollte an die geänderte EU-Rechtslage angepasst werden. Mitwirkungsrechte nach diesem Vorbild sollten auch in anderen Bereichen der Außenpolitik und internationaler Organisationen geschaffen werden.