Stellungnahme zum Mandat des Ausschusses 3 des
Österreichkonventes
Die Teilnahme der österreichischen Bundesländer am
Österreichkonvent erfolgt aus einem Selbstverständnis der Gleichberechtigung
und Partnerschaft mit dem Bund als Konstituenten des gemeinsamen Gesamtstaates.
Der Österreichkonvent und seine Organe halten ihre
Sitzungen laut Geschäftsordnung im Parlament in Wien ab. Die Abhaltung
einzelner Sitzungen an einem anderen Ort ist aber prinzipiell nicht ausgeschlossen
sondern bedarf der Zustimmung des oder der Vorsitzenden. In Hinblick auf die
föderale Grundstruktur und Ausrichtung des Konventes ist die Abhaltung
einzelner Sitzungen des Ausschusses in den Bundesländern in Betracht zu ziehen.
Dies ist nicht nur Ausdruck des demokratisch-föderalistischen Grundkonsenses
des Konventes sondern auch eine tatsächliche Gleichstellung der Ausschussmitglieder
aus den Ländern.
Der Ausschuss hat eine Aufarbeitung des gesamten
Programmes bis 15. Dezember in Aussicht genommen. Es wäre jedoch nicht
zieldienlich, diese Vorgabe unter allen Umständen einhalten zu wollen.
Es kann durchaus der Fall sein, dass einzelne
Gegenstände zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend behandelt und bearbeitet
wurden. In diesem Fall ist der Qualität des Arbeitsergebnisses der Vorrang zu
geben und die Beratungszeit neu zu bemessen.
Der Österreichkonvent hat sich ein großes Ziel
gesetzt. Die historische Chance, dem Österreich der folgenden Generationen eine
neue und zeitgemäße Verfassung zu geben, sollte nicht durch ein sklavisches
Festhalten an einen Zeitplan aufs Spiel gesetzt werden.
Die dem Ausschuß 3 zugewiesenen Fragestellungen
können nur in Zusammenschau mit den Fragestellungen und Fortschritten anderer
Ausschüsse sinnvoll behandelt werden.
Nach einer ersten Phase der Vorberatungen dieses
Ausschusses über grundsätzliche Fragen der Staatsorganisation und des
Staatsaufbaues sind daher gemeinsame Sitzungen mit anderen Ausschüssen und hier
vor allem mit Ausschuss 5 (Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und
Gemeinden) und Ausschuss 10 (Finanzverfasung) durchzuführen. Es ist nicht
zielführend, über den Aufbau eines Staates getrennt von der Verteilung der
Staatsaufgaben zwischen den Gebietskörperschaften und der Frage der Behandlung
des Staatshaushaltes zu verhandeln.
1) Legislative
a) Nationalrat
Bei der Größe und Zusammensetzung des Nationalrates ist
jedenfalls auf eine Repräsentation jedes Bundeslandes in einer politisch
relevanten Größe zu achten. Bei der Einrichtung von Wahlsprengeln und
Wahlbezirken sind Überschneidungen über Bundesländergrenzen hinweg zu vermeiden.
Innerhalb eines Bundeslandes ist auf eine Aufteilung der Wahlkreise nach den
politischen Bezirken zu achten.
In diesem Zusammenhang ist in Erwägung zu ziehen, einen bestimmten Anzahl an
Mandaten gleich auf die Länder unabhängig ihrer Größe und Bevölkerungszahl
aufzuteilen.
b) Bundesrat
Im Zuge einer neuen Verfassung für Österreich muss es auf
jeden Fall zu einer Aufwertung des Bundesrates kommen. Viele andere notwendige
Reformen für den österreichischen Föderalismus sind in erster Linie von einem
funktionierenden Bundesrat als echte Interessenvertretung der Länder abhängig.
Zu überlegen ist eine direkte Beschickung des Bundesrates mit Abgeordneten der
Landtage. Eine Beschickung mit Mitgliedern der Landesregierungen ist nur bei
gleichzeitiger Vertretung von Mitgliedern der Landtage akzeptabel. Eine
Vertretung der Länder im Bundesrat durch die Landesregierungen alleine
gefährdet das Prinzip der Gewaltenteilung und somit die Funktion einer echten
Länderkammer.
c) Weg der Gesetzgebung
Die derzeitige verfassungsrechtliche Situation ermöglicht
den Ländern keine wirkliche Mitgestaltung beim Entwurf und der Beschlussfassung
von Bundesgesetzen. Es sind aber gerade die Länder, die im Wege der mittelbaren
Bundesverwaltung oder der Vollziehung von Materien gem. Art 11 B-VG, die
respektiven Bundesgesetze zu vollziehen haben. Eine möglichst frühe
Einbeziehung von Ländern und Gemeinden als die wichtigsten Vollziehungsorgane
von Bundesgesetzen kann die Qualität der Bundesgesetzgebung deutlich erhöhen
und die Entwurfsarbeiten vereinfachen und beschleunigen. Als mögliche Form
einer verstärkten Mitwirkung der Länder und Gemeinden im Gesetzgebungsverfahren
des Bundes sind die eine verbesserte Einbeziehung – etwa im Verhandlungsweg -
in das Begutachtungsverfahren, eine institutionalisierte Beiziehung zu
Ausschussverhandlungen oder ein verfassungsrechtlich verankertes
Zustimmungsrecht der Länder und Gemeinden zu nennen.
1) Zahl der staatlichen Ebenen unter
Berücksichtigung der EU-Ebene
Die Zahl der innerstaatlichen Ebenen in Hinblick
auf die Mitgliedschaft bei einer supranationalen Organisation zu verändern,
kann nur bedeuten, diese zu verringern. Angesichts der Verteilung der
Staatsaufgaben im österreichischen Bundesstaat würde die Weglassung von Ebenen
unterhalb der Bundesebene einer Vernichtung des föderativen Prinzips
gleichkommen. Sowohl die Länder und Gemeinden sind in ihrer politischen,
staatsrechtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Rolle durch keine der jeweils
anderen oder gegebenenfalls zusätzlich eingeführten Ebenen zu ersetzen. Das Argument,
die Länder und Gemeinden seien angesichts der stärker werdenden Bedeutung
überstaatlicher Rechtssetzung überflüssig, ist nicht stichhaltig. Die Tatsache,
dass die Länder und Gemeinden nur mehr Rechtssetzungsakte der übergeordneten
Ebene übernehmen und vollziehen, belegt nicht ihre Verzichtbarkeit sondern die
fehlende Einfluss- und Mitsprachemöglichkeit auf Bundes- und EU-Ebene. Die
Notwendigkeit subnationaler Rechtssetzungs- und Vollziehungsebenen ergibt sich
ja gerade aus dem Demokratiedefizit gemeinschaftsrechtlicher
Rechtssetzungsakte. Es ist Aufgabe der unteren Staatsebenen, als Sprachrohr der
Regionen, Länder und Gemeinden mit demokratischer Legitimation zu wirken. In
dieser Funktion müssen vor allem die Länder im Gesamtstaat aber auch auf
supranationaler Ebene gestärkt werden.
2) Neue Formen der Kooperation zwischen Bund,
Ländern und Gemeinden
Hinsichtlich selbstvollziehender
15a-Vereinbarungen ist auf das Problem fehlender demokratischer Legitimation
der abschließenden Landesregierungen hinzuweisen. Durch das Ermöglichen einer direkt
wirksamen Vereinbarung gem Art 15a B-VG wird das Prinzip der Gewaltenteilung
empfindlich gestört, da Akte der Landesregierungen direkt ohne Beschlussfassung
der Landtage Gesetzeskraft erlangen können. Eine solche Möglichkeit ist aus
demokratiepolitischer Sicht ab zu lehnen.
Für die Verfassungsautonomie der Länder ist eine
strenge Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu fordern. Die Vorgaben der
Bundesverfassung dürfen demgemäß nur die völkerrechtliche Einheit des österreichischen
Staates und die Sicherung der staatlichen Verwaltung in den Ländern zum
Gegenstand haben. Darüber hinaus ist den Ländern eine autonome Gestaltung der
inneren Organisation ein zu räumen. Gesetze wie das BVG über die Einrichtung
der Ämter der Landesregierung sind demzufolge überflüssig.
Im Bereich der Umsetzung von
gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten ist die Rolle der Länder jedenfalls zu
stärken. Gemäß einer Untersuchung des Ausschusses der Regionen werden drei
Viertel aller umsetzungsbedürftigen Rechtsakte der EU in den Mitgliedstatten
von subnationalen Ebenen umgesetzt und vollzogen.
Der Art 23 d B-VG in seiner jetzigen Form kann eine
ausreichende und ihrer Funktion entsprechende Vertretung der Länder im
Rechtsschöpfungsprozess der EU nicht sicherstellen. Die Praxis der Bundesländer,
die gemeinschaftliche Stellungnahme gem Abs 2 leg cit auch außerhalb der
Integrationskonferenz der Länder etwa durch Beschlüsse der
Landeshauptmännerkonferenz zustande kommen zu lassen, stellt einen
demokratiepolitisch bedenklichen Bruch des gewaltenteilenden Prinzipes dar. Die
Beteiligung Österreichs an der gemeinschaftsrechtlichen Rechtssetzung ist
ohnehin von einer starken Lastigkeit zu Gunsten der Bundesregierung
gekennzeichnet. Mit Blick auf das unter Punkt IV) 1) Gesagte ist die Beteiligungsmöglichkeit
der Länderparlamente auf ein echtes und effektives Mitwirkungsrecht zu
erweitern. Die Länderparlamente müssen die Möglichkeit erhalten, einen
geplanten Gemeinschaftsrechtsakt im selben Maße wie die Vertreter des
Gesamtstaates in den entscheidenden supranationalen Organen entweder maßgeblich
mit zu gestalten oder zu verhindern.
Als mögliche Ausgangspunkte könnte eine verbesserte
und verpflichtende Integrationskonferenz der Länder unter Besetzung und Führung
durch die Landesparlamente oder ein im Sinne des unter Punkt I) 1) b) Gesagten
gestärkter Bundesrat dienen.
In diesem Zusammenhang ist außerdem eine
verpflichtende Beiziehung eines oder mehrerer von den Ländern namhaft gemachter
Ländervertreter mit echter Beeinflussungsmöglichkeit der österreichischen
Verhandlungsposition zur Mitwirkung an der Willensbildung im Rat für sämtliche
Rechtsetzungsakte der EU ein zu führen. Dies erscheint schon aufrund der den
Ländern und Gemeinden zukommenden Bedeutung in der Vollziehung dieser Akte
recht und billig. Für Materien gem Abs 3 leg cit ist eine solche Mitwirkung
jedenfalls unverzichtbar.