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Stellungnahme des Österreichischen Gemeindebundes zu den Themen
„Staatliche Institutionen" für den Ausschuss 3 des Österreich-Konvents
Im Kapitel "Staatliche
Institutionen" sollen der Aufbau des Staates (Bund, Länder, Gemeinden),
Wahlen, die Verfassungsautonomie der Länder, das Verhältnis zwischen
Gesetzgebung und der Vollziehung unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips
sowie der EU-Rechtssetzung behandelt werden. Für die österreichischen Gemeinden
sind natürlich so gut wie alle Fragen besonders im Hinblick auf ihre Vernetzung
von einer nicht übersehbaren Relevanz. In seiner Stellungnahme möchte der Österreichische
Gemeindebund jedoch nur einige Themen besonders in den Vordergrund rücken.
Zum Wahlsystem wird nur kurz angemerkt, dass ein einheitlicher Kreis von
wahlberechtigten anzustreben ist, das heißt dass das Wahlalter nicht aufgrund
der unterschiedlichen Vertretungskörper variieren sollte. Ein divergierendes
Wahlalter ist sachlich nicht begründbar.
Die österreichische Bundesgesetzgebung ist nach dem Zwei-Kammer-System
organisiert. Seit Schaffung der Bundesverfassung ist besonders der Bundesrat
immer wieder im Zentrum von Kritik und Reformvorstellungen gestanden. Es wird
heute kaum bestritten, dass der Bundesrat seine Aufgabe als Länderkammer, das
heißt als Interessensvertretung der Landesinteressen, nicht wahrnimmt. Zahlreiche
Reformen in den letzten Jahrzehnten haben an diesem Befund nichts ändern
können.
Der Österreichische Gemeindebund empfiehlt daher die Organisation und
Funktionsweise des Bundesrates neu zu konzipieren. Der Bundesrat sollte daher
als „Länder- und Gemeindekammer" organisatorisch und funktional auf
eine völlig neue Ebene gehoben werden. Die Kompetenzen dieser Länder- und
Gemeindekammer sollen die Vertretung der Interessen von Länden und Gemeinden
umfassen. Wie bisher sollen diesem Gremium mit einigen geringen Ausnahmen alle
Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates zur Beratung und Zustimmung vorgelegt
werden. Dies findet schon deshalb eine sachliche Rechtfertigung, da die
Gemeinden durch die Bundesgesetzgebung entweder mit Vollzugsaufgaben betraut
werden oder die Bundesgesetzgebung mittelbare Auswirkungen auf die
Gemeindeverwaltung hat. Schließlich haben die Gemeinden auch in finanziellen
Belangen Interessen an der Mitwirkung in der Bundesgesetzgebung, steuert diese
doch auch die finanzielle Ausstattung der Gemeinden unmittelbar oder mittelbar
mit.
Die neugeschaffene Länder- und Gemeindekammer sollte auch Kontrollaufgaben
zugewiesen bekommen. Dabei sollen - abgesehen vom Misstrauensvotum - alle
parlamentarischen Kontrollrechte diesem Gremium zustehen. Dazu sollen auch
Möglichkeiten kommen, spezielle Prüfungsaufträge an den Rechnungshof zu
stellen. Auch muss die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 140 B-VG
dieser Länder- und Gemeindekammer in der Weise zustehen, dass dieses Recht auch
von einer Minderheit wahrgenommen werden kann. Auf diese Art und Weise könnten
Gesetze, welche nach Auffassung der Gemeinden verfassungswidrig sind, einem
Prüfungsverfahren durch das Höchstgericht unterzogen werden.
Angesichts der Bedeutung der Gemeinden im staatlichen Leben ist eine
paritätische Zusammensetzung von Länder- und Gemeindevertreter anzustreben. In
den Bestellungsmodus der Ländervertreter will sich der Österreichische
Gemeindebund nicht zu Wort melden. Die Vertreter der Gemeinden sollten jedoch
so zusammengesetzt sein, dass sowohl die Interessen von Klein-, Mittel-, als
auch Großgemeinden und Städten gewahrt wird. Eine gewisse Ausgewogenheit der
Gemeindevertreter nach Bundesländern ist anzustreben. Die Bestellung der
Gemeindevertreter sollte auf Grund von Vorschlägen der Gemeindebünde der Länder
vom Österreichischen Gemeindebund und vom Österreichischen Städtebund
vorgenommen werden. Ein rechtliches Konzept über eine detaillierte Regelung
dieses Bestellungsmodus soll zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt werden.
Der Weg der Bundesgesetzgebung soll nach Ansicht des Österreichischen
Gemeindebundes neu strukturiert werden. Mit Ausnahme von Volksbegehren sollten
alle Gesetzesinitiativen einer obligatorischen Begutachtung unterzogen werden.
Im Fall von Initiativanträgen, die zur Beschleunigung des
Gesetzgebungsverfahrens eingebracht werden, könnte die Frist ruhig etwas kürzer
sein. Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund
sollten jedenfalls ein verfassungsgesetzlich garantiertes Begutachtungsrecht
erhalten. Um die neue Länder- und Gemeindekammer zu einer dem Nationalrat
gleichwertigen gesetzgebenden Körperschaft zu machen, bedarf es einer Änderung
des Gesetzgebungsverfahrens. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass
einer der Gründe für die Ineffektivität des Bundesrates darin zu suchen ist,
dass er im Entscheidungsprozess erst an allerletzter Stelle zum Zuge kommt. Bis
der Bundesrat mit einem Gesetzesbeschluss befasst wird, ist der politische
Prozess weitgehend abgeschlossen und die Entscheidungen sind weitgehend
irreversibel. Daher wird vorgeschlagen, dass nach deutschem oder
schweizerischem Vorbild Gesetzesinitiativen gleichzeitig dem Nationalrat und
dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt werden. Ein Koordinations- und Vermittlungsausschuss
soll verfahrensrechtlich sicherstellen, dass die beiden parlamentarischen
Körperschaften in etwa gleichzeitig ihre Entscheidungen treffen. Bei
Nichteinigung von National- und Bundesrat soll ein spezielles
Vermittlungsverfahren zur Kompromissfindung beitragen. § 9 F-VG könnte hier den
einen oder anderen organisatorischen Anstoß bilden. Allerdings muss diese
Bestimmung an die Bedürfnisse der Bundesgesetzgebung angepasst werden.
Sollte der Bundesgesetzgeber Gesetze erlassen bzw ändern oder aufheben,
welche in erheblichem Maße die Interessen der Gemeinden berühren, so
sollte ein solcher Gesetzesbeschluss zu seiner Wirksamkeit einem speziellen
Abstimmungsquorum unterliegen. Damit soll sichergestellt werden, dass gegen den
Willen der Gemeindevertreter in der Länder- und Gemeindekammer fundamentale
Interessensverletzungen der Österreichischen Gemeinde nicht stattfinden dürfen.
Neben
den parlamentarischen Kontrollrechten soll die neu geschaffene Länder- und
Gemeindekammer auch andere Aufgaben der Mitwirkung an der Vollziehung erhalten.
So sollte sie stärker als dies derzeit geschieht in die Bestellung von
Staatsorganen eingebunden werden. Dies sollte neben einem Teil der Mitglieder
des Verfassungsgerichtshofes auch und vor allem die in die europäischen Institutionen
zu entsendenden Vertreter Österreichs betreffen. Dazu sollte diesem neuen
parlamentarischen Gremium zumindest ein Anhörungsrecht, besser aber noch ein
suspensives Vetorecht eingeräumt werden.
Der
Österreichische Gemeindebund verlangt Initiativrechte des Gemeindebundes im
Gesetzgebungsverfahren. Die entsprechenden Möglichkeiten im Rahmen der
künftigen Bundes- und Gemeindekammer (Initiativanträge) könnten in dieses
Konzept eingearbeitet werden
Die Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens der österreichischen
Bundesländer hängt stark von den Vorstellungen des Österreich-Konvents vom
Umfang der Verfassungsautonomie der österreichischen Bundesländer ab. Aus der
Sicht der Österreichischen Gemeinden ist eine grundlegende Änderung des
Verfahrens der Landesgesetzgebung nicht erforderlich. Sollte der
Österreich-Konvent die Verfassungsautonomie der Länder im Hinblick auf die
Organisation des Gesetzgebungsprozesses der Landtage einschränken und ein stärker
am Homogenitätsprinzip orientiertes Gesetzgebungsverfahren schaffen, so ist es
aus der Sicht der Gemeinden wünschenswert, dass das Begutachtungsrecht des
Gemeindebundes des betreffenden Bundeslandes rechtlich abgesichert wird.
Position der Gemeinden bzw.
der Landesverbände des Österreichischen Gemeindebundes soll jener der
kommunalen Interessensvertretungen auf Bundesebene im rahmen der
Bundes-Legislative angelehnt werden.
1. Bundesverfassungsgesetzliche
Regelungen über die kommunale Selbstverwaltung
Nach der
derzeitigen Verfassungsrechtslage unterliegt nur die Institution „Gemeinde“ an
sich dem bundesverfassungsrechtlichen Bestandsschutz. Nur eine Beseitigung der
Gliederung des Bundesgebietes in Gemeinden oder eine dem gleichzuhaltende
Änderung der Gemeindesprengeleinteilung wäre
bundesverfassungsrechtswidrig und wäre wohl auch als eine Gesamtänderung der
Bundesverfassung zu bezeichnen. Daran ist aber, soweit ersichtlich, nirgendwo
gedacht. Inwieweit aber die einzelne Gemeinde in ihrem Bestand geschützt ist
bzw inwieweit Auflösungen von einzelnen Gemeinden und Fusionierungen mit anderen
Gemeinden zulässig, unter Umständen sogar gefordert sind, ist eine Frage, die
gemäß Art 115 B-VG der Landesgesetzgeber als Organisationsgesetzgeber zu
entscheiden hat.
Selbstverständlich sollen Gemeindegebietsreformen auch in Hinkunft möglich
sein. Soweit solche Gebietsreformen mit Zustimmung oder auf Initiative der
betroffenen Gemeinden erfolgen, ist dagegen sicherlich nichts einzuwenden.
Problematisch ist die Gemeindegebietsreform aber dann, wenn gegen den Willen
einer oder gar beider oder mehrerer Gemeinden durch das Land die Auflösung
einer/mehrerer Gemeinden verfügt und die Fusionierung zu einer/mehrerer neuer
Gemeinden verfügt wird. Durch eine solche zwangsweise Auflösung einer Gemeinde
wird massiv in die Rechtsstellung der Gemeinde als Gebietskörperschaft und
Selbstverwaltungskörper, aber auch in die Rechte der Gemeindebürger
eingegriffen.
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte mit zwangsweisen Gemeindefusionen
zeigen, dass die gewünschten Ergebnisse nicht erbracht werden konnten. Die
Anlässe waren immer solcher finanziell begründeter verwaltungsreformatorischer
Natur. Man erhoffte sich durch die Zusammenlegung von Gemeinden Einsparungen,
Synergieeffekte und Personalreduktionen. Diese ökonomischen Effekte konnten nur
ansatzweise realisiert werden. Viel schwerer wiegen aber die demokratischen
Kosten solcher zwangsweisen Vereinigungen von Gemeinden. Das damit
eröffnete politische und soziale Konfliktpotential hat - so zeigen es die
Erfahrungen - weit negativere Auswirkungen auf das Gemeindeleben als dies
minimale Einsparungseffekte jemals wettmachen könnten.
Das österreichische Gemeinderecht bietet hinreichend Möglichkeiten, durch
interkommunale Kooperation oder auch durch die Abgabe von Gemeindebefugnissen
an staatliche Behörden (Art 118 Abs 7 B-VG), Probleme, die sich aus den Grenzen
der Leistungsfähigkeit von Kleingemeinden ergeben, letztlich effektiver zu
lösen als durch Fusionierungen.
Die bisherigen Erfahrungen mit der zwangsweisen Auflösung von Gemeinden und
die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, Kleingemeinden schon nach dem
geltenden Recht zu entlasten, machen aus heutiger Sicht weitere zwangsweise
Auflösungen von Gemeinden und Gemeindefusionierungen überflüssig. Dies führt
zur Frage, ob die Bundesverfassung es auch künftig den Landesgesetzgebern
überlassen soll, zwangsweise Gemeindefusionierungen durchzuführen oder nicht.
Zwar sind drastische Gemeindegebietsreformen derzeit nicht in Diskussion, eine
reformierte Bundesverfassung sollte jedoch Regeln und Schranken auch für die Zukunft
enthalten. Aus diesem Grunde sollte aus der Sicht der Gemeinden eine
Bestandsgarantie für die bestehenden Gemeinden gegen zwangsweise Fusionierungen
in die Bundesverfassung aufgenommen werden.
Systematisch könnte eine solche Bestandsgarantie in Art 116 Abs 1 B-VG
aufgenommen werden. Nach dem Satz „Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde
gehören." könnte der Satz aufgenommen werden: „Der Zusammenschluss von
zwei oder mehreren Gemeinden darf nur durchgeführt werden, wenn die Mehrheit
der Wahlberechtigten in jeder Gemeinde in einer Volksabstimmung dem zugestimmt
hat". Die näheren Modalitäten eines solchen Referendums sollen ebenso
der Landesgesetzgebung überlassen werden wie die Regeln über die freiwillige
Vereinigung von Gemeinden, welche unbedingt beibehalten werden sollen.
b)
Normsetzungsrechte
Aus der Sicht der Gemeinden soll die Möglichkeit, sowohl im eigenen wie
auch im übertragenen Wirkungsbereich Durchführungsverordnungen nach Art 18 Abs
2 B-VG zu erlassen, unverändert beibehalten werden.
Ausbaufähig scheint hingegen das Instrument der ortspolizeilichen
Verordnung (Art 118 Abs 6 B-VG) zu sein. Dieses Instrument wird von den
Gemeinden mit großer Umsicht und Zurückhaltung eingesetzt. Die Praxis hat
gezeigt, dass die Bindung dieses ortspolizeilichen Verordnungsrechtes an das
Vorliegen eines Missstandes etwas zu kurz greift. Es soll hier nicht ein
ausuferndes ortspolizeiliches Verordnungsrecht unbeschränkt präventiven
Charakters gefordert werden, eine Ausweitung der Möglichkeit, selbständige
Verordnungen zu erlassen soll sich jedoch über den Missstand hinaus auch auf
verwaltungspolizeiliche Angelegenheiten erstrecken, die im unmittelbaren
Interesse der Gemeinden gelegen sind. Eine flexiblere Gestaltung dieser
Normsetzungsverfahren für die gemeinden ist daher wünschenswert.
Für den kommunalen Bereich
ist zu fordern, dass den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich - anders als
anderen staatlichen Behörden - ein größerer Gestaltungsspielraum bei der
Erlassung von Verordnungen eingeräumt wird. Dies würde die Statuierung eines
verfassungsrechtlichen Gebotes bedeuten, dass der Gesetzgeber Materien, die von
den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehen sind, nicht derart
kasuistisch regelt, dass den Gemeinden keinerlei Spielraum bei der Vollziehung
mehr bleibt. Vielmehr sollte, ähnlich wie im Verhältnis Grundsatzgesetz -
Ausführungsgesetz - den Gemeinden grundsätzlich ein Regelungsspielraum für
Verordnungen offen gehalten bleiben. Eine Lockerung des Legalitätsprinzipes in
Richtung zu anderen Formen der Verfahrensbindung (finale Programmierung) ist
für die Gemeinden vor allem in Fragen der Durchführungsverordnungen bedeutsam.
(Siehe auch Ausführungen unter Punkt VI).
Zum Ausbau der Normsetzungsrechte der Österreichischen Gemeinden zählt auch
eine Einbeziehung der Kommunen in das bundesstaatliche Vertragswerk des Art 15
a B-VG. Aufbauend auf Art 115 Abs 3 B-VG und das BVG Gemeindebund sollten dem
Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund die Befugnis
eingeräumt werden, mit Bund und/oder Ländern solche bundesstaatlichen Verträge
abzuschließen.
Durch Art 115 Abs 3 wurde der Österreichische Gemeindebund zur
Interessensvertretung der Gemeinden berufen. Damit wurde der Österreichische
Gemeindebund mit dem Österreichischen Städtebund vom
Bundesverfassungsgesetzgeber als die alleinige legitime Vertretung der
österreichischen Kommunen gegenüber allen staatlichen, nichtstaatlichen,
europäischen und internationalen Organisationen berufen, soweit die
Bundesverfassung nicht andere Regelungen über die Vertretung nach außen
vorsieht. Diese Rolle des Österreichischen Gemeindebundes sollte auch in einer
künftigen reformierten Verfassung beibehalten, aus der Sicht der Gemeinden
sogar ausgebaut werden.
Mit dem BVG Gemeindebund (BGBl I 1998/61) hat der
Bundesverfassungsgesetzgeber bewiesen, dass die Festlegung der
Vertretungsbefugnis des Österreichischen Gemeindebundes nicht eine bloß
deklarative ist, sondern dass ihr durchaus normative Wirkung zukommt. Nach
diesem Bundesverfassungsgesetz sind Bund, Länder und Gemeinden ermächtigt,
miteinander Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus und einen
Stabilitätspakt abzuschließen. Diese Vereinbarungen wurden auch abgeschlossen,
wobei dem Österreichischen Gemeindebund eine gleichberechtigte Rolle neben dem
Bund und den Ländern zukommt.
Dieser Ansatz, den das BVG Gemeindebund verwirklicht hat, zeigt, dass der
Bundesverfassungsgesetzgeber offensichtlich erkannt hat, dass der
österreichische Föderalismus in der Europäischen Union nicht mehr allein auf
das Bund-Länder-Verhältnis reduziert sein darf, sondern dass vielmehr eine
partnerschaftliche Kooperation von allen drei Ebenen der Gebietskörperschaften
(Bund, Länder und Gemeinden) alleine zukunftsträchtig ist. Ausgehend von diesem
Verständnis wäre es für die österreichischen Gemeinden nunmehr naheliegend,
dass die Vertragsabschlusskompetenz der Gemeinden, vertreten durch den
Österreichischen Gemeindebund, nicht nur auf Konsultationsmechanismus und
Stabilitätspakt reduziert bleibt, sondern dass den Gemeinden, vertreten durch
den Österreichischen Gemeindebund die Befugnis eingeräumt wird, gemeinsam mit
Bund und/oder Ländern bundesstaatliche Verträge im Sinne des Art 15 a B-VG
abzuschließen.
Eine solche Vertragsabschlusskompetenz müsste durch eine Erweiterung des
Art 15 a B-VG erfolgen.
Die Vorteile einer Einbeziehung der Gemeinden in das Vertragssystem des Art
15 a B-VG sind naheliegend: Die Gemeinden hätten schon bei der Formulierung und
Festlegung von gemeinsamen Aufgaben ein Mitspracherecht. Die
konfliktpräventiven Elemente des Konsultationsmechanismus könnten so noch eine
Stufe im Entscheidungsprozess vorverlagert werden. Die Aufwertung der Gemeinden
zu bundesstaatlichen Partnern würde ihre Rolle auch im künftigen
Regionalisierungsprozess der Europäischen Union stärken und könnte so
Österreich in seiner Rolle als Vorreiter eines neuen Föderalismus stärken. Da
die Gemeinden in der Regel große Sachkenntnisse beim Gesetzesvollzug aufweisen,
könnte der Sachverstand, der für die Vollziehung von Gesetzen notwendig ist,
schon frühzeitig zum Tragen kommen.
2. Gemeindeverbände
Die Regelungen in Art 116 a B-VG über die Gemeindeverbände haben sich im
großen und ganzen bewährt. Sie stellen die Grundlage für eine dynamische
interkommunale Zusammenarbeit dar, welche den Gemeinden vielfältige
Handlungsmöglichkeiten bieten, gleichzeitig demokratische Mitwirkungsrechte
wahren und schließlich einer hinreichenden Gemeindeaufsicht zugänglich sind.
Eine Aktivierung des Art 120 B-VG ist aus heutiger Sicht abzulehnen. Die
historische Verwurzelung der Österreicher mit ihrer „Heimat" manifestiert
sich neben der Zugehörigkeit zu Gesamtstaat und zum jeweiligen Bundesland am
stärksten in der Zugehörigkeit zur Gemeinde. Die demokratische Verwurzelung der
Österreicherinnen und Österreicher in ihren Bezirken ist hingegen kaum gegeben.
Die Einführung einer neuen Ebene von Gebietskörperschaften würde einerseits die
Stellung der Gemeinde schwächen, ohne dass damit ein entsprechender
demokratischer Gewinn auf Bezirksebene zu verbuchen wäre, andererseits die
Effizienz der monokratisch strukturierten Bezirksbehörde schwächen. Hinzu kommt
ein zu erwartender bürokratischer Zugewinn der Bezirksverwaltung, eine
kostspielige Aufblähung von Organisationseinheiten uam. Aus der Sicht der
Gemeinden wird vielmehr die endgültige Abschaffung des Art 120 B-VG gefordert.
Die Gemeinde hat sich als demokratische und bürgernächste Ebene bewährt, sie
muss die erste Anlaufstelle für die Bürger bleiben.
3. Möglichkeiten der Übertragung
von Gemeindeaufgaben auf staatliche Behörden
Mit Art
118 Abs 7 B-VG wurde ein Instrument geschaffen, das gewissermaßen einen
Ausgleich für belastende Auswirkungen des Prinzips der Einheitsgemeinde für
Kleingemeinden darstellt. Tatsächlich wird dieses Instrument bewusst dafür
eingesetzt, um die Finanzkraft von einzelnen Gemeinden nicht über Gebühr zu
strapazieren. Nach der derzeitigen Verfassungsrechtlage besteht auf eine
Übertragungsverordnung durch Landesregierung bzw Landeshauptmann kein
Rechtsanspruch. Angesichts der immer komplexer werdenden ökonomischen und auch
technischen Aspekte der kommunalen Aufgabenerfüllung sollte bei Überschreitung
der Finanzkraft die einzelne Gemeinde einen Rechtsanspruch auf eine solche
Übertragungsverordnung erhalten. Nach Wegfall der Gründe für eine Übertragung
muss jedenfalls auch für die Rückübertragung der Aufgaben an die Gemeinde ein
Anspruch konstituiert sein.
1. Zahl der staatlichen Ebenen
unter Berücksichtigung der EU-Ebene
Durch den Beitritt Österreichs zur EU wurde das klassische Konzept des
Österreichischen Bundesstaates erheblich relativiert. Heute steht nicht mehr
die Frage nach der Souveränität von Bund und Gliedstaaten im Mittelpunkt des
Interesses, vielmehr erfordert die territoriale Binnendifferenzierung des auch
in der EU als Kleinstaat zu bezeichnenden Staates Österreich die Diskussion um
einneues Verständnis der Rollen der Gebietskörperschaften. Die Frage ist heute
nicht mehr, ob Bund und/oder Länder souveräne Gebietskörperschaften im
Bundesstaat Österreich sind, sondern welche Ebene von Gebietskörperschaften
erfüllt die öffentlichen Aufgaben am besten erfüllt. Das bedeutet aber, dass
sich die innerstaatlichen Integrationsprozesse der Gebietskörperschaften in
eine neue Richtung bewegen müssen. Die neue Föderalismusdebatte, die immer
stärker unter dem Schlagwort „Neuer Regionalismus" geführt wird, muss
daher die Bedeutung der Gemeinden und Städte als bürgernächste
Verwaltungseinheiten, die in das Regelwerk des Gemeinschaftsrechts eingebunden
sind, anerkennen. Daher darf in einer modernen Verfassung die Gliederung der
Gebietskörperschaften nicht mehr hierarchisch, sondern muss kooperativ vernetzt
begriffen werden. Die bundesstaatliche Struktur Österreichs muss daher zu einem
demokratisch gegliederten und partnerschaftlichen Verbund der
Gebietskörperschaften im Bundesstaat führen (echtes Drei-Partner-System).
Die volle Anerkennung der Gemeinden als bundesstaatlicher Partner ist
besonders wichtig im Hinblick auf die Europäische Regionalisierung. Denn was
unter dem Begriff „Regionen" zusammengefasst wird, ist oft eine sehr
heterogene Ansammlung von Gebietskörperschaften ganz unterschiedlicher
normativer Qualität. Neben den Gliedstaaten mit Verfassungsautonomie und
völkerrechtlicher Abschlusskompetenz zählen dazu Provinzen, mit lediglich
partieller abgeleiteter legislativer Funktion, Territorien ohne eigenständige Staatsgewalt
und vielfach auch Kommunen, welche nach den Regeln der Selbstverwaltung
verfasst sind. Für die Entwicklung des europäischen Föderalismus ist daher
dieses neue Bundesstaatsverständnis des echten Drei-Partner-Systems für die
Gemeinden, aber auch für den Gesamtstaat, von großer Bedeutung.
2. Neue Form einer Kooperation
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
a) Art 15 a BVG - Vereinbarungen
Die Forderung, den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen
Städtebund als gleichberechtigte Partner in das Art 15 a B-VG-Regelwerk
einzubinden wurde bereits erhoben und begründet.
Die Art 15 a BVG-Vereinbarung konnte sich als Instrument des kooperativen
Föderalismus nie wirklich durchsetzen. Ein wesentlicher Grund liegt zweifellos
darin, dass diese bundesstaatlichen Verträge einer speziellen Transformation
bedürfen. Will man eine wirklich effiziente und kooperative Bewältigung der
großen Aufgaben, die in Zukunft an das österreichische Rechtsleben
herangetragen werden, so ist die Korrektur der verfassungsgerichtlichen
Judikatur hin zur Möglichkeit, self-executing-Verträge abzuschließen,
unausweichlich.
b) Gemeinsame
Einrichtungen
Nach der derzeitigen Verfassungsrechtslage ist die Schaffung von
gemeinsamen Einrichtungen mit Hoheitsbefugnissen durch einen 15 a-Vertrag nicht
möglich. Diese Schranke sollte man nach Ansicht des Österreichischen
Gemeindebundes in einer künftigen Verfassung entfallen. Durch die Möglichkeit,
solche gemeinsamen Einrichtungen zu schaffen, könnten koordinative und
kooperative Vollzugsformen wesentlich effizienter eingesetzt werden. Allerdings
muss auch dies mit Maß erfolgen, da eine ausufernde Schaffung solcher
gemeinsamer Einrichtungen die Verantwortungsbereiche von Bund und Ländern aber
auch der Gemeinden aushöhlt. Für viele Bereiche, zum Beispiel im Umweltschutz,
im Gesundheitswesen oder im Schul- und Kulturbereich könnten hier jedoch neue,
verwaltungsreformatorische Impulse gesetzt werden.
Durch die bundesverfassungsrechtliche Grundlegung der Organisation und der
Funktionen der Gemeinden ist die Frage nach der Reichweite der
Verfassungsautonomie der Länder für die Gemeinden nur von abgeschwächter
Bedeutung. Allerdings muss darauf verwiesen werden, dass etwa durch eine
Abschaffung des BVG über die Einrichtung der Ämter der Landesregierungen
organisationsrechtliche Probleme auftreten können, die insbesondere Auswirkungen
auf die Struktur der gesamten Verwaltung in den Ländern nach sich ziehen wird.
VI.
Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (Legalitätsprinzip,
EU-Rechtsetzung)
Dass Österreich durch Art 18 Abs 1 B-VG eine der striktesten
rechtsstaatlichen Bindung alles staatlichen Handelns an das Gesetz aufweist,
hat nicht nur rechtsstaatliche Vorteile. Gesetzesflut, übertriebene Kasuistik,
die Verhinderung flexiblen Handelns der Verwaltung in vielen Bereichen sind die
Folge. Für die Gemeinden stellt sich in diesem Zusammenhang daher die Forderung
nach einer Lockerung des Legalitätsprinzips des Art 18 Abs 1 und insb Abs 2
B-VG dahingehend, dass die Gemeinden im Rahmen ihrer Selbstverwaltung gewisse Handlungsspielräume
eingeräumt erhalten. Das Verhältnis zwischen Gesetz und den Verordnungen im
eigenen Wirkungsbereich könnte daher entsprechend dem Verhältnis
Grundsatzgesetz und Ausführungsgesetz gestaltet werden. Den Gemeinden würde es
damit ermöglicht, lebensnähere Vollziehungsakte setzen zu können, als dies
derzeit der Fall ist.
VII.
Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von Mitgliedern von Organen
der Europäischen Union (Art 23 c B-VG)
In diesem Zusammenhang ist auch die oben dargestellte Forderung zu
verweisen, dass die Länder- und Gemeindekammer spürbar in den Kreationsvorgang
dieser Organe eingebunden werden soll. Sollte dies nicht der Fall sein, so
müsste in jedem Fall dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen
Städtebund ein Anhörungsrecht und ein Stellungnahmerecht eingeräumt werden. Für
die Entsendung der österreichischen Vertreter in den Rat der Regionen und
Kommunen verlangt der Österreichische Gemeindebund in jedem Fall ein
wirkungsvolles Mitspracherecht. Dies kann in Form eines verbindlichen
Vorschlagsrecht oder eines Vetorechts des Gemeindebundes und des Städtebundes
für ein Mitglied aus dem Bereich der Kommunen vorgesehen werden.