Präsident Dr. Christoph
Leitl
Die „Schaffung
eines klaren, nach abgerundeten Leistungs- und Verantwortungsbereichen
gegliederten Kataloges von Gesetzgebungskompetenzen unter Berücksichtigung der
Rechtslage der Europäischen Union“ – so die Aufgabenstellung des Ausschusses 5
– ist eine der zentralen Herausforderungen des Österreich Konvents.
Dass die
bestehende Zuständigkeitsverteilung in hohem Maße reformbedürftig ist, ist
schon seit Jahrzehnten bekannt, die bisherigen Reformbestrebungen, nicht
zuletzt die bis zur Regierungsvorlage gediehene „Bundesstaatsreform“ aus dem
Jahr 1994 (RV 1706 BlgNR 18. GP), waren jedoch bekanntlich zum
Scheitern verurteilt. Zwar können aus bisherigen Vorarbeiten, Gutachten und
Entwürfen (etwa die vom Bundeskanzleramt herausgegebenen Ergebnisse der
Arbeitsgruppe für Fragen der Neuordnung der Kompetenzverteilung
(Strukturreformkommission) „Neuordnung der Kompetenzverteilung in Österreich“
(1991) oder den Diskussionen und Vorschlägen im Zusammenhang mit der Regierungsvorlage
zur Bundesstaatsreform 1994) einige interessante Analysen und Vorschläge zur
Kompetenzverteilung in struktureller Hinsicht entnommen werden, es ist jedoch
eindringlich davor zu warnen, im Rahmen der Diskussionen im Österreich-Konvent
unmittelbar auf diesen Vorarbeiten aufzusetzen. Die Strukturreformkommission
tagte mehrere Jahre vor dem EU-Beitritt Österreichs, die Perchtoldsdorfer
Vereinbarung vom 8.10.1992 spricht zwar in ihrer Präambel bereits die Herausforderungen
und Aufgaben für die Gebietskörperschaften im Zuge der „Europäischen
Integration“ an, konnte jedoch die sich aus der späteren EU-Mitgliedschaft
ergebenden tatsächlichen und rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der Kompetenzverteilung
noch nicht umfassend ermessen und einbeziehen.
Diese
Vorarbeiten können daher lediglich in Teilbereichen Diskussionsanstöße bieten;
im übrigen müssen grundlegendere und weitreichendere, innovative und
phantasievolle Reformvorschläge ausgearbeitet werden. In diesem Zusammenhang
wird angeregt, Vorschläge von Experten einzuholen, Experten in den Ausschuss zu
laden, deren Vorschläge zu diskutieren und in den schriftlichen Bericht
einfließen zu lassen.
Die
bestehende Kompetenzverteilung verursacht häufig ineffiziente Abläufe sowohl
in der Gesetzgebung aber in der Folge auch in der Vollziehung. Sie ist insb.
durch folgende Mängel gekennzeichnet:
-
Kompetenzzersplitterungen
-
Enge
Verzahnungen der dem Bund und den Ländern zufallenden Kompetenzbereiche
-
Teilzuständigkeiten
des Bundes und der Länder
-
Unübersichtlichkeit
-
Vielfalt
der Rechtsquellen
Diese
Mängel gilt es im Rahmen des Pkt. II. der Fragestellungen für den Ausschuss 5
zu analysieren.
Zu III.
dieser Fragestellungen („Ermittlung der Kriterien für eine neue Zuordnung von
Aufgaben“) muss aus Sicht der Wirtschaft besonderes Augenmerk einerseits auf
das Prinzip der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes, das auch vor dem Hintergrund
des Binnenmarktprinzips der Europäischen Union zu sehen ist, und andererseits
auf den Subsidiaritätsgrundsatz, der auch ein wesentliches Prinzip der
künftigen Europaverfassung sein wird, gelegt werden. Die Kriterien für eine
neue Zuordnung von Aufgaben werden insb. auch die sich aus der
EU-Rechtssetzung ergebenden Notwendigkeiten zu beachten haben; so werden insb.
Mechanismen zu finden sein, die bei der Umsetzung von EU-Richtlinien den Faktor
10 in der Gesetzgebung eliminieren, dh die Voraussetzungen dafür schaffen,
dass europäisches Richtlinienrecht nur einmal und nicht neun- oder gar zehn Mal
umgesetzt werden muss.
Zu IV. der
Fragestellungen: Die Wirtschaftskammer Österreich hat ein „Kompetenzverteilungsmodell“
ausgearbeitet, das den soeben genannten Kriterien gerecht wird:
Der Bereich
ausschließlicher EU-Zuständigkeiten, andere Bereiche sofern und soweit die EU von
ihrer Zuständigkeit unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips Gebrauch
gemacht hat, sollten jedenfalls in die Bundeskompetenz fallen (dies bedingt
einen Automatismus des Kompetenzübergangs auf den Bund – soweit im
betreffenden Bereich nicht ohnehin bereits die Bundeskompetenz gegeben ist –
immer dann, wenn die EU rechtssetzend tätig wird).
Neben
dieser Grundregel sollte es je einen taxativen Katalog von ausschließlichen
Bundeszuständigkeiten und einen von ausschließlichen Landeszuständigkeiten
geben.
Alle
Restbereiche, dh jene Bereiche, die nicht in einen dieser taxativen
Kompetenzkataloge aufgenommen werden, sollen im Rahmen einer Generalklausel
als „geteilte Zuständigkeiten“ gelten. Diese „geteilten Zuständigkeiten“ können
sowohl vom Bund (insb. zur Wahrung der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebiets)
als auch von den Ländern – von letzteren sofern und soweit der Bund die
jeweilige Zuständigkeit nicht in Anspruch genommen hat – wahrgenommen werden.
Will der Bund eine dieser „geteilten Zuständigkeiten“ in Anspruch nehmen, so
wird ein „Subsidiaritätsmechanismus“ ausgelöst, der den Ländern die Möglichkeit
gibt, Einwände wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips geltend zu machen.
Im Streitfall, dh wenn der Bund berechtigten Einwänden nicht Rechnung trägt,
wäre den Ländern eine Anrufungsmöglichkeit des VfGH einzuräumen. Die konkrete
Ausgestaltung des „Subsidiaritätsmechanismus“ könnte entsprechend dem vom
EU-Konvent im „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und
der Verhältnismäßigkeit“ vorgeschlagenen Verfahren erfolgen.
Die
Festlegung der taxativen Kompetenzkataloge für Bund und Länder müsste unter
Beachtung des Prinzips der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes einerseits
und des Subsidiaritätsprinzips andererseits so erfolgen, dass dem Bund insb.
jene Bereiche übertagen werden, für die eine bundeseinheitliche Geltung
unumgänglich ist, den Ländern hingegen solche, in denen es um Bürgernähe, regionale
Problemstellungen und die Ausbildung einer eigenen Identität geht. Auch könnte
den Ländern größere Verfassungsautonomie eingeräumt werden.
Kompetenzverteilung
Die WKÖ
schlägt weiters den Ausbau des Art 15a B-VG (Vereinbarungen zwischen Bund und
Ländern sowie Ländern untereinander über Angelegenheiten ihres jeweiligen
Wirkungsbereiches) dahingehend vor, dass dadurch unmittelbar anwendbares Recht
geschaffen werden kann.
Auf diese
Weise könnten (so die Fragestellung unter Pkt. V.) neue Kompetenzkataloge
geschaffen werden, die einerseits eine problemorientierte, effiziente Abläufe
ermöglichende Neuordnung der Kompetenzen schafft und andererseits auch die
Verhältnisse und Mechanismen in der EU sowie die Dynamik der europäischen
Rechtssetzung durch unmittelbar geltendes EU-Recht und im Zusammenhang mit der
Festlegung innerstaatlicher Umsetzungszuständigkeiten berücksichtigt.
Flankierend
zu diesem neuen Kompetenzverteilungsmodell (ad Pkt VI. der Fragestellungen)
schlägt die Wirtschaftskammer Österreich auch eine verstärkte Mitwirkung der
Länder an der Bundesgesetzgebung – im Wege über einen reformierten Bundesrat –
vor: Neben einer Aufwertung des Bundesrates in personeller Hinsicht
(diesbezügliche Vorschläge werden dem Ausschuss 3 vorgelegt werden) könnte
daran gedacht werden, die rechtliche Bestandskraft der Bundesratsbeschlüsse
etwa in Gestalt der Einführung von zusätzlichen Zustimmungserfordernissen bei
bestimmten Bundesmaterien vorzusehen.
Eine
weitere starke Ingerenzmöglichkeit der Länder im Prozess der Kompetenzausübung
würde der oben dargestellte „Subsidiaritätsmechanismus“ bei der Ausübung der
vorgeschlagenen „geteilten Zuständigkeiten“ darstellen.