Erstes Positionspapier der WKO zum Österreich-Konvent

mit Potentialabschätzung

 

 

 

I.              Grundprinzipien der Neuordnung der Bundesverfassung

 

Ausgangslage

Die grundlegend veränderten Rahmenbedingungen seit dem EU-Bei­tritt Österreichs und die zu erwartende neue EU-Verfassung ma­chen auch eine umfassende Reform der österreichischen Bundes­verfassung erforderlich. Eine, diesen Gegebenheiten angepass­te, Neuordnung von bundesstaatlichen Strukturen, Abläufen und Verantwortungsbereichen ist notwendig, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können und die Grundlage für eine mo­derne, den europäischen Verhältnissen angepasste effiziente Verwaltung zu bieten.

 

 

Ziel

Im Rahmen des Österreich-Konvents sind die Strukturprobleme der geltenden Bundesverfassung zu bereinigen. Ergebnis der Ar­beiten und Beratungen des Konvents muss ein übersichtliches, in sich geschlossenes und stimmiges Verfassungswerk sein, das die Verschlankung der Staatsorganisation ermöglicht. Anzustre­ben ist eine Verfassung, die so gestaltet ist, dass auf ihrer Grundlage in den nächsten Jahren die effizienteste, modernste und sparsamste Verwaltung Europas errichtet werden kann.

 

Bei der Neuordnung der österreichischen Verfassungsordnung ist nicht nur an den Bauprinzipien der geltenden Bundesverfassung festzuhalten. Darüber hinaus ist eine Orientierung an den Grundsätzen der Effizienz und Sparsamkeit sowie am Subsidiari­tätsprinzip und am Prinzip der Einheit des Wirtschaftsgebietes geboten. Dabei ist das Prinzip der Einheit des Wirtschaftsge­biets vor dem Hintergrund des Binnenmarktprinzips der Europä­ischen Union zu sehen. Auch der Subsidiaritätsgrundsatz wird ein wesentliches Prinzip der Europa-Verfassung sein.

 

 

Maßnahmen

·        Entscheidung über staatliche Kernaufgaben im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Regelung einzelner Sachbe­reiche (zB Gerichtsbarkeit, Militär, Polizei).

·        Umfassende Rechtsbereinigung auf Verfassungsebene

·        Beseitigung von Doppelgleisigkeiten

·        Neuordnung der Kompetenzverteilung im Bundesstaat und der Aufgaben der Verwaltungsorgane

·        Schaffung effizienter und funktionierender Kontroll- und Rechtsschutzmechanismen

·        Änderungen der Finanzverfassung

 

 

Potential

Sparpotentiale nach Konvents-Ausschüssen

 

Staatsaufgaben und Staatsziele

Abhängig davon, ob Aufgaben wegfallen; diesfalls hohes Spar­potential möglich

Übertragung von Aufgaben auf Private

(Eigenregieleistungen, Contracting Out, PPP)

300 Mio

Legistische Strukturfragen

max 50 Mio.

Staatliche Institutionen

200 Mio

Grundrechtskatalog

0 – 2 Mio.

Aufgabenverteilung Bund - Länder

350 Mio.

Reform der Verwaltung

2,5 bis 3 Mrd

Strukturen besonderer Verwal­tungs- einrichtungen

5-10 Mio.

Demokratische Kontrollen

Schätzung derzeit nicht möglich

Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit

Schätzung nicht mög­lich

Finanzverfassung

Folgt noch

 

Summe (ohne Reform der Finanz­verfassung)

 

3,4 – 3,9 Mrd. €

 

 

Summe ohne Aufgabenreform und Finanzverfassung somit 3,4 – 3,9 Mrd. €.

 

Bei einem Wegfall von Staatsaufgaben (Aufgaben werden vom öf­fentlichen Sektor nicht mehr wahrgenommen) und einer Moderni­sierung der Finanzverfassung liegt das Potential über 4 Mrd. Euro.

 

 

II.         Einzelbereiche der Reform gegliedert nach den vorgesehe­nen Ausschüssen

 

 

1.     Staatsaufgaben und Staatsziele

 

Ausgangslage

Die geltende Bundesverfassung enthält nur wenige Aussagen zu staatlichen Aufgaben und staatlichen Zielen. Es ist vielfach nicht eindeutig möglich zu sagen, ob sie eine Aufgabe zwingend dem Staat vorbehält oder aber deren Wahrnehmung durch die Ge­sellschaft und damit die Nutzbarmachung der Effizienz des Marktes zulässt.

 

 

Ziel

Es ist nach Zurückhaltung bei der Aufnahme von Staatszielen und wertenden Aussagen in die Verfassung zu trachten. Staats­ziele legitimieren nämlich Staatstätigkeit und verpflichten die Staatsorgane dazu, zur Zielerreichung tätig zu werden. Da wir heute aber an zuviel Staat leiden, wäre es kontraproduk­tiv, durch eine mit Staatszielbestimmungen überladene neue Verfassung im Effekt eine Zunahme der Staatstätigkeit in der Zukunft und damit eine kostspielige Ausweitung des öffentli­chen Sektors und eine Vergrößerung der Verwaltung zu bewirken. Jedenfalls wird die Diskussion um Staatsziele auch die Ziele und Aufgaben der EU zu berücksichtigen und ein adäquates Ver­hältnis zur EU-Verfassung anzustreben haben.

 

Darüber hinaus ist im Zusammenhang mit der verfassungsrecht­lichen Regelung einzelner Sachbereiche (zB. Militär, Polizei, Gerichtsbarkeit) die Grenze zwischen Staat und Gesellschaft zu fixieren und zu entscheiden, welche Aufgaben als sog Kernauf­gaben dem Staat vorbehalten sind und welche Aufgaben gemeinsam mit der Gesellschaft wahrzunehmen sind oder dieser zur Gänze überantwortet werden können.

 

 

Maßnahmen

·        Herbeiführung eines angemessenen, d.h. Doppelgleisigkeiten und Widersprüche vermeidenden Verhältnisses der österreichi­schen Staatsaufgaben zu den Zielen und Aufgaben der EU.

·        Bei der Aufnahme von österreich-spezifischen Staatszielen und wertenden Aussagen sollte große Zurückhaltung geübt wer­den.

·        Die neue Bundesverfassung soll im Wesentlichen als sog "Spielregelverfassung" ausgestaltet werden, die Organe, Kom­petenzen und Verfahren festlegt.

·        Entscheidungen über Kernaufgaben sind im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Regelung einzelner Sachbereiche (zB Gerichtsbarkeit, Militär, Polizei) zu treffen.

 

 

Potential

Eine nähere Quantifizierung kann erst vorgenommen werden, wenn feststeht, welche Aufgaben der Staat nicht mehr wahrnehmen wird.

Grundsätzlich steckt in diesem Punkt aber erhebliches Einspa­rungspotential, das langfristig realisierbar ist, wenn Aufga­ben nicht mehr wahrgenommen werden. Würde die österreichische Staatsquote (52,1 % für 2003) beispielsweise auf den EU-Schnitt (47,8 %) zurückgeführt, würde dies ein Ausgabenreduk­tion von etwa 9,5 Mrd. € bedeuten.

Unter dem Aspekt der Verlagerung von Aufgaben vom Staat auf die Gesellschaft kann im Blick auf mögliche Ausgliederungen, das Eingehen von Public Private Partnerships, den Abbau von Eigenregieleistungen sowie durch contracting out-Modelle ein Sparpotential von 200 – 400 Mio EUR geschätzt werden. Mittel­wert: 300 Mio €

 

 

2.     Legistische Strukturfragen

 

Ausgangslage

Die Österreichische Verfassung ist in formaler Hinsicht zer­splittert und unübersichtlich. Es bestehen rund 1.000 Verfas­sungsbestimmungen außerhalb der Kernverfassung in Gestalt des B-VG. Das Verfassungsrecht ist so dicht, dass die politischen Gestaltungsspielräume der einzelnen Gesetzgeber zum Teil so gering sind, dass ad hoc immer neues Verfassungsrecht geschaf­fen werden muss, um überhaupt notwendige Maßnahmen ergreifen zu können.

 

 

Ziel

Angestrebt wird auf dem Boden rechtsbereinigender und das gel­tende Recht neu systematisierender Arbeiten die Schaffung ei­ner in formaler Hinsicht (relativ) geschlossenen und über­sichtlichen Verfassungsrechtslage.

 

 

Maßnahmen

·        Weitestgehende Sammlung und Konzentration des geltenden Ver­fassungsrechts in einer Urkunde.

·        Einführung eines Inkorporationsgebotes für die Zukunft.

·        Keine Formulierungsänderung des derzeitigen Legalitätsprin­zips (weitere Ausführungen zum Legalitätsprinzip in Punkt 3.).

 

 

Potential

Größeres Einsparpotential könnte eher in der Reduktion verfas­sungsrechtlicher Normen gesehen werden, wenn das Erfordernis der Verfassungsmehrheit es erschwert, Normen zu beschließen, die kostengünstiger vollzogen werden könnten, oder eine Anpas­sung und Modernisierung von Normen durch „political bargai­ning“ erschwert wird.

Eine Abschätzung derartiger Kosten eines Verfassungsgesetzes ist ad hoc nicht möglich, und erfordert eine eingehende Unter­suchung politischer und legislativer Prozesse bei Verfassungs­änderungen in den letzten Jahren.

Schätzung: 50 Mio. €

 

 

3.     Staatliche Institutionen

 

Ausgangslage

Der Bundesrat ist derzeit faktisch bedeutungslos, weil er aus verfassungsrechtlichen Gründen (der mangelnden Bestandskraft der meisten seiner Beschlüsse) seiner Rolle als Vertreter der Länder im Prozess der Bundesgesetzgebung nicht gerecht werden kann.

Selbstverwaltungskörperschaften sind Ausdruck der Prinzipien der Dezentralisierung und der Subsidiarität. Sie  sind der­zeit nur in Gestalt der Gemeinden ausdrücklicher Regelungsge­genstand der Verfassung. Aber auch die berufliche Selbstver­waltung im Allgemeinen und die wirtschaftliche im Besonderen nimmt Aufgaben für den Gesamtstaat wahr und erfüllt darüber hinaus eine bedeutsame gewaltenteilende Funktion.

 

 

Ziel

Stärkung des Bundesrates einerseits und Anerkennung der Bedeu­tung der Kammern und der Sozialpartnerschaft durch deren Ver­ankerung in der Verfassung andererseits.

 

 

Maßnahmen

·        Aufwertung des Bundesrates:

-         in personeller Hinsicht sollte die Entsendung des Landes­hauptmannes, allenfalls auch (sofern es sich dabei um eine vom Landeshauptmann verschiedene Person handelt) des Lan­desfinanzreferenten, in eventu auch von Landtagsabgeordne­ten überlegt werden;

-         Einführung der blockweisen Abgabe der Länderstimmen; die Meinungsbildung über die Abstimmung müsste zuvor auf Lan­desebene erfolgen;

-         bei der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Län­dern ist die Frage der Erhöhung der rechtlichen Bestands­kraft der Bundesratsbeschlüsse etwa in Gestalt der Einfüh­rung von zusätzlichen Zustimmungserfordernissen bei be­stimmten Bundesmaterien zu klären.

·        Neubestimmung des Verhältnisses des Legalitätsprinzips zu soft law wie etwa Rechtsetzung durch Selbstverwaltungs­ein­richtungen (Standesregeln) oder durch ad hoc zusammenge­setzte Gremien wie zB den „Österreichischen Arbeitskreis für Corporate Governance“, der den Österreichischen Corporate Governance – Code ausgearbeitet hat.

·        Verankerung der Kammern und der Sozialpartnerschaft in der Verfassung.

 

 

 

 

Potential

Die Reduktion der Mitglieder des Bundesrates würde eine Ein­sparung bedeuten, eine Aufwertung des Bundesrates könnte hin­gegen die politische Komplexität und den Aufwand des Gesetzge­bungsprozesses erhöhen.

 

Größeres Einsparungspotential für den Staat könnte durch die Forcierung von soft law bzw. Selbstbindung der wirtschaftli­chen Akteure (zB Corporate Governance Kodex) und durch die De­legation an Selbstverwaltungskörper erreicht werden (diesfalls würden bei letzteren zusätzliche Kosten anfallen, die abgegol­ten werden müssten).

Vorsichtige Schätzung 100 – 300 Mio €, Mittelwert 200 Mio. €.

 

Insgesamt somit etwa 200 Mio € (Forcierung von soft law)

 

 

4.     Grundrechtskatalog

 

Ausgangslage

Es herrscht Rechtsquellenvielfalt und Rechtszersplitterung.

 

 

Ziel

Sichtung und Zusammenfassung des genuin österreichischen Grundrechtsbestandes und Beseitigung der überlappenden dop­pelten Verankerung einzelner Grundrechte sowie geeignete Be­rücksichtigung „europäischer Grundrechte“.

 

 

Maßnahme

·        Abstimmung mit der künftigen EU-Verfassung – Vermeidung von Wertungswidersprüchen

 

 

Potential

Vereinfachung in der Rechtsanwendung, eventuell Vermeidung von Rechtsunsicherheiten könnte Verfahrensaufwand reduzieren, eher geringer Einsparungseffekt, 0 - 2 Mio €

 

 

5.     Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern

 

Ausgangslage

Die bestehende Zuständigkeitsverteilung ist in hohem Maße re­formbedürftig, da sie häufig ineffiziente Abläufe in Gesetz­gebung und Vollziehung verursacht. Sie ist insbesondere durch die folgenden Mängel gekennzeichnet:

 

-         Kompetenzzersplitterungen

-         Enge Verzahnungen der dem Bund und den Ländern zufallenden Kompetenzbereiche

-         Teilzuständigkeiten des Bundes und der Länder

-         Unübersichtlichkeit

-         Vielfalt von Rechtsquellen

 

 

Ziel

Schaffung einer problemorientierten, die Grundsätze der Ein­heitlichkeit des Wirtschaftsgebietes und des Subsidiaritäts­prinzips umsetzenden, sowie sich aus der EU-Rechtssetzung er­gebende Notwendigkeiten berücksichtigenden neuen Kompetenzver­teilung.

 

 

Maßnahmen

·        Problemorientierte Verteilung der Kompetenzen unter Schaf­fung großer, final determinierter Verantwortungsbereiche mit beweglichen Elementen. Dabei muss auf die Wahrung der Ein­heitlichkeit des Wirtschaftsgebiets Bedacht genommen werden.

·        Berücksichtigung der Verhältnisse und Mechanismen in der EU sowie der Dynamik der europäischen Rechtsetzung durch unmit­telbar geltendes EU-Recht und im Zusammenhang mit der Fest­legung innerstaatlicher Umsetzungszuständigkeiten. Der Be­reich ausschließlicher EU-Zuständigkeiten, andere Bereiche sofern und soweit die EU von ihrer Zuständigkeit unter Be­achtung des Subsidiaritätsprinzips Gebrauch gemacht hat, sollten jedenfalls in die Bundeskompetenz fallen.

·        Schaffung taxativer Kataloge von ausschließlichen Bundeszu­ständigkeiten und ausschließlichen Landeszuständigkeiten so­wie einer Generalklausel, die alle Restbereiche als „geteil­te Zuständigkeiten“ festlegt. („Geteilte Zuständigkeiten“ können vom Bund (insb. zur Wahrung der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebiets) und von den Ländern – von letzteren so­fern und soweit der Bund die jeweilige Zuständigkeit nicht in Anspruch genommen hat - wahrgenommen werden).

·        Vor der Inanspruchnahme einer „geteilten Zuständigkeit“ durch den Bund muss ein zu schaffender „Subsidiaritätsme­chanismus“ (mit nachträglicher Anrufungsmöglichkeit des VfGH) eingehalten werden.


 

 

 


·        Den Bundesländern könnte größere Verfassungsautonomie ein­geräumt werden (z.B. Ausbau direktdemokratischer Elemente in den Landesverfassungen).

·        Ausbau von Vereinbarungen im Bundesstaat (zwischen Bund und Ländern sowie Ländern untereinander) nach Art 15a B-VG über Angelegenheiten ihres eigenen Wirkungsbereiches dahingehend, dass dadurch unmittelbar anwendbares Recht geschaffen werden kann.

 

 

Potential

Konservativ geschätzt liegt das Potential einer Kompetenzbe­reinigung bei etwa 1 % der Kosten der staatlichen Verwaltung, somit bei etwa 350 Mio € . In Zusammenwirken mit einer erhöh­ten Finanzierungsverantwortung der einzelnen Gebietskörper­schaften und dem damit verbundenen erhöhten Effizienzdruck (neuer Finanzausgleich) läge der Effekt noch darüber.

Beispiel: Zur Umsetzung des OÖ Luftreinhalte- und Energietech­nikgesetzes sind etwa 30 Verordnungen zu erlassen. Alleine der Personalaufwand für die Erlassung einer Verordnung liegt laut Berechnungen des Landes OÖ (Gesetzesfolgekostenabschätzung) je nach Verordnung zwischen 2.740 und 9.750 Euro. Summe des Per­sonalaufwandes für alle Verordnungen, die gem. diesem Landes­gesetz erlassen werden: über 150.000 Euro. Daran lässt sich ermessen, was erst die – mit ungleich größerem Aufwand verbun­dene – Erlassung eines Gesetzes kostet. Ist ein solches in ein und derselben Materie dann gar noch neun- oder zehnmal (wie etwa im Vergabe- und Abfallwirtschaftsrecht) zu erlassen, er­höhen sich die Kosten entsprechend.

 

 

6.     Reform der Verwaltung

 

Ausgangslage

Der Status quo ist durch mangelnde Einheitlichkeit, eine in vielen Bereichen unzeitgemäße Ablauforganisation, Doppelglei­sigkeiten und die Notwendigkeit der Erbringung umfassender, mit hohem Aufwand verbundener, Koordinationsleistungen gekenn­zeichnet.

 

 

Ziel

Schaffung solcher verfassungsrechtlicher Grundstrukturen, dass durch Maßnahmen des einfachen Gesetzgebers die Verwaltung um­fassend modernisiert und effizienter sowie sparsamer organi­siert werden kann.

 

 

Maßnahmen

·        Weitestgehende Föderalisierung der Vollziehung durch Ab­schaffung der mittelbaren Bundesverwaltung.

·        Die Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung erfordert eine bundesverfassungsrechtliche Neukonzeption der Landes­verwaltung: Anzustreben ist generell ein System der "Mi­nis­terialverwaltung" in den Ländern. Das jeweils zuständige Mitglied der Landesregierung muss in Bezug auf die Vollzie­hung von Landesgesetzen dem Landtag, in Bezug auf die Voll­ziehung von Bundesgesetzen dem Nationalrat verantwortlich sein. Weiters soll dem Nationalrat die Möglichkeit der An­klage des jeweils für die Vollziehung von Bundesgesetzen verantwortlichen Mitglieds der Landesregierung wegen Geset­zesverletzung beim VfGH zukommen.

·        Schaffung neuer Instrumente zur Wahrung der Einheitlichkeit des Vollzugs wie zB

-         Erlassung "qualifizierter Verordnungen" durch den zustän­digen Bundesminister

-         Abgabe "interpretativer Erklärungen" zu Bundesgesetzen (etwa durch den jeweils zuständigen Ausschuss des Natio­nalrats)

-         Möglichkeit der Erlassung von Maßnahmen zur Vereinheit­lichung des Vollzugs erstinstanzlicher Landesbehörden durch das jeweils zuständige Mitglied der Landesregie­rung.

·        Ermöglichung "öffentlich-rechtlicher Verträge" über Gegen­s­tände des jeweiligen Wirkungsbereichs zwischen Staats- und Gemeindeebene.

·        Eröffnung der Möglichkeit für Bund und Länder, im Wege des Art 15a B-VG gemeinsame organisatorische Einrichtungen mit behördlichen Funktionen zu errichten.

·        Verpflichtung eine schlanke und effiziente Verwaltung zu ge­währleisten durch verschiedene verwaltungstechnische Mittel:

-         Beseitigung von Doppelgleisigkeiten und Parallelstruktu­ren in Verbindung mit technischer Modernisierung durch adäquaten IT-Einsatz und Schaffung einer klaren, ressort­übergreifenden IT-Kompetenz;

-         Ausbau und vermehrter Einsatz von e-Government; Realisie­rung der "Bürgerkarte";

-         Schaffung von Kompetenzzentren in den Ländern insb. für die Besorgung von Supportprozessen (zB EDV, Buchhaltung);

-         verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Anwendung von Me­thoden des New Public Management (Abkehr von der Kamera­listik, Einführung von Globalbudgets, Umstellung der Ver­waltung von Input- auf Outputsteuerung).

·        Nutzung der Strukturen der Selbstverwaltung durch Ausweitung der in den jeweiligen übertragenen Wirkungsbereichen zu be­sorgenden Aufgaben.

·        Aufwertung der Gemeinden und der wirtschaftlichen Selbstver­waltungskörperschaften als bürgernahe "front-offices" und Anlaufstellen für die Ämter der Landesregierungen oder Be­zirksverwaltungsbehörden.

·        Da die derzeitige Zersplitterung im Dienstrecht der Gebiets­körperschaften einen enormen legistischen und administrati­ven Aufwand bewirkt, sollten in Hinkunft alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes in nach einheitlichen Grundsätzen geregelten privatrechtlichen Dienstverhältnissen stehen, d.h. aber nicht, dass in bestimmten Bereichen diese Verträge nicht eine besondere Bestandskraft besitzen sollten.

·        Neuordnung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Verwal­tungsstrukturen wie zB:

-         Schul- und Wissenschaftsverwaltung

-         Sozialverwaltung

-         Rechtsschutz (siehe Punkt 9.)

 

 

Potential

Im Verwaltungsbereich liegt wesentliches Potential, um die Ef­fizienz und Effektivität der Verwaltung zu erhöhen; dabei ist zu berücksichtigen, dass in einigen Bereichen der Verwaltung Reformprozesse bereits stattfinden bzw. stattgefunden haben.

Insgesamt dürfte eine Einsparungspotential von 2,5 bis 3 Mrd. Euro in diesem Bereich realisierbar sein.

Bei einigen Maßnahmen, wie flächendeckende Einführung von NPM und e-Government, ist anfangs mit erhöhten Kosten zu rechnen (Implementierungskosten, Software, Umstellung des Rechnungswe­sens, Schulungsaufwand), sodass der Einsparungseffekt erst mittelfristig zum Tragen kommt.

Einem aktuellen Prüfbericht des Rechnungshofes zufolge könnten jährlich fünf Mio EUR allein durch eine sparsamere Verwaltung im Bereich der Landeslehrer und 20 Mio EUR bei einer Struktur­reform der Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie der Poly­technischen Lehrgänge eingespart werden, ohne dass das Bil­dungssystem schlechter würde. 25 Mio EUR/Jahr. 

 

Dazu kommt der Hochschulbereich, der durch vielfältige Pa­ral­lelitäten und Überschneidungen bei Forschungsschwerpunkten und unterschiedlich ausgelasteten Studienrichtungen mit der Folge einer Fehlallokation von Ressourcen gekennzeichnet ist. Exakte Zahlen sind nicht erhältlich, Schätzungen sehen ein Sparpoten­tial im Ausmaß von bis zu 200,-- Mio. EUR, das durch einen ef­fizien­teren und die Qualität steigernden Mitteleinsatz reali­siert werden kann. Beispiel: Bündelungen und Konzentration kleinerer, bislang pa­rallel geführter Studienrichtungen.

 

Im Gesundheitsbereich ermöglicht allein die Kooperation von benachbarten Krankenhäusern dem Rechnungshof zufolge Einspa­rungen in Millionenhöhe. Mit einer Angleichung der Betten­dichte in Österreich an den europäischen Durchschnitt könnten 16.900 Akutbetten eingespart und beachtliche Mittel aus dem stationä­ren in den ambulanten und niedergelassenen Bereich umgeschich­tet werden. Gelingt es zusätzlich, die Schnittstel­lenprobleme der sekto­ralen Gesundheitsversorgung zu lösen, so sind nach Experten­meinungen insgesamt Einsparungen im Ausmaß von 2 Mrd. EUR ohne Verschlechterung der Leistungsqualität möglich.

 

 

7.     Strukturen besonderer Verwaltungseinrichtungen

 

Ausgangslage

In den letzten Jahren ist es zu einem unsystematischen Wild­wuchs ad hoc geschaffenen Regulierungsbehörden gekommen.

Die Übertragung von staatlichen Aufgaben an Selbstverwaltungs­einrichtungen hat sich bewährt (zB. Meisterprüfungsstellen).

 

 

Ziel

Angestrebt wird die Schaffung eines einheitlichen Systems von Regulierungsbehörden sowie die vermehrte Nutzung der Potentia­le von Selbstverwaltungseinrichtungen auch iS einer „fach­li­chen Subsidiarität“.

 

 

Maßnahmen

·        Schaffung einer Grundsatzregelung betreffend die einfachge­setzliche Möglichkeit der Errichtung unabhängiger Regulie­rungsbehörden unter Ermöglichung des Einbezugs von Personen mit besonderer Sachkenntnis in den jeweiligen Bereichen

·        Vereinheitlichung der Strukturen der Regulatoren und Zusam­menfassung ihrer gemeinsamen Dienste (zB Raum- und Personal­management, EDV, Bibliothek)

·        Nutzung der Strukturen der Selbstverwaltung im Sinne des Subsidiaritätsgrundsatzes durch Ausweitung der in den jewei­ligen übertragenen Wirkungsbereichen zu besorgenden Aufga­ben.

 

 

Potential

Das Einsparungspotential für den Staat ist hier eher gering, weil die Regulierungsbehörden meist  von den Beaufsichtigten finanziert werden, nicht vom Staat (siehe z.B. Finanzmarktauf­sicht, e-control).

Einsparungen sind sowohl im legistischen Bereich (Entfall der Notwendigkeit, ad hoc neue Behördenstrukturen zu erfinden) als auch durch die Zusammenfassung gemeinsamer Dienste (was zu ei­nem reduzierten Bundesbeitrag führen kann) realisierbar.  Schätzung: 5 - 10 Mio

 

 

8.     Demokratische Kontrollen

 

Ausgangslage

Derzeit sind die parlamentarischen Kontrollrechte bei privat­wirtschaftlicher Tätigkeit durch ausgegliederte Rechtsträger - bedingt durch einen zu engen Verwaltungsbegriff - unzurei­chend. Verwaltung iSd B-VG liegt nach herrschender Auffassung nämlich nur vor, wenn privatwirtschaftliche Tätigkeiten einer Gebietskörperschaft zugerechnet werden können.

Für den Fall der Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung können die bestehenden Kontrollmöglichkeiten des Nationalrats (da diese nur gegenüber der Bundesvollziehung möglich sind) nicht in Anspruch genommen werden; in dieser Hinsicht müßten neue Kontrollmöglichkeiten geschaffen werden. Probleme bestün­den auch iZm der Berichterstattung im Rahmen der Rechnungshof­kontrolle und der Volksanwaltschaft, da sich diese im Bereich der Landesvollziehung nicht an den Bundesgesetzgeber richtet.

 

 

Ziel

Schaffung von adäquaten Kontrollmöglichkeiten der parlamenta­rischen Vertretungskörper für die gesamte öffentliche Verwal­tung.

 

 

Maßnahmen

·        Erstreckung des Verwaltungsbegriffes der Bundesverfassung auch auf Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung, die auf private Rechtsträger übertragen wurden

·        Schaffung geeigneter neuer Kontrollmöglichkeiten für den Na­tionalrat für den Fall der Abschaffung der mittelbaren Bun­desverwaltung (siehe Punkt 6.)

·        Auch die Berichterstattung im Rahmen der Rechnungshofkon­trolle und der Volksanwaltschaft (sofern die Länder diese durch Landesverfassungsgesetz auch für ihren Bereich für zu­ständig erklärt haben) richtet sich in Bereichen der Landes­vollziehung nicht an den Bundesgesetzgeber. Auch diesbezüg­lich müssten im Falle eines verstärkten „Vollzugsföderalis­mus" neue bzw zusätzliche Informations- und Berichtspflich­ten geschaffen werden.

 

 

Potential

Potenzialabschätzung derzeit nicht möglich

 

9.     Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit

 

Ausgangslage

Der Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes ist durch eine Be­hördenvielfalt gekennzeichnet, die vielfach keinem erkennbaren System folgt. Außerdem bestehen, neben der seit Jahren bekann­ten Überlastung des VwGH, Rechtsschutzlücken und zT Bedenken hinsichtlich der EMRK- und Europarechts-Konformität der beste­henden Einrichtungen.

 

 

Ziel

Schaffung eines durchdachten, effektive und rasche Erledigung bietenden, Systems des Verwaltungsrechtsschutzes.

 

 

Maßnahmen

·        Ersetzung der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern durch echte Landes-Verwaltungsgerichte. Aus Gründen der Ef­fizienz und Sparsamkeit sowie des möglichsten Gleichklanges der Entscheidungen sollten die Landesverwaltungsgerichte in vier Sprengel, die etwa den OLG-Sprengeln entsprechen könn­ten, zusammengefasst werden. Der Sitz dieser Verwaltungsge­richte könnte dann jeweils in einer anderen Landeshauptstadt als der Sitz des OLG sein. In den Ländern sollte daher le­diglich eine Verwaltungsinstanz vor dem Landes-Verwaltungs­gericht bestehen.

·        Ausstattung der Verwaltungsgerichte mit reformatorischer Entscheidungsbefugnis, um eine wirkliche Beschleunigung des Verfahrens zu bewirken.

·        Reduktion der Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, weitgehende Überführung ihrer Agenden auf die Verwaltungsge­richte.

·        Gänzliche Abschaffung der sukzessiven Zuständigkeit, was durch die Einführung von Landesverwaltungsgerichten auch sinnvoll möglich wird.

·        Förderung von dem Verwaltungsverfahren vor- oder zwischen­geschalteter außerbehördlicher Einigungsversuche (Mediation) mit dem Ziel, eine Inanspruchnahme sämtlicher Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit möglichst unnötig zu machen.

 

 

Potential

Auf Bundesebene wie auf Landesebene bestehen derzeit etwa 60 Kollegialbehörden mit richterlichen Einschlag (etwa 30 Bund, etwa 30 Bundesländer), eine Bereinigung könnte hier zu Einspa­rungen führen. Eine seriöse Einschätzung des Einsparungspoten­tials erscheint derzeit nicht möglich.

 

 

10.         Finanzverfassung

 

(Die Positionierung erfolgt zeitgerecht vor Einsetzung des entsprechenden Ausschusses.)